• Leider geil in Sachen Guerilla-Marketing.

    Opel Österreich hat sich vor einigen Wochen einen genialen Coup erlaubt: Beim alljährlichen GTI-Treffen am Wörthersee haben sich Mitarbeiter der betreuenden Werbeagentur vor das Tor zum Gelände gestellt und kostenlos T-Shirts und Kaputzenpullover mit dem Aufdruck „Leider geil“ verteilt und sonst nichts. Offensichtlich nur die wenigsten GTI-Fans merkten, dass der Leider-Geil-Schriftzug in der Schrift Opel Sans gesetzt war. Der Rest merkte es spätestens dann, als während der beginnenden Veranstaltung ein Flugzeug um das Gelände kreiste und auf einem Transparent den Opel Corsa OPC bewarb, just mit dem Schriftzug „Leider geil“. Guerilla-Marketing at it’s best.

    Das fanden wir so gut, dass ich im Weblog meines Kunden, das Pforzheimer Opel-Autohaus Gerstel, über diese Story einen Blog-Artikel schrieb. Und das wurde dann ein ungeahnter Erfolg, denn im deutschsprachigen Web schrieb nicht eine einzige Opel-Website über diese geniale Aktion. Vereinzelt kam etwas über die offiziellen Opel-Twitter- und Facebook-Kanäle, aber auf der Website von Opel Österreich? Nichts. Der Tod einer jeden Guerilla-Marketingaktion ist, wenn sie gut gemacht ist und keiner darüber redet.

    Und das Ding geht eigentlich noch weiter, denn was hätte man aus der Aktion noch alles machen können! Beispielsweise das betreffende T-Shirt mit dem Aufdruck nicht nur am Wörthersee zur Verteilung positioniert, sondern einfach mal ein paar hundert Stück produziert und für interessierte Opel-Fans, die sich das Shirt nachträglich kaufen wollen, bereitgehalten. Und wenn man es richtig gut hätte machen wollen, hätte man gar keinen eigenen Online-Shop dafür aufgemacht, sondern hätte das T-Shirt als offizielles „Opel-Ersatzteil“ angeboten, das mit einer offiziellen Ersatzteilbestellnummer bei jedem Opel-Servicepartner bestellt werden könnte. Und wer bis zehn Uhr morgens vor Ort das Shirt bestellt, kann es um 14 Uhr auch schon abholen, denn die Opel-Ersatzteildistribution gibt diese Schnelllieferung von Ersatzteilen problemlos her und für ein paar T-Shirts ist im Transport immer Platz. Und besser hätte man Fans gar nicht davon überzeugen können, wie schnell und zuverlässig Opel-Ersatzteile im Zweifelsfall geliefert werden können.

    Hach, manchmal denke ich mir, ich sollte eine Agentur für echtes Guerilla-Marketing öffnen.

  • Die ICD-Kontrolle.

    Was man als Besitzer eines ICD, eines Implantierbaren Kardioverter/Defibrillator auch wird: Stammkunde in der Ärzteschaft. Regelmäßiger Besuch beim Hausarzt, ständige Laborkontrollen, Kardiologe, Augenarzt und ICD-Check. Zwei Arztbesuche im Monat sind jetzt Standard, wobei das wohl im Anfang so ist und im Laufe der Zeit besser werden dürfte.

    Kernstück der Untersuchungsphalanx ist die ICD-Kontrolle, die bei uns im Klinikum Pforzheim im Rahmen einer regelmäßig dort stattfindenden ICD-Sprechstunde im Kreislauflabor stattfindet. Oft machen dies auch Kardiologen, allerdings sind weit mehr Kardiologen für die Bedienung von Herzschrittmachern ausgebildet, als für ICD und bei uns in Pforzheim ist das eben nur das Klinikum Pforzheim.

    Beim ICD-Check wird letztendlich nichts anderes gemacht, als geprüft, ob der ICD noch funktioniert, was er in seinem Therapiespeicher so für Aufzeichnungen hat und ggf. anhand von Messdaten und Patientenberichten die Konfiguration des ICD angepasst. Das darf man sich tatsächlich in etwa so vorstellen wie eine Autoinspektion. Der Arzt besitzt einen Computer mit einem Lesekopf, den er auf meine Brust genau über den ICD legt, dieser nimmt per Funk Kontakt mit dem darunterliegenden ICD auf und schon kann der Arzt nach Herzenslust an meiner Bordelektronik herumspielen. Ich müsste noch nicht mal mein T-Shirt ausziehen, wenn ich nicht sicherheitshalber an ein EKG angeschlossen werden müsste, weil während dem ICD-Check der ICD logischerweise nicht therapieren kann, wenn ausgerechnet in diesem Moment mein Herzschlag aus dem Takt geraten würde. Für diesen Notfall gibt es am Computer und am Lesegerät eine Notschock-Taste, die beim Auslösen dem ICD den ultimativen Befehl geben würde, einen Schock auszulösen.

    Der Check ist schmerzlos und hat eine fast schon witzige Komponente: Beim Check der Elektroden, die vom ICD ins Herz führen, kribbelt es in der Brust. Dieses Kribbeln ist weit von Unangenehm entfernt und noch viel weiter von einem schmerzhaften Schock, sondern einfach nur seltsam – wenn man es denn überhaupt spürt. Die Assistenzärztin, die wie beim ersten Check in Berlin vorher vergessen hat zu sagen, dass es jetzt gleich kribbelt, war ganz erstaunt, weil sie meinte, dass eigentlich nur Herzgesunde diese Impulse spüren würden. Eine nette Motivation so am Rande.

    Der Check, der rund eine Viertelstunde dauerte, ergab dann auch, dass es kein Grund für Beanstandungen gibt. Die in Berlin gemachten Einstellungen wurden erst einmal so übernommen, ein Software-Update für den ICD (ja, das gibt es) liegt auch nicht vor und der Therapiespeicher mit eventuell in den letzten Wochen abgegebenen Therapien war leer. Das ist insofern ganz gut, da statistisch gesehen ein Herz nach der Implantierung eines ICD in den ersten Monaten verhältnismäßig oft therapiert werden muss und es danach dann besser wird. Und dieser gute Verlauf bei meinem Herzen ist dann wiederum ein gutes Zeichen dafür, dass der Arzt ankündigte, beim nächsten Check im September meinen ICD voraussichtlich noch weiter „herunterzudrehen“ und unempfindlicher zu machen, um auf diese Weise die langfristige Batterielaufzeit zu erhöhen. Zitat: „Sie brauchen Ihren ICD zur Zeit nicht.“

    Was so am Rande ziemlich lässig ist: Man kennt sich und tritt fast in eine geschlossene Gesellschaft ein. Ärzte und Assistentin kennen jeden Patienten mit Namen (selbst meinen), die Telefongespräche mit offenkundigen Patienten fangen immer mit „Na, wie geht’s denn so?“ an und im Wartebereich vor dem Kreislauflabor begrüßen sich manche Patienten mit Handschlag. Es geht nicht ansatzweise hektisch zu. Es fehlt eigentlich nur noch ein Kaltes Buffet. 😉

  • Die Notwendigkeit externer Defibrillatoren.

    Meine Schwester meinte vor einigen Wochen, dass sie inzwischen externe Defibrillatoren, wie sie an öffentlichen Orten hängen, inzwischen ganz anders sieht, als vorher. Ich muss zugeben, ich tue das auch. Und andere auch, mit denen ich über mein „kleines Maleur“ spreche und die dann gern darauf verweisen, dass es ja eben so externe Defibrillatoren für so Leute wie mich gibt. Ich antworte dann gern so zurück: „Nene, die Defibrillatoren, die da draußen hängen, die sind nicht für mich, die sind für euch!“

    Im Fall der Fälle brauche ich keinen externen Defibrillator, denn den habe ich als ICD-Träger ja jetzt praktischerweise immer dabei. Das macht aber externe Defibrillatoren an öffentlichen Orten nicht weniger sinnvoll, denn ein Kammerflimmern kann bis dato kerngesunde Menschen treffen und Kammerflimmern ist immer ein zu behandelnder Notfall. Das Herz schlägt zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr und „wabert“ herum, der Blutdruck fällt schlagartig ab und der Mensch fällt in Bewusstlosigkeit. Wenn hier nicht innerhalb von 5 bis 10 Minuten geholfen wird und der Mensch stirbt, dann ist dies genau das, was man landläufig unter „Plötzlichem Herztod“ versteht. Und das passiert nicht nur gebrechlichen und herzkranken Menschen, sondern eben Menschen in allen Lebenslagen und Altersgruppen.

    Externe Defibrillatoren sind genau für diese Notfälle gedacht. Die Geräte, die für die Nutzung von Laien konzipiert sind, sind dabei sehr einfach zu bedienen, haben eine verständliche Anleitung dabei und man kann mit ihnen nicht sonderlich viel falsch machen: Nach dem Aufkleben der Elektroden messen sie den Herzschlag und geben die Schockfreigabe auch nur dann frei, wenn es tatsächlich indiziert ist. Und dem Patienten kann man da auch nicht sehr verletzen, denn Kammerflimmern geht sowieso in den meisten Fällen mit einer tiefen Bewusstlosigkeit einher, so dass der Patient nichts vom Schock spürt, außer dass er nach der Schockabgabe, dem wieder einsetzenden Puls und der wieder erwachenden Blutversorgung meist spontan wieder aufwacht und sich fragt, was eigentlich los ist.

    Ohne externen Defibrillator gibt es nur zwei Möglichkeiten: Eine sofortige und engagierte Herzdruckmassage, die allerdings meist das Herz nicht wieder in den Takt bringt und ein möglichst zügiger Notruf mit der Hoffnung, dass der Notarzt auch innerhalb der 5 bis 10 lebensrettenden Minuten vor Ort ist. Jeder, der weiß, was zehn Minuten in Notsituationen bedeuten können, weiß, was für eine heiße Nummer das ist.

    Externer Defibrillator als echte, angewandte Nächstenliebe?

    Die Überschrift hört sich kitschig an und das ist auch so gewollt – aber der Sinn ist genau der. Mit kaum einem anderen Instrument kann mal als Unternehmen, Vermieter oder Veranstalter sehr deutlich darstellen, dass einem da eine Sache buchstäblich sehr am Herzen liegt. Der obligatorische Verbandskasten macht da deutlich weniger Eindruck als ein Defibrillator, der da meist auch hinblinkend für sich selbst und für den Gedanken der Verantwortlichen Werbung macht. Die investierten 800 bis 1.500 Euro sind nichts, wenn man das im Verhältnis zur Außenwirkung oder gar einem vielleicht durch den Defibrillator geretteten Leben stellt.

    Und selbst der § 5 Absatz 1 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung, der vorsieht, dass der Betreiber „die beauftragte Person anhand der Gebrauchsanweisung sowie beigefügter sicherheitsbezogener Informationen und Instandhaltungshinweise in die sachgerechte Handhabung, Anwendung und den Betrieb des Medizinproduktes sowie in die zulässige Verbindung mit anderen Medizinprodukten, Gegenständen und Zubehör eingewiesen hat“, ist kein Hexenwerk. Dass für den Einsatz eines Defibrillators eigentlich kein Fachpersonal notwendig ist, passt in diese Verordnung (noch) nicht hinein.

    Ein Defibrillator in jedem Haushalt? Das muss man für sich entscheiden und abwägen. Ein Defibrillator gehört zu einem Gerät, das, wenn man es mal mit der schnöden Mammon-Sprache sagen will, keine „regelmäßige Rendite abwirft“. Man sollte es also als eine Art „Versicherung“ verstehen, die man sich da ins Haus holt. Für einen Haushalt mag das zu teuer sein, aber schon ein Vermieter oder eine Eigentümergesellschaft eines Wohnhauses kann hier tätig werden und bricht sich keinen ab.

    Findet es einfach gut, wenn ihr so einen Defibrillator irgendwo hängen seht und sagt das auch ruhig so den Verantwortlichen. Denn es hat einer mitgedacht.

  • Sind wir in Deutschland zu „krimigeil“?

    Ich hatte einmal eine recht interessante Diskussion in einer Kneipe am Start, bei der es um das Fernsehprogramm ging. Und zwar im Detail darum, warum US-amerikanische Serien in Deutschland (und nicht nur dort) so gut funktionieren und deutsche Serien so gar nicht – außer Krimis. So Serien wie Derrick, die vor allem dadurch glänzen, dass sie im Prinzip furchtbar langweilig sind und vollkommen ohne Action und und Glamour daherkommen, sind in der Welt überaus begehrt. Und wenn man sich die Physiognomie näher anschaut, bekommt man auch die passende Antwort.

    Krimis im Fernsehen – eine Nahbetrachtung des Fernsehprogramms

    Der subjektive Eindruck, das Fernsehen sei voll mit Krimiserien und „krimiähnlichen“ Programmen wollte einmal mit verlässlichen Zahlen untermauert werden. Also habe ich mir mal das Fernsehprogramm einer Woche im September (von Samstag bis Freitag) geschnappt und ausgewertet. Und der subjektive Eindruck wird plötzlich sehr objektiv. In den Zahlen eingerechnet sind Polizeiserien wie das „Großstadtrevier“ und als Spezialfall auch die Fahndungssendung „Aktenzeichen XY“:

    • ARD: 5 Stunden, 45 Minuten
    • ZDF: 14 Stunden, 15 Minuten
    • RTL: 1 Stunde
    • Sat 1: 0 Stunden
    • Pro Sieben: 0 Stunden

    Tatsächlich ist das ZDF absoluter Krimikanal. Neben den Freitags-, Samstags- und Sonntagskrimis gibt es eine ganze Phalanx an SOKO-Serien im Vorabendprogramm, so dass das ZDF pro Tag durchschnittlich auf über zwei Stunden Kriminalität kommt. Und betrachtet sind hier nur Krimiserien, also keine Spielfilme. Das ist eine ganze Menge Elend.

    Warum Krimiserien?

    Man sollte nun einmal hinterfragen, warum wir eigentlich so viele Krimiserien am Start haben. Zuerst käme man vielleicht auf die These, dass wir in Deutschland einfach gern Krimis anschauen. Gegenfrage: Tun wir das wirklich? Denn wenn wir allein nur einmal anschauen, dass die oben gezählten 21 Stunden Kriminalität auf gerade einmal drei Programme verteilt sind und von diesen drei Programmen das eine Programm nur 1 Stunde zählt, dann ist das nicht sehr homogen. Noch inhomogener wird das, wenn man berücksichtigt, dass ARD und ZDF in der so genannte „werberelevanten Zielgruppe“ deutlich auf verlorenem Posten steht. Und dazu kommt dann auch noch, dass eine ganze Latte dieser Krimiserien nicht in der Primetime laufen, wie beispielsweise ein Teil der SOKO-Serien und auch „Großstadtrevier“ der ARD, die allesamt im Vorabendprogramm gesendet werden und eher zur seichten Kost gehört.

    Vielmehr gehören Krimis zu einer der ersten Unterhaltungsformen des Fernsehens und prägen das Fernsehen von Anfang an. Während in den USA das klassische Crime-TV in den 1970ern sein All-Time-High hatte und seitdem – mit Ausnahmen – auf dem absteigenden Ast ist, ist im deutschen Fernsehen von einem absteigenden Ast kaum etwas zu sehen, zumindest in Sachen Quantität.

    Das liegt mitunter an zwei zentralen Eigenschaften von Krimiserien, zählen wir sie mal zu „Fernsehen 1.0“:

    • Vergleichsweise einfach strukturierte Drehbücher
    • Keine aufwendigen Studioproduktionen
    • Keine Spezialeffekte und damit günstige Postproduktion
    • In der Regel streng episodisch abgeschlossene Erzählformen
    • Krimis sind „ernste“, internationale und überparteiliche Kost, ohne die Gefahr, irgendwo größer anzuecken, wenn man es nicht darauf ankommen lässt

    Fernsehen im Zeitalter des Multikanals

    Das Ende des Fernsehens ist demnächst sicherlich nicht zu erwarten. Sehr wohl aber eine grundlegende Änderung des Sehverhaltens der Fernsehzuschauer. Fernsehen ist immer weniger eine Geschichte, die man jeden Abend einschaltet, um dann x Stunden bis zum Einschlafen darin in ein Programm hineinzuschauen. Es ist schon heute so, dass Fernsehen eine selektive und immer selektiver werdende Geschichte ist. Fiktionale Unterhaltung muss daher extrem professionell daherkommen, um überhaupt als unterhaltend erkannt und akzeptiert zu werden.

    Das ist der Grund, weshalb amerikanische Produzenten von hochklassigen Fernsehserien schallend über die Kosten von 1 bis 1,5 Millionen Euro einer mittelmäßigen Tatort-Folge lachen können. Eine aktuelle Folge der Simpsons wird beispielsweise mit 1 Million US-Dollar veranschlagt, wobei zu berücksichtigen ist, dass es Trickfilm ist und die Trickarbeiten in Billiglohnländern produziert werden. Eine Folge „Dr. House“ gibt es, wenn man diversen Quellen glauben darf, gar erst ab 3 Millionen US-Dollar pro Folge und das ist für eine Serie, die quasi komplett in einem Studio produziert wird, nur 45 Minuten dauert und pro Staffel mindestens 20 Folgen aufweist, eine gewaltige Zahl.

    Die Budgets allein sind es aber nicht, denn das würde beispielsweise nicht den Erfolg der vielen Sitcoms erklären, die in den USA produziert werden und es hier in Deutschland teilweise noch nicht mal auf die Programmtafeln schaffen. Hier gilt immer noch der Gedanke, dass Sitcoms eigentlich im „ernstne“, deutschen Fernsehen nichts zu tun haben und eher zu Klamauk gezählt werden. Ein grober Kardinalfehler, denn auch wenn Sitcoms oftmals eher unterhaltenden Charakter haben, haben Sie einen großen Vorteil: In ihnen lässt sich das normale Leben (soweit man davon sprechen mag) immer noch am besten verarbeiten.

    Ein weiterer Punkt betrifft praktisch die gesamte Unterhaltung: Sie wird nicht von einem Drehbuchautor geschrieben, sondern von einer ganzen Batterie von gleichberechtigten Autoren, in der Regel auch mit mehreren Autoren pro Folge. Das gibt schon allein dadurch, dass mehrere Augenpaare mehr sehen, als nur eines, den großen Vorteil, dass eine Serie deutlich vielfältiger ist, als z.B. 20 Jahre Derrick. In vielen Ländern wird die fast schon maschinell wirkende Konstanz von Derrick hochgelobt und als „typisch deutsch“ eingeschätzt, aber das ist eigentlich kein Vorteil, das ist ein großes Dilemma, das man auflösen müsste.

    Neue Formen, Formate, Experimente

    Eigentlich mangelt es im deutschen Fernsehbetrieb an nichts: Es gibt eine gut entwickelte öffentlich-rechtliche Senderstruktur, es gibt große Privatsenderketten, es gibt etabliertes Pay-TV und es gibt eine umfangreiche Landschaft von privaten Produktionsgesellschaften, die Auftragsarbeit verrichten können, wenn der Etat stimmt. Man könnte loslegen – wenn man wollte.

    Aber will man? Wenn man sich gerade das öffentlich-rechtliche Fernsehmilieu anschaut, darf man getrost daran zweifeln. Experimentielle Formate finden keinen Platz, bei der ARD zudem keine echte Geduld mit der Intendantenriege. Das ZDF probiert sich wenigstens mit dem Digitalkanal ZDF Neo, hier fehlt es aber meiner Meinung nach am richtigen „Tritt“, auch mal etwas größeres zu produzieren und auszuprobieren. Der Raum dazu wäre da und noch nie gab es wirksamere Möglichkeiten der Begleitberichterstattung, wie im Internet- und Facebook-Zeitalter.

    Man müsste wollen. Mut zur Lücke haben. Leuten die Luft zum Experimentieren lassen. Mal das Publikum fragen, was es sehen möchte und vielleicht das Publikum auch einmal mitarbeiten lassen an der Entwicklung eines neuen Formates. Man will nicht. Und versteht nicht, dass auf die „klassische“ Weise das moderne Fernsehen von morgen nicht funktionieren wird.

  • Maschinenschreiben galore.

    Eine der wirklich fundamentalen Dinge, die ich in der Berufsschule gelernt habe, ist das Maschinenschreiben, also das Tippen auf eine Tastatur im Zehnfingersystem. Das lernt man in fast allen kaufmännischen Berufen in den Berufsschulen und was da anfangs wirklich eine böse Qual ist, ist am Ende doch eine Sache, die einen vermutlich bis zum Lebensende begleitet.

    Bis zum Lernen des Zehnfingersystems war ich geübter Zweifingertipper. „Geübt“ deshalb, weil ich mit zwei Fingern gar nicht so langsam tippen konnte. Dennoch ist das Zweifingersystem natürlich nicht ansatzweise mit dem Zehnfingersystem zu vergleichen. Man schafft nicht im Traum die Schreibgeschwindigkeit und muss vor allem ständig auf die Tastatur schauen, um die Tasten zu treffen.

    Eine der zentralen Dinge des Maschinenschreibens ist nämlich, dass man eine Grundstellung der Hände hat (man beachte die fühlbaren Markierungen auf den allermeisten Tasten bei den Tasten „F“ und „J“) und von dieser Grundstellung alle Buchstabentasten und die obere Zahlenreihe erreichen kann. Und zwar mit dem jeweils genau dafür festgelegten Finger. Mit etwas Übung trifft man dann diese Tasten dann, ohne auf die Tastatur schauen zu müssen und kann sich so erheblich besser auf den zu schreibenden Text konzentrieren.

    Ich bin mal so frei und sage, dass ich vermutlich eher nicht in der IT-Branche arbeiten würde, wenn ich das Maschinenschreiben nicht gelernt hätte. Von der Art der Texteingabe hängt zwar nicht unbedingt die intellektuelle Aufnahmefähigkeit ab, allerdings ist es schon ein großer Unterschied, ob man beim Entwickeln eines Programmes oder Textes auch noch ständig auf die Tastatur schauen muss oder sich eben besser auf das konzentrieren kann, was auf dem Bildschirm zu stehen hat. Ich merke das immer wieder dann, wenn ich mal absichtlich in den Zweifingermodus schalte und dazu dann auf die Tastatur schauen muss. Da geht das Schreibtempo so herunter, dass ich das Zweifingersystem sogar ab und an gern dazu nutze, einfach mal kurzfristig geistig „herunterzufahren“, weil ich dann bewusst nicht so viel Input tippen kann.

    Um mal ein paar Zahlen zu nennen: Ein normaler Zweifingerschreiber schafft pro Minute zwischen 80 und 150 Tastenanschläge pro Minute. Geübtere Tipper können dies auch mal kurzfristig auf 200 Tastenanschläge pro Minute hinaufschrauben, das sind aber keinesfalls dauerhaft erreichbare Tippleistungen.

    Im Zehnfingersystem sind 100 bis 300 Tastenanschläge pro Minute problemlos auch für Anfänger erreichbar. Mit viel Übung kann man das dann deutlich hochdrehen. Aktuell schaffe ich 450 Tastenanschläge pro Minute und kann damit sicherlich 80 % aller Maschinenschreiber locker in die Tasche stecken. Im Vergleich mit echten Profis sind aber auch meine 450 Tastenanschläge pro Minute eher nichts, denn echte Profis bringen es auf mindestens 800 Tastenanschläge und die echte Rekordzone beginnt erst jenseits der 1.200 (!) Tastenanschläge pro Minute. Da muss dann tatsächlich auch die Textverarbeitungssoftware mitspielen, wobei echte Rekordmessungen mit ganz eigenen Erfassungsprogrammen vorgenommen werden, bei denen der Eingabepuffer eben sehr zügig ausgewertet wird.

    Lohnt es sich, Maschinenschreiben auch später noch zu lernen? Eindeutig ja. Das Schreiben wird flüssiger, weniger anstrengend und man hat an Tipparbeit deutlich mehr Spaß bzw. empfindet überhaupt erst Spaß. Und man schafft es, sich mit der Tippleistung deutlich näher an die Sprech- und Denkleistung des menschlichen Gehirnes anzunähern, wobei dieser Vergleich seeeehr dehnfähig ist. So langsam, wie selbst die schnellsten Maschinenschreiber tippen, denken nur wenige Menschen.

  • „Willst du mal mein Gerät anfassen?“

    Ich gehöre ja zu den Anhängern des Schwarzen Humors und je trockener der Witz, desto besser. So gehört zu meinen absoluten Lieblingssprüchen gegenüber Freunden und Freundinnen die spontan eingeworfene Frage, ob sie mal mein Gerät anfassen wollen. Gemeint ist damit natürlich ausschließlich mein implantierter ICD

    Tatsächlich ist der ICD zwar von außen kaum sicht-, aber dafür fühlbar, wenn man oberhalb meiner (von mir aus gesehenen) linken Brust etwas herumtastet. Das, was sich dahinter verbirgt, ist nämlich kein Knochen, sondern der ICD, der sich in einer Hauttasche hinter dem Brustmuskel befindet. Er hängt also auch nicht einfach nur hinter der Haut, sondern ist gut geschützt eingebettet, so dass ich inzwischen mit meinem linken Arm weitgehend alles machen kann und nur Dinge dauerhaft unterlassen soll, die den Arm übermäßig beanspruchen wie z.B. Tennis. Ein verschmerzbares Verbot. 🙂

    Mit dem Thema, dass ich nun ein bionisches Upgrade erfahren habe, gehe ich im übrigen immer noch so vor, wie in meinem obigen Blog-Artikel. Ich sage, dass ich im Krankenhaus war und ich beantworte die Frage, was ich dort getan habe, auch mit der Offenheit, dass mir dort aus Gründen der Sicherheit ein ICD implantiert wurde, der genau genommen eigentlich die meiste Zeit gar nichts macht, außer auf den Puls aufpassen. Ich sage das mit einer gewissen Lockerheit, jedoch durchaus nicht ohne den gebotenen Respekt davor, dass ich immer noch nicht weiß, wie es sich anfühlt, wenn das Teil mal im Ernstfall mein Herz wieder in den richtigen Rhythmus bringen soll. Die Erfahrungsberichte dazu sind weit gefasst, zudem haben moderne ICD eine ganze Reihe von Therapieansätzen, um Rhythmusstörungen zu bewerten und die entsprechende Therapie auszulösen. Die Chance also, dass ich sofort mit einem 30-Joule-Schock „versorgt“ werde (was die Maximaldosis wäre), ist absehbar geringer, als man sich in dunkleren Momenten ausmalt, zumal die Behandlung mit medikamentöser Antiarrhythmika flankiert wird, die ihren im wahrsten Sinne des Wortes beruhigenden Teil tut.

    Meine bisherigen Erfahrungen sind die, dass die meisten Zuhörer zuerst einmal sehr erschrocken darüber sind, was mir widerfahren ist – und, sehr interessant, sich dann alle unbewusst und ausnahmslos an die eigene Brust fassen. Sich mit dem Herzen zu beschäftigen, ist – ebenfalls zu Recht – kein angenehmes Thema und ich versuche dann auch, zu erklären, was es mit dem ICD eigentlich auf sich hat und wo meine Rhythmusstörungen auch zu verorten sind. Man muss ja nicht unbedingt alle Menschen mit Fakten schockieren, die nur bei einigen Menschen auftreten.

    Meine behandelnden Ärzte hatten auch mit einem weiteren Phänomen Recht: Es reden unglaublich viele Menschen über ICD, Kardioversion und Elektroschocks, die sowas noch nie selbst mitgemacht haben, es nur sehr falsch dargestellt aus dem Fernsehen kennen, selbst keinen ICD tragen und vermutlich auch noch nie beim Kardiologen waren. Das ist tatsächlich eine Sache, die mich richtiggehend stört, denn was da in Erzählungen übrigbleibt, ist immer nur das Schlimme und völlig Übertriebene. Ich brauche tatsächlich keine Märchenerzählungen über Menschen, die einen gefühlten halben Meter aus dem Bett springen bei einem Elektroschock – weil es nicht stimmt und auch nichts zur Sache bei mir tut, weil ich im Ernstfall keinen Schock von außen brauche, sondern den „Luxus genieße“, den vielleicht notwendigen Defibrillator schon direkt am Einsatzort zu haben und mit viel weniger Energie therapiert werde und das auch noch automatisch.

    Natürlich würde ich, wenn ich die freie Wahl hätte, auch gern auf den ICD in mir verzichten. Allerdings ist auch Mitleid fehl am Platze, denn ein ICD und selbst der größte Schock ist im absoluten Ernstfall immer noch besser, als ein möglicher Exitus wegen unbehandelten Kammerflimmerns. Dazu besteht zwar bei mir auch bei der ursprünglichen Indikation kein besonders schweres Risiko, aber so wie es jetzt ist, lebt es sich unbeschwerter. Sicherer. Und kaum schlechter. Das kann man mir glauben. Und deshalb darf man auch gern mal mein Gerät anfassen.

  • Obama 2012 – Beispiel einer einzelnen Spendenkampagne.

    Grassroots Fundraising im Wahlkampfstart

    Die Finanzleute von Obama 2012 werden sicherlich schon kräftig dabei sein, Großspenden zu aquirieren. Tatsächlich steht und fällt jede Planung damit, wie die Finanzierungssituation aussieht und die wird genau jetzt ausgelotet.

    Aktuell ist heute eine E-Mail an Obama-2012-Befürworter gegangen, die folgende Koordinaten enthält und sehr schön zeigt, wie es gerade läuft. Ich habe die zentralen Sätze einmal seziert und übersetzt. Richtig viel mehr Sätze gibt es auch gar nicht in dieser E-Mail. Man beachte den Aufbau und die Formulierungen:

    • Scope: Eine Finanzierungskampagne „focused on the big fundraising deadline coming up on Friday“.
    • Etwas Prosa zur Motivation: „Irgendwann in den nächsten Monaten wird die einmillionste Person eine Spende für die 2012-Kampagne machen. Bei der 2008-Kampagne dauerte dies ein Jahr und dieses Jahr könnten wir dies schon in sechs Monaten erreichen.“
    • Die in Aussicht gestellte Belohnung darf auch nicht fehlen: „Die erste Million [Spender] ist eine spezielle Gruppe – sie stellen die ursprünglichen Anteilhaber dar Und sie sind der Grundstein für die Operation, die dafür sorgt, dass Barack Obama im nächsten Herbst wieder gewählt wird. Laut unseren Unterlagen sind Sie noch keiner von dieser Gruppe.“ Brillanter kann man es nicht schreiben.
    • Danach die direkte Ansage: „Wollen Sie Teil dieser ersten Million [Spender] sein? Wenn ja, dann tun sie es heute, vor der kritischen Deadline am 30. September.“

    Zack, der Link auf das Zahlungsformular auf der Obama-2012-Website und schon darf die Kreditkarte gezückt werden. Und dort ist dann der Trichter zum Spenden noch extremer sichtbar. Ein Zähler gibt den genauen Spendenbetrag und deutet an, dass jede Spende – und sei sie noch so klein – den Topf sichtbar vergrößert. Allein dieser Effekt, dass eventuell überwiesene 10 Dollar sofort im Zähler sichtbar werden, ist ein fester Punkt jeglicher Fundraising-Kampagnen.

    Wer den Link, der ziemlich genau in der Mitte der E-Mail eingebettet ist, nicht anklickt, liest erfahrungsgemäß deshalb weiter, weil er höchstwahrscheinlich noch nicht überzeugt genug ist. Das fängt der zweite Teil der E-Mail gekonnt mit wichtig klingendem Blabla auf:

    • „Diese Wahl wird anders sein – die Einsätze sind höher und die Politik ist härter.“
    • „Aber wir haben auch etwas, was wir 2008 nicht hatten: Zeit zum Aufbau. Und das ist genau das, was wir im ganzen Land getan haben. Unser Plan startet auf Graswurzelebene und wird von dort aus gebaut.“
    • „Die Frage ist, welche Teile dieser Pläne jetzt getan werden und welche warten müssen. Jetzige Entscheidungen haben enorme Konsequenzen für die nächsten Jahre – und jede hat mit einer Menge Geld zu tun.“
    • „Seien Sie deshalb einer der ersten Million, die eine frühe Investition in diese Kampagne tätigen – Sie werden stolz sein, es getan zu haben.“
    • „Spenden Sie heute 3 US-Dollar oder mehr.“

    Und zack, nochmal ein Link auf das Zahlungsformular auf der Obama-2012-Website. Ein kurzes, professionell wirkendes „Danke“ vom Kampagnenmanager Jim Messina und fertig ist E-Mail. Kurz, knapp, knackig, knallig. Und das sind an sich noch E-Mails aus dem Anfang der Kampagne – die Schlagzahl und Schärfe nimmt im Laufe der Kampagne deutlich zu, bis es zum Endspurt der jeweiligen Kampagne kommt. Und das quasi bis zur letzten Minute, denn eine solche Kampagne wird kommunikativ tatsächlich bis zum Ende geführt.


    Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort „Obama 2012“.

  • Von Nichtmögen, sich auf etwas einlassen und es dann vielleicht zu lieben.

    Dieser Artikel hier wird in meinem Blog etwas aus dem Rahmen fallen. Das tun zwar, der geneigte Leser kennt das ja schon, nicht gerade wenige Artikel im Blog, aber der hier noch etwas mehr. Es geht nämlich darum, wie man eigentlich weiterkommt. Und wie man eigentlich auf diese Weise nichts anderes tut, als die gesamte Menschheit ein Stückchen weiterzubringen. Gewidmet ist der Artikel einem für mich sehr wichtigen Menschen, Details dazu gehen euch nichts an.

    Mein Beispiel hier ist auf den ersten Blick völlig abstrus – es ist nämlich U2. Nicht die U-Bahn-Linie in Berlin oder einer anderen Stadt, sondern die Band. Viele wissen, dass ich U2-Fan bin. Zwar nicht unbedingt so militant, dass ich alle Lieder auswendig wüsste (eigentlich weiß ich nach wie vor gar keines auswendig), aber ich kann mich von U2 und ihren Liedern vortrefflich berühren lassen, in allen Lebenslagen. Aber von vorn:

    Eigentlich habe ich U2 sogar mal gehasst. Mir heute völlig unverständlich, aber bis zirka 1994 war U2 für mich eine Rockband von vielen und Rock etwas, was mir zu „unsauber“ daherkam. Ich war eingefleischter Fan von Jean-Michel Jarre und teilweise noch skurrilerer Synthie-Musik und bildete mir ein, sie gut zu finden. Jarre ist immerhin noch ein Vertreter der elektronischen Musik, die ich auch heute noch hören kann, den damaligen Mist, den ich so noch hörte, würde ich heute glatt in sehr schrägen Esoterikabteilungen suchen, wenn ich denn Bedarf danach hätte.

    Aber zurück zu U2. U2 zu hassen, war eine sehr einfache Haltung. Etwas zu hassen, was man nicht kennt, ist die einfachste Haltung, die man sich als Mensch geben kann, mit den unterschiedlichsten Hintergedanken. Vielleicht mag man die Musik wirklich nicht, vielleicht stört aber auch einfach, dass die Ex-Freundin U2 besonders mochte oder vielleicht will man einfach nur dagegen sein, um sich keine aktuellen Diskussionen geben zu müssen. Hassen ist immer eine sehr persönliche Geschichte, die viel mit Abwehr zu tun hat. Und zwar vor allem dem Abwehren von anderen Meinungen.

    So auch hier: Mit Jochen, einem meiner engsten Freunde, hatte und habe ich jemanden, der durch und durch U2-Enthusiast ist, seitdem ich ihn kenne. Bestens über U2 informiert und Besitzer einer U2-spezifischen Sammlung, die unglaublich gut sortiert ist. (Jochen ist übrigens nicht der oben erwähnte Mensch, dem dieser Artikel gewidmet ist, auch wenn er es eigentlich auch verdient hätte. :-))

    Jochen hat sich irgendwann 1994 die Mühe gemacht, nicht einfach auf meine Hasstiraden zu U2 zu reagieren, sondern mich reinhören zu lassen in eine Welt, die ihm viel bedeutet. Einige sehr tiefgehende Lieder mit jeweils einer ganzen Geschichte, fein säuberlich in Ton und Text ausgedengelt und aufgenommen und Jochen ließ mich hören, was ihn bei diesen Liedern bewegte. Und es bewegte mich auch. Manchmal, oder so.

    Es entstanden zwei legendäre Cassetten von ihm, mit einer Auswahl von U2-Songs und handgeschriebenen Playlists. Ein Berg voll Arbeit, selbstlos. Noch nicht mal U2 hatte etwas davon und die Cassetten hat Jochen ja auch noch selbst bezahlt. Beide Cassetten liefen bei mir so lange, bis sie nach Jahren kaputtgegangen sind. Ich habe beide Cassetten auch heute noch im Besitz, obwohl sie nicht mehr funktionieren und ich auch gar keinen Cassettenplayer mehr habe. Die dazugehörigen Alben, aus denen die Lieder stammten, die habe ich inzwischen aber alle.

    Worauf ich hinaus will: Hassen und Dinge nicht mögen, das ist alles sehr einfach. Sich als „Hasser“ auf eine andere, konträre Meinung einzulassen, schwierig und wenn man nicht das Glück hat, auf jemanden zu treffen, der selbstlos und ohne Vorurteile gegenüber „Hassern“ einem seine eigene Meinung darlegt, fast unmöglich.

    Wenn man aber über seinen Schatten springt und sich als „Hasser“ auf eine andere Meinung einlässt, dann erschließen sich möglicherweise Welten, die man bis dato gar nicht kannte und die man heute gar nicht mehr missen mag. Oder gar nicht mehr missen kann. Viele Lieder von U2 sind, wie bei vielen Menschen, fest mit Ereignissen meines Lebens verbunden, weil ich sie damals hörte oder ich einzelne Liedtexte mit ihnen verbinden konnte. Und viele Lieder erzeugen mir heute, fast 20 Jahre, nachdem ich sie zum ersten Mal gehört habe, ausnahmslos immer noch jedes Mal eine Gänsehaut. Zum Beispiel „The First Time“, wenn inmitten von Bonos Gesang das Piano einsetzt und den Gegenpol bildet. Unfassbare, musikalische Magie.

    Einschneidende Erlebnisse im Leben leben zum einen von dem, was wir „Schicksal“ nennen (davon haben wir es im diesem Artikel eher nicht). Oder zum anderen davon, sich auf Dinge einzulassen, die einem vielleicht noch kurz davor völlig unmöglich vorkamen. Das selbstgesteuerte Einlassen auf andere Meinungen und damit die Möglichkeit, sich eine andere Meinung bilden zu können, tut vielleicht weh, kostet Mühen und man kann sich dabei bei Leuten, deren Horizont ebenso klein ist, auch lächerlich machen.

    Aber wer sich einlässt auf fremde Meinungen, profitiert allein schon von diesem Umstand selbst. Macht sich offener. Findet heraus, dass das Ziel eines Weges nicht unbedingt am Ende das vielleicht gar nicht erreichbare Wirtshaus oder die Sackgasse ist, sondern das Ziel eines Weges möglicherweise auch der Weg selbst ist. Oder die schöne Bank am Wegesrand mit dem tollen Ausblick. Oder ein Wandersmann, mit dem man ein paar Schritte mitgehen darf und der einem eine andere Sicht – vielleicht auch auf den Weg selbst – geben kann.

    Wir Menschen sind, nach heutigem Wissen, die einzigen Lebewesen weit und breit, die sich eine eigene Meinung auf Basis von rationalen und emotionalen Vorgängen im Kopf bilden können und dazu braucht es die Notwendigkeit, sich auf andere Meinungen einzulassen. Man muss nichts von diesen Meinungen sofort glauben oder sich sofort dazu äußern – man muss sich nur erst einmal darauf einlassen. Das ist der erste, vielleicht anfänglich schmerzhafte, aber dennoch wichtigste Schritt.

    Wer das tut, bringt sich nicht nur selbst Äonen weiter im Leben, sondern macht Wege frei für andere Menschen, um ihnen das auch zu ermöglichen oder findet eine(n) Partner(in), mit dem er/sie glücklich wird. Und unter diesen schon lebenden oder dem vielleicht noch zu gebärenden Menschen wird vielleicht mal einer sein, der eine bis dato unheilbare Krankheit heilt oder den goldenen Weg zur Klimarettung findet, weil er/sie den Kopf für neue Ideen frei hat oder vielleicht auch nur das richtige Lied in der richtigen Situation hört.

    Ist es nicht schön, wie einfach es im Grundsatz funktionieren kann? Man muss sich nur den Ruck geben, sich auf andere Meinungen und Menschen einzulassen. Den Rest mit Wohlbefinden und Sympathie macht dann die ausgezeichnete Biochemie unserer Körper.

    Lieber Mensch, dem ich diesen Artikel widme: An nichts anderes glaube ich und ich habe gelernt, dass diese Lektion damals für mich und meine Mitmenschen nicht falsch war, sondern sehr wichtig. Hätte ich das nicht gelernt und wäre es für mich nicht einer der wichtigsten Regeln und Maßgaben meines Lebens geworden, hättest du es gar nicht geschafft, für mich zu einem sehr wichtigen Menschen zu werden. So long.

  • Zum Zweijährigen des Gerstelblog.

    Lange habe ich nicht mehr über mein erstes Kundenprojekt in Sachen Corporate Blog geschrieben, dem Gerstelblog. Das ist das Weblog des Autohaus Gerstel in Pforzheim und obwohl mein letzter Blog-Artikel an dieser Stelle schon fast zwei Jahre alt ist (so wie das Gerstelblog eben selbst) – es ist viel darin und darum passiert.

    Fangen wir von vorn an: Am 15. Mai wurde das Gerstelblog tatsächlich schon zwei Jahre alt. Bis dahin hatten wir rund 390 Artikel veröffentlicht, was eine durchschnittliche Artikelzahl von etwa 4 pro Woche ergibt. Das ist eine ganze Menge für ein Corporate Blog. Rein zahlentechnisch sind wir aktuell bei folgenden Parametern (die Zahlen stammen aus einer eher konservativen Piwik-Zählung für den April 2012):

    • 1938 Besuche von 1490 eindeutigen Besuchern (Zugriffe von mir und dem Autohaus explizit nicht mitgezählt)
    • 478 Besuche stammen von wiederkehrenden Besuchern
    • 15 % der wiederkehrenden Besuchern tun dies mindestens 10 mal im Monat
    • 3120 Pageviews
    • Durchschnittliche Verweildauer von Besuchern bei 1:16 min, 67 % Absprungrate
    • Besuche-Peaks aktuell zwischen 12 und 13 Uhr und zwischen 18 und 22 Uhr, also klassische Mittagspausen- und Feierabendlektüre)
    • 131 Besuche (47 %) von Facebook aus

    Das mal als reines Zahlenmaterial. Die Analyse mache ich mal punktweise:

    • Die Besuchs-, Besucher- und Seitenabrufzahlen mögen sich relativ mager lesen, übertreffen jedoch die offizielle Website des kleinen Autohauses regelmäßig um den Faktor 10 bis 12, teilweise deutlich über 20. Kleine Autohäuser erreichen demzufolge mit einem Weblog sehr locker und bequem mindestens eine zehnfach höhere Reichweite, als mit einer eher statischen Website.
    • Rund 25 % aller Besuche erfolgen von wiederkehrenden Besuchern, von denen wiederum 15 % dies öfters als zehnmal im Monat tun. Diese Reconnects von Interessenten ist aus der klassischen Sicht des Kundenmanagements heraus traumhaft.
    • Die Verweildauer von 1:16 Minuten und die Absprungrate von 67 % klingen hoch und gefährlich, sind es aber nicht, da es ein Weblog ist. Die meisten Besucher schauen sich 1 bis 2 Seiten an und verlassen die Website danach auch wieder. Da dies aber vor allem wiederkehrende Besucher sind, die vor allem auf der Startseite nach dem Aktuellen schauen und dies voraussichtlich auch demnächst wieder tun, sind Verweildauer und Absprungrate absolut erträglich.
    • Schöne Ausnahmen bestätigen immer die Regel: Beim (anonymen) Tracking von einzelnen Viellesern gibt es immer wieder Menschen, die sich extrem ausführlich das gesamte Weblog antun und mitunter stundenlang von Seite zu Seite springen. Die Aufrufdauer von 1 bis 2 Minuten pro Artikel lassen hier sehr gut den Rückschluss darüber zu, dass es wirklich Menschen gibt, die den Inhalt konsumieren.
    • Die starken Besuchszeiten zeigen in die Richtung, wo ein Corporate Weblog hingehen muss: Hauptsächliches Lesen in der Mittagspause und nach Feierabend und damit ein starker Besucherfokus von der Geschäftswelt.
    • Die starken Zugriffe von Facebook kommen hauptsächlich von der Facebook-Seite des Autohaus Gerstel und zeigen den Trend: Von damals etwa 100 Facebook-Fans waren 131 Besuche (und damit Absprünge von Facebook zugunsten des Weblogs) enorm. Die Facebook-Seite führt damit kein verwaistes Leben, wie so häufig bei vielen Unternehmen, sondern ist direkt und vor allem bidirektional ins Weblog eingebunden. (Die Facebook-Tendenzen werde ich in der nächsten Zeit nochmal näher analysieren, da durch bezahlte Facebook-Werbung die Fanzahlen und -interaktionen inzwischen fast verdoppelt wurden.)

    Kommunikativ gelten für das Weblog des Autohauses nach wie vor die Erfahrungen, die ich schon nach den ersten Wochen zusammengefasst hatte. Ergänzen kann man das mit vor allem subjektiven Eindrücken:

    • Die Authentizität geht von Anfang an und überspringt jegliche Hürden. Das erkläre ich mal näher: Einer Werbeanzeige wird in der Regel zwar eine gewisse Authentizität zugestanden, allerdings nur bis zu einem gewissen Maße. Authentischer ist da schon Werbung, die persönlich adressiert ist, beispielsweise in einem Kundenmailing. Im Weblog, in dem erkennbar ist, wer dort schreibt – namentlich erwähnter Mitarbeiter oder einer der Chefs – trägt die dort veröffentlichte Meinung eine ganz andere Tonalität.
    • Das Weblog ist für viele Kunden ein fester Anlaufpunkt und wird auch im Autohaus angesprochen.  Das merken wir immer dann, wenn die Artikel-Schlagzahl mal nicht ganz so hoch ist und sofort Nachfragen kommen, ob etwas passiert sei.
    • Der Leser nimmt einem selten etwas übel, selbst wenn Informationen definitiv fehlerhaft sind und nachbearbeitet werden müssen. Es gilt immer noch die Erfahrung, dass wo authentische Informationen landen, auch das Feedback weitgehend sachlich und konstruktiv bleibt. Das Problem also, dass man Kundenkommentare nicht steuern könnte, ist eine Sorge, die im Zweifelsfall eine Unternehmenskommunikation eher bremst, als fördert.
    • Themen sucht man nur am Anfang und findet nach der Anfangsphase genügend. Dafür sorgen allein schon Mitarbeiter, die ein erstaunlich gutes Gespür dafür entwickeln, über was man vielleicht bloggen kann. Eine griffbereite Digitalkamera, schnell gemachte Notizen und schon ist ein Thema gesammelt, über das sich später bloggen lässt. Das gesamte Autohaus übernimmt also fast schon Recherche- bzw. Redaktionsarbeit.
  • Patienteninformationen zu der ICD-Thematik.

    In den letzten Tagen habe ich einige E-Mails von Menschen bekommen, die ebenfalls ICD-Träger sind oder sich für die Thematik weiterführend interessieren. Tatsächlich leiden ICD bzw. Defibrillatoren darunter, dass ihre Arbeitsweise sehr häufig nicht verstanden wird. Ein Hinweis meiner behandelten Ärzte hat sich dabei bewahrheitet: Viele Menschen, die Defibrillatoren kennen, kennen nicht unbedingt die Arbeitsweise von ICDs und viele Menschen, die möglicherweise ICDs kennen, wissen nicht, wie sie eigentlich arbeiten. Denn zum einen verwenden die implantierbaren ICDs deutlich geringere Energieleistungen (sie sind ja schon „drin“ im Körper) und zum anderen stehen die Schocks der höheren Energieleistungsklassen in der Regel erst am Ende von vorhergehenden Therapieversuchen.

    Das, was die meisten Menschen unter Defibrillator verstehen, kennen sie meist nur aus dem Fernsehen, wenn Patienten lustig im Bett herumhüpfen und wenn sie aus dramaturgischen Gründen schon beim ersten Schock 300 Joule verpasst bekommen. Macht man beides nicht. Einer der Ärzte, der sehr schnell merkte, dass ich einen guten Sarkasmus habe, meinte, er habe schon einiges probiert, damit seine Patienten auch mal so im Bett hüpfen, wenn er defibrilliert, aber es hat bisher nie geklappt.

    Wer sich für die Thematik der Herzrhythmusstörungen, des Defibrillierens und der ICDs interessiert, dem sei die ICD-Patientenbroschüre der Berliner Firma Biotronik (von der mein ICD stammt) empfohlen, die einige Vorurteile und Ängste sehr behutsam und anschaulich angeht.

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