• Obama 2012 – Der Wandel von der App zur Web-App.

    Eigentlich sollte dieser Artikel eine Fragestellung erörtern. Nämlich die, ob es in einem Wahlkampf sinnvoll ist, eine eigene Smartphone-App zu haben oder ob man lieber auf eine Web-App setzt, also eine Website, die funktional und optisch auf Smartphones so aussieht, als ob sie eine App wäre. Die Wahlkampf-Website so eine Web-App-fähige Website, die in einem responsive Webdesign erstellt ist und deren Ansicht sich der Bildschirmgröße des anzeigenden Gerätes anpasst.

    Begonnen wurde die Obama-2012-Kampagne 2011 auch mit einer eigenen App für Smartphones, genauer gesagt für das iOS-Betriebssystem von iPhone und iPad. Als ich nun darüber bloggen wollte, stellte sich heraus, dass diese App schon seit längerer Zeit nicht mehr zur Verfügung steht. Und der Grund dazu ist herzlich einfach: Es gibt keine Notwendigkeit dafür.

    Historische Ansichten in die Obama-2012-App.

    Die Obama-2012-App als besonderes Highlight zu bezeichnen, wäre vermessen. Vom Prinzip her ist das Konzept das eines betriebseigenen Kiosks und keine der Inhalte, die in dieser App abgerufen werden können, sind wirklich exklusiv, da sie auch auf der Wahlkampf-Website zu finden sind. Die Startseite der App verweist schon auf alle Bereiche in der App:

    „Latest News“ führt auf einen Nachrichtenbereich, der exakt dieselben Nachrichten enthält, wie auf dem offiziellen Wahlkampf-Weblog. Mit einem Tippser auf eine Nachricht lässt sich diese dann lesen:

    Die Rubrik „Photos & Videos“ stellt auf einem Bildschirm eine Übersicht über Bilder und Videos im Wahlkampf zusammen:

    Während die Videos recht anschaubar sind, sind die Fotos reine Makulator und eigentlich unansehnlich, weil völlig pixelig. Zudem fehlt jegliche Sortierung, so dass diese Bilderwand nicht viel mehr als Show ist:

    Interessanter, aber auch nicht wirklich weltbewegend neu ist die Rubrik „Events“, die, wenn man der App in den Einstellungen den aktuellen Standort in Form des US-ZIP-Codes spendiert hat, passend zum aktuellen Ort die nächsten Events anzeigt. In meinem Beispiel wohnte ich z.B. im beschaulichen Honolulu auf Hawaii. Mit einem Tippser auf die Stecknadel lassen sich nähere Informationen zum jeweiligen Event anzeigen:

    Dinge, die gegen und für eine App sprechen.

    Tatsächlich war es eine gute Entscheidung, diese App nicht wirklich in den Wahlkampf mitzunehmen und schon nach wenigen Monaten einzustampfen, bevor wirklich Befürworter und Wähler mit dieser App enttäuscht werden könnten. Denn der Mehrwert gegenüber einer mobil gut erreichbaren Seite ist nahe Null. Mit einer Ausnahme, weshalb diese App vermutlich einst auch entwickelt wurde: Der Push-Service von iOS, der für die Verteilung der Nachrichten eingesetzt wurde. Mit dem Push-Service wurde wohl die Idee verfolgt, bei Neuigkeiten direkt über den Push-Service den Besitzer des iOS-Gerätes zu informieren.

    Rein faktisch gesehen ist das aber nicht notwendig, weil neue Nachrichten im Wahlkampf-Weblog auch über die Twitter-Kanäle von Barack Obama angekündigt werden und hier mit vielen Twitter-Clients und dem Konfigurieren von bestimmten Regeln ein Push-Service einsetzen lässt. Oder auch über Facebook oder über gutes, altes Syndizieren via RSS-Feed.

    Dass bei Barack Obama dennoch nicht auf ein Home-Symbol verzichtet werden muss, lässt sich anschaulich beobachten, wenn die Wahlkampf-Website mit Safari unter iOS (iPad und iPhone) aufgerufen wird. Tippt man dort (iOS 6) auf das Weiterleiten-Symbol, erscheint folgendes Menü und da ist der mittlere Button genau die gewünschte Ansage:

    Bei solchen Apps darf man einen Punkt nicht verheimlichen: Wo App draufsteht, ist meist nicht viel mehr drin, als ein Webbrowser. Das gilt auch für die einstige Obama-2012-App und für viele andere Apps für SmartPhones, die lediglich aus Prestigegründen in Form einer App daherkommen, hinter den Kulissen aber die meisten Inhalte online aus dem Web beziehen.

    Eine Web-App bzw. ein Widget ist die einzig konsequente Antwort für solche Informationsdienste, da so mit gängigen Technologien wie HTML 5, JavaScript und dem Document Object Model (DOM) ein wirklich plattformübergreifendes Angebot geschaffen werden kann, das auf allen gängigen Smartphone-Umgebungen von Hause aus läuft.

    Mitt Romney geht App.

    Das Team um Mitt Romney fährt nach wie vor eine App-Strategie und ist sogar mit zwei eigenen Apps im iOS-AppStore vertreten:

    Die App „Romney-Ryan“.

    Diese App ist die offizielle App und stellt sich wohl als Antwort auf die einstige „Obama-2012-App“ dar. Und leidet genau unter den Krankheiten, die funktionsarme Apps von Hause aus haben – außer Prestige liefert die Apps nur Inhalte, die auf der Wahlkampf-Website von Mitt Romney sowieso zu finden sind:

    Die Frage, warum das Team Romney auf Apps setzt, hat wohl mehrere Gründe und zeigt sehr schön, dass auch beim Verständnis in Sachen Mobile Computing das Team Romney nicht ansatzweise die gängigen Möglichkeiten ausschöpft:

    • Eine App gilt als schick und modern, während eine Website als „zu normal“ gilt – zumindest bei Menschen, die Smartphones und Mobile Computing vornehmlich als Statussymbol ansehen und weniger für echte Kommunikation. Das Herunterladen einer App aus dem AppStore und das Erscheinen eines eigenen App-Symbols auf dem iPhone-Home-Bildschirm ist nun einmal auch eine Art von Marketing.
    • Zur Informationsvermittlung sind zwar Web-Apps gegenüber echten Apps weitgehend ebenbürtig, allerdings nur bei kommunikativen Anwendungen. Spiele und Anwendungen, die auf besondere Hardware eines Smartphones setzen wie z.B. die Kamera sind (derzeit zumindest) nur als App realisierbar. So hat ausgerechnet die ansonsten sinnfreie „With Mitt“-App durchaus ihre Berechtigung, weil die Kamera- und Bildbearbeitungsfunktion derzeit nur in einer App zu realisieren ist.

    Die Nachteile der App-Strategie finden sich im Team Romney auch gleich und zwar alle zusammen:

    • Die Wahlkampf-Website ist nicht mit einem responsive Webdesign erstellt und kennt nur eine Bildschirmgröße. Für mobile Webbrowser ist daher eine Weiche im HTML-Code eingebaut, die diese dann auf einen Server namens m.mittromney.com“ schickt, auf der explizit eine mobile Website gehostet wird, die allerdings reichlich umständlich zu bedienen ist.
    • Eine App funktioniert natürlich nur auf der Plattform, für die sie entwickelt wurde. Im Falle der Romney-Apps gibt es nur Versionen für iOS-Betriebssysteme und z.B. nicht für Android. Zwar können andere Betriebssysteme über dort installierte Webbrowser dennoch auf die mobilen Websites zugreifen, allerdings ist eine App-Strategie, die nur auf einzelne Plattformen zielt, eben nur eine unvollständige App-Strategie.

    Die App „With Romney“.

    Diese App ist nicht sonderlich ernstgemeint (hoffentlich zumindest!) und dient zur Erzeugung von „Unterstützerplakaten“ aus eigenen Fotos. So kann der iPhone-Besitzer oder auch das zum Besitzer korrespondierende Haustier seine innige Zuneigung zu Mitt Romney mitteilen:

    Ob so eine Nonsens-App, die sehr an die Idee mit dem „Hope“-Plakaten im Wahlkampf von Barack Obama im Jahr 2008 erinnert, tatsächlich neue Wählerschichten erschließt, darf bezweifelt werden. Eine eh schon schlechte Smartphone-Strategie wird dadurch jedenfalls nicht automatisch besser.


    Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort „Obama 2012“.

  • Obama 2012 – Eine echte Twitter-Erfolgsstory.

    Auch wenn die Obama-2012-Kampagne auf vielen Social-Media-Kanälen geführt wird – die Hauptkanäle sind seit Anfang an der Obama-Kampagnen 2008 und 2012 das Wahlkampfblog und die regelrechte Armee von Twitter-Kanälen. Fangen wir zuerst einmal an mit den nackten Zahlen der wichtigsten Twitter-Kanäle von Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney (Zahlen vom 21. Oktober 2012, 22 Uhr):

    Twitter-Accounts um Barack Obama:

    • Barack Obama (@BarackObama): 21.166.565 Follower, 671.476 Gefolgte, 7.113 Tweets
    • Michelle Obama (@MichelleObama): 1.914.954 Follower, 8 Gefolgte, 652 Tweets
    • Joe Biden (@JoeBiden): 273.397 Follower, 15 Gefolgte, 831 Tweets

    Twitter-Accounts um das Team Obama mit einigen ausgewählten Bundesstaaten-Wahlkampfteams:

    • Team Obama 2012 (@Obama2012): 212.005 Follower, 60 Gefolgte, 3.991 Tweets
    • Truth Team (@TruthTeam2012): 90.412 Follower, 69 Gefolgte, 2.578 Tweets
    • Latinos for Obama (@LatinosforObama): 23.988 Follower, 154 Gefolgte, 1.030 Tweets
    • Students for Obama (@Students4Obama): 19.639 Follower, 94 Gefolgte, 433 Tweets
    • Obama for America Florida (@OFA_FL): 32.663 Follower, 31.572 Gefolgte, 9.152 Tweets
    • Obama for America New York (@OFA_NY): 22.029 Follower, 24.180 Gefolgte, 4.225 Tweets
    • Obama for America California (@OFA_CA): 16.261 Follower, 15.649 Gefolgte, 7.808 Tweets
    • Obama for America Illinois (@OFA_Illinois): 11.002 Follower, 8.708 Gefolgte, 5.400 Tweets
    • Obama for America Texas (@OFA_TX): 10.208 Follower, 1.850 Gefolgte, 2.933 Tweets
    • Obama for America Alaska (@OFA_AK): 5.637 Follower, 2.008 Gefolgte, 2.877 Tweets

    Twitter-Accounts um Mitt Romney:

    • Mitt Romney (@MittRomney): 1.503.491 Follower, 274 Gefolgte, 1.276 Tweets
    • Ann Romney (@AnnDRomney): 143.406 Follower, 411 Gefolgte, 61 Tweets
    • Paul Ryan (@PaulRyanVP): 465.392 Follower, 208 Gefolgte, 185 Tweets
    • Team Romney (@TeamRomney): 83.941 Follower, 1.042 Gefolgte, 2.047 Tweets

    Zahlentechnisch kann man da schon mal einige interessante Vergleiche ableiten, die die gewaltigen Dimensionen allein der Twitter-Kanäle unterstreichen:

    • Die Kampagne von Barack Obama verteilt sich auf insgesamt 58 Twitter-Accounts (7 zentrale Accounts und 51 Accounts der bundesstaatlichen Kampagnenableger), die von Mitt Romney auf genau 4 Accounts.
    • Barack Obama hat auf Twitter schlappe 14 mal mehr Follower, als sein Herausforderer Mitt Romney.
    • Michelle Obama, die Präsidentengattin, hat praktisch so viele Follower, wie Mitt Romney und sein Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan zusammen.
    • Detail am Rande: Der Twitter-Account von Paul Ryan sticht im Verhältnis zu allen anderen Twitter-Accounts deutlich heraus. Mit gerade einmal 185 Tweets hat er, der bis vor einigen Monaten noch weitgehend unbekannt in der Öffentlichkeit war, über 465.000 Follower, während der amtierende Vizepräsident Joe Biden auf rund 270.000 Follower kommt.
    • Die (meisten) Twitter-Accounts aus dem Umfeld von Barack Obama verfolgen die Strategie, Followern auch weitgehend selbst zu folgen, um auf diese Weise eine Wählerbindung zu erreichen.

    In Sachen Quantität habe ich ebenfalls ein paar Zahlen zusammengetragen, die einen interessanten Blick auf die Twitter-Intensität im jetzigen heißen Stadium des Wahlkampfes geben. Die Basiszahlen für die folgenden Zahlenänderungen stammen von Donnerstagabend, ebenfalls 22 Uhr. Es liegen also rund 72 Stunden dazwischen (Vollständige Tabelle bei Google Docs.)

    • Der Twitter-Account von Barack Obama hat im Gegensatz zu dem von Mitt Romney vier mal mehr Follower gewonnen.
    • Im Twitter-Kanal von Barack Obama werden pro Tag durchschnittlich 33 Tweets veröffentlicht, im Kanal von Mitt Romney etwa 5.
    • Das Team um Barack Obama verwendet als hauptsächlichen Twitter-Kanal den direkten Kanal von Barack Obama, während das Team um Mitt Romney den Team-Kanal, erreicht aber auch bei diesem Team-Kanal mit durchschnittlich 11 Tweets pro Tag nicht ansatzweise die Tweet-Anzahl von Barack Obama.
    • Die bundesstaatlichen Unterorganisationen von Obama 2012 haben eine unerwartet hohe Tweet-Schlagzahl und selbst das Tweet-Aufkommen von kleinen Organisationseinheiten wie OFA Alaska („Obama for America Alaska“) senden pro Tag im Durchschnitt 16 Tweets.

    Twitter als schneller Informationskanal.

    Mit einer Follower-Zahl von über 21 Millionen Follower ist Barack Obama zwar nicht Rekordhalter – das schafft die Musikerin Lady Gaga mit etwas über 30 Millionen Follower – aber immerhin ist er der Rekordhalter als Politiker und hat 2008 bei seinem ersten Wahlkampf zur US-Präsidentschaftskandidatur einen großen Beitrag dazu beigetragen, Twitter zu dem zu machen, was es heute ist. Twitter und die US-Präsidentschaft von Barack Obama haben, das kann man so sagen, ein gemeinsames Kapitel.

    Und tatsächlich hat Twitter sehr viel von dem, worauf es in der Kommunikation im Rahmen eines Wahlkampfes ankommt. Authentische Meinungen müssen schnell verbreitet werden, ein Rückkanal muss vorhanden sein (wenn auch nicht zwangsläufig bequem), Links und multimediale Inhalte sollten verteilt werden können und all das muss mit gebotener Kürze funktionieren. All das kann Twitter – ist Twitter. Das zentrale Motto von Twitter ist Programm: Was machst du gerade?

    In einem Wahlkampf wird dieses Motto selbstverständlich argumentativ weiter aufgebohrt, um auf diese Weise Meinungen zu verteilen, aber auch Links auf Themen zu verbreiten, gegnerische Positionen zu kontern, Wahlkampfveranstaltungen live zu begleiten und in Twitter in Echtzeit zu „übertragen“. Dabei ist es in den meisten Fällen tatsächlich unerheblich, ob Barack Obama tatsächlich selbst twittert oder nicht. Dieses Dilemma, das beim letzten Wahlkampf tatsächlich immer wieder ein Diskussionsthema war und später von Obama aufgelöst wurde (er twitterte nach eigenen Aussagen bis dato nicht), wird heutzutage elegant dadurch gelöst, in dem im Begrüßungstext seines Twitter-Accounts darauf verwiesen wird, dass hier weitgehend sein Team twittert und Obamas tatsächlich eigene Tweets am Textende mit „-bo“ gekennzeichnet sind. Freilich sind das in der heißen Wahlkampfzeit nur die allerwenigsten Tweets, die dann auch auf nur sehr wenige Themen wie z.B. Kondolenzen beschränkt sind.

    Zentralisiertes Posten versus Distributiertes Posten.

    Die Twitter-Strategien der beiden Wahlkampfteams können kaum unterschiedlicher sein und zeigen sehr deutlich, wo die Teams den Stellenwert des Online-Campaigning sehen.

    Das Team um Mitt Romney fährt eine absolute Minimalstrategie in Sachen Twitter und unterhält tatsächlich nur vier eigene Twitter-Accounts. Das mag auf den ersten Blick sehr übersichtlich wirken, ist jedoch am Ende einfallslos und vor allem realitätsfremd. Für die meisten US-Amerikaner ist die Wahlkampfzentrale weit entfernt und auch wenn Entfernungen von vielen Tausend Kilometern im Internet nichts zählen, ist eine zentralisierte Kommunikationsstrategie etwas, was Distanzen erzeugt.

    Das Team um Barack Obama hat dies schon 2008 erkannt, was vor allem damit zusammenhing, dass die Demokratische Partei, der Barack Obama angehört, im Laufe der Jahre landläufig ihre Parteistrukturen aufgegeben hat bzw. aus Kostengründen aufgeben musste. Dieses Problem hat zwar auch die Republikanische Partei, allerdings hat es damals Barack Obama bzw. haben die Verantwortlichen der Demokratischen Partei zuerst erkannt, dass eine vernünftige Kommunikationsstrategie im Internet, die die bundesstaatlichen Wahlkampf-Unterorganisationen aktiv in die Kommunikation einbindet bzw. ihnen eigene Kommunikationskanäle zur Verfügung stellt, einiges von diesem Verlust wettmachen kann.

    Und das gelingt gleich auf mehrfacher Weise: Jede bundesstaatliche Unterorganisation hat tatsächlich eigene Inhalte auf Twitter und veröffentlicht neben einigen wenigen zentral verteilten Inhalten vor allem regional relevante Nachrichten wie z.B. Veranstaltungseinladungen im Bundesstaat und regional stark relevante Themen. Die Unterorganisationen übernehmen in ihren Twitter-Kanälen vor allem auch den Dialog zu Wählern und Interessierten und machen damit letztendlich nichts anderes, wie auch im realen Wahlkampf. Dort hat es der Wähler selten mit der obersten Wahlkampfführung zu tun, sondern mit Teams vor Ort im „Nahkampf“.

    Und das macht selbst die kleinen bundesstaatlichen Organisationseinheiten der Obama-Kampagne höchst wirkungsvoll. Zum einen wird hier die „patriotische Ader“ der Wähler versorgt und zum anderen wird hier die „Sprache des Bundesstaates“ gesprochen. Und das führt dann dazu, dass selbst so kleine Obama-Unterorganisationen wie die für den Bundesstaat Alaska, die auf Twitter gerade einmal etwas über 5.600 Follower hat, mehr als doppelt so viele Tweets veröffentlicht, wie die offiziellen Twitter-Accounts von Mitt Romney und Paul Ryan zusammen. Und wenn der obersten Wahlkampfleitung Tweets von den Unterorganisationen gefällt oder sie einzelne Tweets für wichtig halten, werden diese einfach über den zentralen Twitter-Account von Barack Obama retweetet. Ein Knopfdruck genügt, um so vielleicht eine kleine Nachricht von einem Wahlkampfteam auf kleinen Siedlung einer Aleuten-Insel in Alaska auf einen Schlag an 21 Millionen Twitter-Follower im gesamten Land und rund um den Globus zu senden. Innerhalb von Sekunden.

    Im Gegensatz zur Romney Online-Kampagnenstrategie versucht das Team Obama erst gar nicht, dem Wähler vorzugaukeln, dass auf einigen wenigen Twitter-Kanälen die Protagonisten sprechen (bzw. möglicherweise vorgegaukelt wird, dass diese dort sprechen), sondern verteilt die Kampagne auch im Internet und über Twitter sehr breit und mit viel eingeräumten Freiheiten auf die bestehenden Unterorganisationen und sorgt neben dem Teamgefühl auch für eine sehr gute und authentische „Greifbarkeit“ der Obama-Kampagne im Internet.


    Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort „Obama 2012“.

  • Rückblick auf das CarCamp Mannheim.

    Am Freitag, 12. Oktober 2012 fand in Mannheim das erste CarCamp statt, ein Barcamp für die Automobilwirtschaft, organisiert vom Deutschen Kraftfahrzeuggewerbe und hauptgesponsert von einem Unternehmen namens Fuchs Schmierstoffe, dessen Hauptsitz in Mannheim ist. Da ich kundenbedingt mit der Automobilwirtschaft zu tun habe und zwar direkt an der Basis mit einem Autohaus und dessen Blog, war es nur eine kurze Überlegung, ob ich daran teilnehme oder nicht. Muss.

    Und auch wenn ich in Sachen Barcamps sicher nicht unzufrieden bin, wenn es die x-te Auflage ist und eine gewisse Routine daherkommt – das CarCamp war es wert und hat einen spüren lassen, wie es in der Anfangszeit der BarCamp-Szene gewesen sein muss. Professionelle Organisation durch Claudia Weiler vom Kraftfahrzeuggewerbe, ein engagierter Hauptsponsor, der sehr schöne Konferenzräume zur Verfügung stellte, ein Ansprechpartner des Sponsors, der freimütig zugab, dass er eigentlich gar nicht so richtig weiß, was ein Barcamp ist, aber sehr gespannt darauf ist und etwas über 40 Teilnehmer, die zu einem großen Teil „barcamp-unverdächtig“ sind und durchweg nur sehr wenig Zeit dazu hatten, sich über eine „Unkonferenz“ zu wundern. Demzufolge war auch das Sessionpanel am Ende zu 80 % gefüllt, was für ein erstmalig organisiertes Themen-Barcamp gar nicht so schlecht ist.

    „Facebook – Freunde werden, Freunde bleiben“ von Thorsten Bastian

    Dieses Panel von Thorsten Bastian beschäftigte sich vor allem damit, wie man die Fans einer Facebook-Seite am Ball hält und dafür sorgt, dass mit regelmäßigen Nachrichten und Inhalten der gewünschte Dialog zwischen Unternehmen und Fan entsteht. Das meiste im Vortrag war jetzt zwar nicht völlig neu für mich, allerdings schätze ich bei diesem Thema sehr den Erfahrungsaustausch und die Sicht Anderer. Da Thorstens Agentur Basta Media auch sehr große Facebook-Seiten anderer Unternehmen betreut, ist seine Sicht sicherlich nicht die falscheste.

    „Online Marketing“ von Marcus Kaluschke

    Marcus‘ Session war echte Standup-Comedy und das sind die Sessions, die ich auf Barcamps so sehr mag. Es wird zu Beginn am Pinboard zu Sessions aufgerufen und es melden sich dann Teilnehmer, die womöglich gar nicht vorhatten, eine Session abzuhalten, starten ihre Session dann einfach mal und so entstehen Sessions, die unglaublich hochkonzentriert sind, weil man von Anfang an den Kopf anstrengen und sich nicht an eine Powerpoint-Foliensammlung festhalten kann.

    So eben auch oder gerade hier: Marcus hat als Head des Online-Marketings der webauto.de GmbH einen flotten, gewaltigen und kompetenten Überflug über das Thema SEO und SEM auf’s Panel gelegt, von dem man sich dann die Informationen herauspicken konnte, die man eben hat. Für Anfänger sind solche Veranstaltungen nicht ganz einfach (ich spreche aus Erfahrung), aber es gibt nun mal auf Barcamps verschiedene Ansprüche an entsprechendem Vorwissen. Kann man nicht ändern. Will man allerdings auch nicht wirklich, sonst ist es keine Unkonferenz mehr.

    Mittagessen

    Auch hier ein Volltreffer, nämlich Fingerfood, powered by Fuchs Schmierstoffe (und nicht schmierig!). 😉

    „Location Based Services“ von mir

    Auch diese Session von mir war als Standup-Comedy gedacht und ich habe mir dazu sogar noch schön artig einige Notizen in der letzten Session und in der Mittagspause gemacht. Diesen Flugplan für den gar nicht so unschönen Überflug über die Welt der Location Based Services hätte ich mir allerdings auch sparen können, weil wir diese Session genau zu zweit abgehalten haben. Dafür war aber auch diese Session wieder so eine Session, wie ich sie liebe, denn mit Thorsten Podlech entwickelte sich diese Session zu einer ziemlich interessanten „Frage-und-Antwort-Stunde“ zu vielen Social-Media-Themen und besonders spannend fand ich dabei, wie Thorsten als Geschäftsführer eines Autohauses seine Mitarbeiter dazu bewegen will, am gemeinsamen Facebook-Auftritt des Unternehmens mitzuarbeiten und diese Ideen führten Thorsten dazu, einfach auch eine Session abzuhalten …

    „Einladung der Mitarbeiter in die Social-Media-Aktivitäten des Unternehmens“ von Thorsten Podlech

    Diese Session wurde dann explorativ – eine echte Forschungs-Session. Die Einführung zur Thematik war schon sehr spannend, denn Thorsten macht in seinem Unternehmen das, wovon viele Berater mit Tränen in den Augen nur träumen können – das Unternehmen fit machen für Social Media und letztendlich für echte Online-Kommunikation. Er motiviert seine Mitarbeiter aktiv, über das Unternehmen in Facebook zu schreiben und stellte die Frage in den Raum, wie man diese Motivation weiter steigern könne.

    Das führte dann zum erarbeiteten Ergebnis, dass dies am ehesten und nachhaltigsten gelingen könnte, wenn die Wertschätzung des Unternehmens direkt und sofort erfolgt, also z.B. durch das Teilen einer unternehmensspezifischen Nachricht eines Mitarbeiters direkt auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Oder durch die Ausgabe von Smartphones zur dienstlichen Facebook-Nutzung. Oder einfach auch die direkte Mitarbeit an der Facebook-Seite und entsprechend zeitlichem Freiraum vom normalen Tagesgeschäft.

    „Königsklasse Bloggen“ von mir

    Das war eigentlich meine vorbereitete Session, zu der die darunterliegende Powerpoint-Präsentation in dem Kundenblog zu finden ist, das auch Hauptdarsteller der Präsentation war. Zum Thema Corporate Blogging muss ich nicht viel sagen, dazu gibt es in diesem Blog genügend Argumentationshilfen. Die von mir dargestellten Hauptargumente sind die, dass ein Corporate Blog auch einem kleinen Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Web geben kann und es im Spannungsfeld zwischen großen Herstellern und Vertretern einen Raum gibt. Autohäuser stecken in diesem Dilemma am stärksten und noch viel zu stark ist das Autohausmarketing zu sehr auf Print- und Lokalmedien fixiert. Eine Online-Strategie lässt sich daher vortrefflich und vor allem kostengünstig mit einem Corporate Blog starten.

    Interessant fand ich, dass ich in meiner Session quasi nahtlos in die obigen Sessions von Marcus und Thorsten verweisen konnte. Das ist dann echtes Barcamping, wenn sich Meinungen und Inhalte irgendwo kreuzen und noch greifbarer werden.

    Fazit: Phantastisch!

    Auf die abschließende Frage von Claudia Weiler, ob das CarCamp gelungen war, gab es durchweg nur eine Antwort: Ja. Die Mischung hat es in allen Bereichen ausgemacht: Traditionelle Sponsoren und Organisatoren probieren sich erfolgreich mit einer Unkonferenz, viele Teilnehmer hatten noch nie ein Barcamp besucht und landeten (meiner Meinung nach) weich in der Materie, von der man nur profitieren kann und der Inhalt dieses sehr speziell im Autohausmarketing positionierten Barcamps war hochkarätig und vor allem wie von magischer Hand gesteuert session-übergreifend stimmig. So muss es laufen.

    Leider hatte ich keine Zeit, an eine der zwei Unternehmensführungen durch die Fuchs Schmierstoffe GmbH teilzunehmen. Aber auch das fand ich sehr wegweisend: Der Hauptsponsor legt nicht einfach nur die üblichen Prospekte aus, sondern zeigt sein Unternehmen einfach mal und zwar sehr direkt und sehr authentisch.

  • Obama 2012 – Wohlfühlen auf Pinterest und Tumblr.

    Neben den hauptsächlichen Online-Schlachtfeldern Blog, Twitter und Facebook und den „Inhalts-Stützpunkten“ YouTube und flickr geht es bei anderen Web-2.0-Diensten eher um den Wohlfühlfaktor, also mehr oder weniger um Unterhaltung. Zu diesen Unterhaltungszonen gehört Instagram, hier hatte ich es zu Obamas Instagram-Kanal schon vor einigen Wochen. Es gibt aber noch zwei weitere, die gar nicht so schlecht eingesetzt werden und die Möglichkeiten der jeweiligen Dienste sehr anschaulich ausschöpfen.

    Obama 2012 auf Pinterest – Schauen und staunen.

    Pinterest ist, vom Prinzip her, eine Art Online-Pinnwandverwaltung für Bilder, ähnlich wie Bookmark-Verwaltungen für eben Bookmarks. Während es aber bei Bookmark-Verwaltungen immerhin um die Organisation von Bookmarks geht und die Veröffentlichung der eigenen Sammlung auch zu einem Wissenstransfer beiträgt, ist es bei Pinterest nicht ganz so logisch.

    Tatsächlich ist Pinterest extrem einfach gestrickt. Ein Benutzer verwaltet selbst definierbare Pinnwände und fügt diesen dann Bilder hinzu, auf die er im Web stößt. Diese erscheinen dann auf der Pinnwand, wenn andere Benutzer diese Pinnwand besuchen. Auf die rechtliche Thematik will ich hier gar nicht verweisen, auf den Ansatz der Wissensvermittlung auch nicht. Pinterest ist Unterhaltung auf recht einfach gestricktem Niveau, erlebt zur Zeit einen recht starken Hype und taugt eigentlich zu nichts anderem.

    In der Obama-Kampagne wird der Pinterest-Hype voll ausgespielt:

    Grob einteilen lässt sich die Bilderschar auf den Obamaschen Pinterest-Pinnwänden in vier Kategorien:

    1. Eigene Kampagnenbilder aus dem Wahlkampf
    2. Fotos aus den einzelnen Teams im Land
    3. Sammlungen von Infografiken
    4. Sammlungen von „Fanfotos“ und „Fanbildern“

    Prinzipiell ließen sich alle diese Inhalte auch auf dem Wahlkampfblog pinnen, Pinterest ist da jedoch eben die „hippere“ Plattform. Und ein großes Plus ist auch hier die direkte Kommentierbarkeit von Pins.

    Obama 2012 auf Tumblr – Come fly with me.

    Der Titel eines Klassikers von Frank Sinatra ist für die Präsenz von Barack Obama auf Tumblr (und für Tumblr generell) eine feste Ansage. Denn hier geht es nicht um Vermittlung von knallharter Information, sondern auch um den Wohlfühlfaktor, ähnlich wie bei Obamas Instagr.am-Feed. Nur noch eine Stufe mehr.

    Tumblr gehört, so wie ehemals auch Posterous, zu den Web-2.0-Diensten, die eine Grätsche zwischen Microblogging-Plattformen wie Twitter und echtem Bloggen machen. Eigentlich wird auch Tumblr zu Microblogging-Plattformen gezählt, ich präferiere aber da eher „Miniblogging“. Ich nenne es ketzerisch gern auch „Bloggen für Faule“, auch wenn das natürlich etwas zu grobgeschnitten ist.

    Dennoch ist die Medienform des Minibloggens eine durchaus eigene Disziplin. Während Microblogging wie Twitter sehr enge Regeln hat – nämlich 140 Zeichen und kein einziges mehr – ist Miniblogging in der Zeichenzahl technisch unbegrenzt; der Schreiber entscheidet, wie viel oder wenig er veröffentlicht. Zudem leben Miniblogging-Plattformen auch davon, dass das Veröffentlichen von Text und medialen Inhalten extrem einfach ist und so gar nichts mit der mitunter komplexen Verwaltung von großen Medienbibliotheken in „großen“ Blog-Systemen zu tun hat.

    Tumblr und Minibloggen allgemein läuft subtiler ab und kann, wenn es wirklich sehr „wortlos“ gemacht wird, ein „großes“ Wahlkampfblog ergänzen und eine Art „Spaßbereich“ bilden. Und exakt nicht mehr. Jeder Versuch, hier argumentative Inhalte zu präsentieren, werden verpuffen und den Charme der Tumblr-Site zerstören.

    Interessant auf der Tumblr-Site ist, dass das Obama-Team hier explizit aufruft, eigene Inhalte und Bilder zu übersenden, damit sie hier veröffentlicht werden können. Das führt zu zu einem bunten Sammelsurium aus Fotos, Zeichnungen, Animationen mit Fotoabfolgen im Comic-Stil, nicht ganz ernstgemeinten Infografiken und so weiter. Ziemlich gut gemachte und flott wirkende Kommunikation, die so wirkt, als ob sie wirklich hinter den Kulissen entsteht. Eine Tumblr-Site in so einem Stil kann ich mir durchaus für alle Arten von Wahlkämpfen vorstellen, denn an Geschichten hinter den Kulissen fehlt es dort nie.


    Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort „Obama 2012“.

  • Immaterialitäten.

    Die Leute, die mich gut kennen, wissen, dass ich kein sonderlich materieller Mensch bin. Ich muss keine echten Luxusgüter besitzen, um zufrieden zu sein und mache mir aus vielen Dingen nichts, die anderen viel bedeutet. Kleidung, Parfum, Auto, Haus, Reichtum – das reizt mich unglaublich wenig. Reizen ist dabei das falsche Wort: Es langweilt mich. Materielle Güter kann man besitzen, sie gehören aber einem nicht und der Besitz eines Guts ist selten etwas, mit dem man etwas gedanklich bei anderen Menschen bewirken kann (mit Ausnahme des Neids, dessen Erzeugung ich jedoch das Abscheulichste finde, was man anderen Menschen und sich selbst antun kann).

    Wo ich das alles am stärksten merke, ist beim Einkaufen. Ich gehe sehr ungern „real“ in der Stadt „shoppen“, weil es mich anödet. Konsumtempel sind bunt, aber für mich seelenlos und armselig, weil außer Konsum nichts weiter drin ist. Ich sehe die Dinge darin gar nicht wirklich als schöne Artikel, sondern – und das hört sich komisch an – als bedauernswerte Dinge und Sachen, die angefasst und gekauft werden und sich niemand wirklich darüber Gedanken macht.

    Was ist ein Schal? Ein Stück Stoff, in das jemand etwas hineininterpretiert hat und diese Interpretation auf viele die exakt gleiche Wirkung hat: Er ist möglicherweise schön. Nur diese Empfindung ist wenig und bedeutet mir eben auch nur sehr wenig.

    Tatsächlich empfinde ich in Konsumtempeln so etwas wie Trauer. Auch das hat nichts mit einem möglicherweise düsteren Gemüt zu tun, sondern damit, dass es in solchen Tempeln völlig gefühllos zugeht. Industriell gefertigte Ware, gelangweiltes Personal, möglicherweise unaufgeräumtes Chaos und desinteressiertes Publikum, das kauft oder nicht kauft. Niemand geht etwas auf den Grund, niemand beachtet irgendetwas anderes, als die Ware und deren „Schönheit“ oder eine Geschichte dahinter (wenn es denn eine gibt). Ich ertrage das Shoppen nur mit einer gewissen Abscheu und bin daher auch ein Fan davon, meine schwarzen Jeans und T-Shirts einfach online zu kaufen. Da muss ich mir dieses Drama wenigstens nicht anschauen. Du schmunzelst? Dabei meine ich es gar nicht belustigend. Wir haben in unserer modernen Welt den Blick auf das Schöne verlernt und glauben, dass der gesamte iMüll (wobei hier bei weitem nicht nur Produkte von Apple gemeint sind) das Schöne sei. Eine fast vollkommene Illusion.

    Immaterielle Dinge sind so sehr schön, weil man sie eben nicht anfassen kann und sie mehr oder weniger interpretieren muss. Software muss ein Computer interpretieren. Geschriebenes muss ein Verstand interpretieren. Ideen muss eine Intuition erzeugen. Und so weiter. Ein funktionierender Verstand, der denkt und immaterielle Dinge entwickelt, das ist etwas, was kein reales Ding aufwiegen kann und tatsächlich ist jedes materielle, künstlich geschaffene Ding zuvörderst davon abhängig, dass es einst immateriell als Gedanke entstanden ist.

    Spannender Gedanke, nicht? Derjenige, der eine für viele Menschen schöne Sache macht, ist vielleicht selbst jemand, der mit Materiellem herzlich wenig anfangen kann und mit seinem Werk gar nichts wirklich zu tun haben will, nachdem er es erdacht oder gemacht hat.

    Fotografieren ist so eine Sache. Ich schaue sehr ungern Dias an oder Bildergalerien. Nicht deshalb, weil mein Anspruch an Bildern, Ästhetik und Präsentation nicht ganz nieder sind, sondern weil Bilder eigentlich wieder Materie sind. Das eigentliche Bild ist schon lange weg und wenn es nicht im Verstand erzeugt oder geblieben ist, muss es schon einen sehr starken Inhalt haben, damit es bei mir „landet“ und auch bleibt. Ich habe früher gern fotografiert und die Filme dann anderen Leuten zum Entwickeln gegeben oder den Film auch einfach verfallen lassen. Interessiert haben mich meine eigenen Bilder nur selten.

    Es hat ein halbes Leben gedauert, zu merken, dass ich eigentlich auch nicht am Bildmachen interessiert bin, sondern an der Bildentstehung. Der Moment, den man übersieht oder eben nicht. Ich habe ein ziemlich brutal gutes Gedächtnis dafür, Momente in voller Breite zu memorieren. Bilder, Szenen, Gerüche, Geräusche, Entwicklungen, Verwicklungen, das Drumherum. Gepaart mit Nachgedanken, Erfahrungen, Aufgaben und Anforderungen sind das Bilder, die keine Kamera dieser Welt so sichern kann. Es fehlt natürlich viel „Farbe“ und „Bewegung“ und herumreichen kann ich diese Bilder auch nur sehr schlecht und wenn dann nur als Worte. Aber wenn man erst einmal diese Bewusstseinsebene erreicht hat und das ohne Drogen jederzeit schafft, dann hat man ein sehr schönes Problem: Materielles interessiert einen immer weniger. Worte tun es viel mehr, selbst zusammengestellte noch viel, viel mehr und die Rückmeldung von Lesern ist nahezu das Maximum dessen, was man dann erreichen kann. Magischer geht es dann kaum noch, obwohl es eigentlich gar nicht so magisch ist, sondern einfach normal. Und für andere vielleicht verrückt.

    Früher hat es mich gestört, ein kleiner Sonderling zu sein. Heute will ich es gar nicht mehr eintauschen.

  • Seltsames auf dem Webserver.

    Eigentlich sind wir von einem Webserver und der darauf stationierten Website eines Kunden folgende Besucherdimensionen gewohnt. Ein wunderbar gezeichnetes, EKG-artiges Diagramm – zumindest bis auf die letzten beiden Tage:

    Eine fast verdreifachte Besucherzahl ist selbst für einen Montag eine höchst seltsame Geschichte. Es wurde bei näherer Analyse aber noch viel merkwürdiger. Denn rund 600 Besuche (und damit ziemlich genau das, was an diesem Montag zusätzlich als Besucher kam) waren nahezu identisch: Sie kamen von einem MacOS-Rechner und einem dort installierten Firefox 3.6 und jeder Aufruf bestand aus dem Abruf einer einzigen Seite. Und das dann auch ziemlich genau im 30-Sekunden-Takt, den halben Tag lang. Gut, denke ich, das wird wohl ein Rechner sein, auf dem ein Firefox etwas Amok läuft, beispielsweise mit einem Addon zum automatischen Refresh einer aufgerufenen Seite.

    Was allerdings merkwürdig war, war der Absender: Es war nämlich nicht eine einzige IP-Adresse, sondern tatsächlich genau so viele IP-Adressen, wie zusätzliche Aufrufe, also über 600 verschiedene IP-Adressen. Und, damit nicht genug: Alle diese IP-Adressen stammen aus dem IP-Adresspool von Alice/Telefonica.

    Kurzum: Wir haben das Rätsels Lösung nicht gefunden. Ich vermute jedoch, dass da eine Firefox-Installation Und/oder der MacOS-Rechner und/oder der DSL-Anschluss Amok läuft und der Rechner ziemlich genau alle 30 Sekunden einen Seitenabruf über eine PPPoE-Verbindung initiiert, die jedes Mal neu verbunden wird.

    Was kann man dagegen tun? Sehr gute Frage – eigentlich nichts sinnvolles. Einzelne IP-Adressen sperren, macht keinen Sinn, dazu sind es schlicht zu viele und dazu gibt es auch noch keine Systematik, schließlich kommen die IP-Adressen aus einem riesigen IP-Adresspool. Übrig bliebe nur auf dem Webserver die Sperrung des gesamten, betroffenen IP-Adressblocks, das wäre jedoch unverhältnismäßig gewesen. Einzig eine Beschwerde an den ISP wäre naheliegend, wenn auch sehr aufwendig. Bis der ISP das Problem gelöst bekommt …

    Wir hatten Glück, das Problem verschwand Dienstagmittag genauso schnell, wie es gekommen war. Dienstagvormittag fing es zwar wieder an, irgendwann hörte es dann aber von allein wieder auf.

  • Peer Steinbrück – ein Verlegensheitskandidat.

    Zuerst muss man eines sagen: Peer Steinbrück ist der einzige Kandidat der so genannten „Troika“, der einigermaßen gute Siegchancen hat. Sigmar Gabriel, okay, hat sich deutlich gebessert in den letzten Monaten, ist aber eher so eine Art von Politiker und Parteivorsitzender, die gern alles irgendwie gut finden, sogar anfangen lassen und selten zu Ende bringen. Das darf gern ein subjektiver Eindruck von mir sein, ich stehe dazu. Und Frank Walter Steinmeier ist zwar ein echtes Arbeitstier mit Organisationsfähigkeiten, aber ich erinnere mich mit Grausen an den letzten Wahlkampf und an die unrühmliche Episode, ob seine beiden Vornamen nun mit Bindestrich verbunden werden oder nicht.

    Kein Schwein hat das wirklich interessiert und es ist auch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die Bevölkerung es interessiert, ob ihr Kanzler seine beiden Vornamen mit Bindestrich verbindet oder nicht und eigentlich ist Frank-Walter Steinmeier auch so intelligent, so eine Diskussion für völligen Käse zu halten, aber sie wurde tatsächlich für einen Moment so zelebriert, als ob die Regierungsfähigkeit der SPD davon abhinge. Für einen Kandidaten, der eigentlich das Format zum Kanzler hat, aber dann so eine Diskussion zulässt, einer von vielen K.O.’s, die dann danach folgten.

    Also, Peer Steinbrück soll es sein. Und Genosse Peer ist ein echter Verlegenheitskandidat. Denn eigentlich ist Peer Steinbrück weit von alledem, was die SPD ausmacht. Peer Steinbrück fand die Deregulierung des Bankenmarktes als Bundesfinanzminister einmal recht gut, Peer war einer der ersten, mit sehr markigen Sprüchen der Schweiz die grassierende Steuerflucht der so genannten Reichen Deutschlands in die Schuhe zu schieben, Peer Steinbrück ist in Sachen Vortragsreisender ein echter Großverdiener, Peer Steinbrück hat in einer höchst seltsamen Geschichte ehemalige Staatsunternehmen darum angebettelt, ein privates Schachturnier zu finanzieren. Und so weiter. Und Peer Steinbrück mag jetzt selbsternannter Retter der deutschen Rente werden.

    Peer Steinbrück ist so neoliberal, dass für ihn am SPD-Schiff auf der rechten Seite noch ein Ausleger gebaut werden müsste. Selten hat es in der SPD so Spitzenleute gegeben, die so wirtschaftsfreundlich und dabei so gesellschaftsfremd wirken, wie er und dabei schafft es Peer Steinbrück dann auch noch vortrefflich, Kritiker mit teilweise herb-flapsigen Kommentaren nicht einfach nur kaltzustellen, sondern schlicht öffentlich zu schlachten. Das ist seine Art, das mögen augenscheinlich auch viele Menschen, die von Politikern eine klare Kante erwarten, aber so eine Art hat selten etwas damit zu tun, gute Politik zu verpacken. Peer Steinbrücks mitunter saftige Zoten unterhalten immer nur für einen kurzen Moment und versickern dann im rosig-warmen Bad des kollektiven Kurzzeitgedächtnisses. Gesehen und gelacht.

    Der Neoliberalismus ist so tot wie das Holz, aus dem heute immer weniger Zeitungen gedruckt werden und die Gesellschaften auf dem ganzen Planeten stehen vor der Herausforderung, die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich zumindest langsamer aufklappen zu lassen. Und da soll uns in Deutschland ausgerechnet Peer Steinbrück, ein ausgewiesener Mann der Vergangenheit und der ehemalige Lieblingsfinanzminister von Angela Merkel, helfen. Allein schon deshalb, weil ich mich wieder unglaublich auf die innerparteilichen Katerstimmungsdiskussionen in der SPD freue, finde ich das schon wieder richtig gut.

    Wir brauchen also auch weiterhin keine Angst vor echten Reformen im Lande haben – sie werden auch weiterhin ausbleiben. Die Party darf getrost weitergehen, so oder so.

  • Vier Monate ICD.

    Ich habe eigentlich nicht vor, mein zukünftiges Leben nach der Implantation meines ICD, meines implantierten Kardioverter/Defibrillator auszurichten und ich habe auch nicht vor, am 1. Mai nächsten Jahres einen weiteren Geburtstag zu feiern, aber ich denke, nach vier Monaten kann man ruhig einmal einen Zwischenbericht schreiben.

    ICD und wie er eigentlich nichts macht

    Die Prognose der Charité-Ärzte, die mich im Mai behandelt haben, stimmt soweit: Bisher ist nichts passiert, der ICD musste bis jetzt nicht therapieren. Sprich: Mein Herz funktioniert soweit zuverlässig. Das hat zwei größere Gründe: Betablocker und Bewegung.

    Die Betablocker sorgen, grob gesagt, dafür, den Puls meines Herzens herunterzuregeln. Hatte ich vor der Medikamentation noch einen Ruhepuls von 60 bis 65 (was ein gepflegter Puls eines Erwachsenen ist, der sich regelmäßig bewegt), so ist jetzt mein Ruhepuls bei sehr sportlichen 42 bis 45. Noch viel tiefer sollte der Puls auch nicht rutschen, denn dann wird der ICD wiederum nervös, weil der ja gleichzeitig auch bradykarde Rhythmusstörungen behandelt, also wenn das Herz dauerhaft zu langsam schlägt. Da ist die eingestellte Schwelle bei 40 Schlägen pro Minute. Aber auch hier gilt: Bisher keine Therapien notwendig gewesen.

    Der kopfmäßige Prozess, sich mit dem ICD als eingepflanztes Gerät zu beschäftigen, scheint ebenfalls weitgehend abgeschlossen zu sein. Sprich: Ich denke eigentlich kaum noch daran, einen ICD implantiert zu haben und spüre das Gerät auch nicht, außer wenn ich mal einen Stoß auf die linke Brustseite bekomme. Ich hoffe ja, dass der ICD, wenn er dann irgendwann explantiert werden muss, nicht völlig verbeult ist. 😉

    Das Wohlbefinden im allgemeinen

    Da gibt es inzwischen auch nicht mehr viel zu meckern. Nach der Implantation fiel ich konditionstechnisch erst einmal in ein hübsches Loch, was zum einen an den Betablockern lag, aber auch am so genannten myokarden Trauma. Das ist die Reaktion des Herzmuskels auf den ganzen Spaß, der da auf das arme Stück Fleisch niederging, inklusive Katheteruntersuchungen, Gewebeentnahme, Ablationsversuch und Implantation zweier Elektroden. Es ist ja nicht so, dass sich das Herz nach so Eingriffen einmal in Ruhe aufs Ohr legen kann – es soll ja bitteschön weiterpumpen.

    Dass meine Kondition mal so richtig weg war, merkte ich schon bei sehr einfachen Dingen, nämlich beim Treppensteigen. Der zweite Stock war schon eine Hürde, bei der ich aus der Puste kam und ab dem vierten Stock war eine Verschnaufpause fällig. So eine deutlich erkennbare Herzinsuffizienz macht einem ordentlich zu schaffen und das nicht nur in Sachen Kondition, sondern auch mental. Der Kardiologe bestätigte dann auch, dass mein Herz durchaus auf die Behandlungen auf seine Weise reagierte. Unschön, wenn man solche Botschaften zu vernehmen hat. Immerhin ist es aber so, dass in meinem Fall mit einer Regeneration zu rechnen war, die dann auch nach und nach zustande kam. Ergotraining und Spaziergänge sorgten spürbar dafür, dass die Pumpe wieder Arbeit zu verrichten hatte und Bewegung ist nun einmal eine sehr wichtige Therapie.

    Aktuell ist es so, dass ich mich nun nach vier Monaten wieder richtig gut fühle. Mein ehemals durchaus gefühltes Herzstolpern ist für mich nicht mehr zu spüren und die Kondition ist auch wieder fast so da, wie vor den Behandlungen. Das, was mir jetzt noch an Kondition fehlt (gefühlte 10 %), geht auf das Konto meines heruntergeregelten Pulses und der Notwendigkeit, dass man nicht ganz so schnell auf starke Bewegungen reagieren kann und dem Kreislauf ein paar Sekunden mehr Zeit geben sollte, wenn Action angesagt ist. Das ist jedoch kein echtes Hindernis, es gibt schlimmeres.

    Nachsorge

    In Sachen Nachsorge geht es schon relativ schnell relativ großzügig. Die ICD-Kontrollen sind halbjährlich, eine Herzkontrolle findet alle vier Monate statt. Und auch die Pause vom Autofahren dauerte nicht ganz so lange, so dass ich nach zweieinhalb Monaten wieder ans Steuer durfte. Ein übrigens sehr krasses Gefühl, wenn man nach Wochen wieder am Steuer eines Autos sitzen darf und der Begriff „Mobilität“ sehr greifbar wird.

    Weiter geht es nun wie bisher. So lange das Gerät funktioniert und so lange es so bleibt, wie jetzt, ist erst in rund zehn Jahren damit zu rechnen, dass die Batterie des ICD so weit herunter ist, dass man sich über einen Austausch des Gerätes Gedanken machen muss.

    Explantation?

    Eine sehr häufig gestellte Frage ist die, ob der ICD eigentlich irgendwann wieder „raus darf“. Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Im Prinzip ja, aber will man das?

    Aus technischer Sicht ist alles, was aktuell verbaut ist, also ICD und die beiden Elektroden, wieder explantierbar. Und das im Normalfall auch über den Weg, wie alles hineingekommen ist, also ohne Brustkorb öffnen. Die Verankerungen für die Elektroden sind von den Enden, die am ICD angeschlossen sind, wieder lösbar und dann werden sie im Prinzip einfach herausgezogen und der ICD danach entfernt.

    Aus medizinischer Sicht löst aber das Entfernen des ICD die Grundproblematik nicht. Das, was mir im Mai passiert ist, kann eine einmalige Episode bleiben, kann aber auch nochmal in meinem Leben passieren. Jedes Herz wird älter und statistisch gesehen häufen sich im Laufe des Lebens die Probleme, die man mit seinen Organen bekommen kann. Der ICD ist hier zumindest eine Art Lebensversicherung für den Fall, wenn es wieder zu Tachykardien oder gar zum Kammerflimmern kommen sollte. Die Chance also, dass ich an einem Plötzlichen Herztod versterbe, ist durch den ICD sehr deutlich verringert. Ob Tachykardien und/oder Kammerflimmern je auftreten werden, das kann so einfach niemand beantworten, das ist tatsächlich ein Stück weit Mutter Naturs Thema.

    Tatsächlich ist die Implantation eines ICD eine eher langfristige Sache, durchaus bis zum Ende eines Lebens. An diese Gedankenwelt muss man sich als junger Mensch tatsächlich einen Moment lang gewöhnen.

    Dass sich das Tragen eines ICD schlimmer anhört, als es tatsächlich ist, kann ich jedoch bestätigen. Die heutigen Geräte sind wartungsarm, funktionieren, sind stromsparend und nach wenigen Monaten spürt man schlicht nichts mehr von ihnen, wenn sie nicht gerade akut therapieren müssen. Müsste ich also heute die gleiche Frage im gleichen Kontext beantworten, wie im Mai, ich würde mich nochmal für eine ICD-Implantation entscheiden. Sicher ist sicher.

  • In die Mobilfunk-Taiga mit Aldi Talk.

    Vermutlich bin ich mit O2 inzwischen zu verwöhnt. Seit 2008 bin ich O2-Kunde und habe in dieser Zeit kaum mehr Probleme gehabt, als dass irgendwo das Netz einmal überlastet war. Dass ist auch dahingehend erträglich, weil ich monatlich kaum mehr als 15 Euro dafür bezahle, rund eine Stunde zu telefonieren, eine Internet-Flatrate zu haben und das verteilt auf drei SIM-Karten, die als Multicard zusammengeschaltet sind. Für dieses Paket zahlt man bei anderen Anbietern gern das Doppelte. Oder Dreifache. Oder auch das Vierfache.

    Warum ich deshalb bei einem Kunden von mir auf die Idee gekommen bin, für einen vorübergehenden Internet-Zugang etwas anderes auszuwählen, als O2, ist mir schleierhaft. Und warum ich dann ausgerechnet auch noch Aldi Talk nehmen musste? Es muss ein totaler Aussetzer in meinem Verstand gewesen sein.

    Aldi Talk“ ist ein Produkt von „Medion Mobile“ und wird technisch von ePlus betrieben. So weit, so gut. Das gekaufte Starter-Set enthielt die SIM-Karte, eine Anleitung und Papierkram für 12 Euro, wobei das Starter-Set eine Prepaid-Geschichte ist und ein Guthaben von 10 Euro beinhaltet. Standardmäßig eingerichtet ist ein Tarif namens „Medion mobile“, das Telefonieren beinhaltet. In unserem Fall brauchen wir das nicht, denn die Karte soll an einen Tablet-PC eingesetzt werden. Dazu gibt es eine Reihe von Internet-Flatrates, unter anderem das Paket „Internet-Flatrate L“. 1,5 Gigabyte Datenmenge per UMTS-Tempo, danach den Rest per GPRS und das für einen Monatspreis von 9,99 Euro. Kann man nicht meckern – wenn man denn die Option buchen könnte.

    Denn das geht nicht. Nicht über die Website von Aldi Talk und auch nicht über die Hotline. Tatsächlich meldete die Website von Anfang an, dass bereits ein Auftrag anhängig wäre und man bitteschön warten möge, bis per SMS bestätigt wird. Natürlich gab es nie einen von mir gestellten Auftrag und auch eine SMS ist nie gekommen. Die inzwischen ein halbes Dutzend geführten Telefonate mit der Hotline brachten nichts: Keine Möglichkeit der Statusprüfung, keine Möglichkeit des Zurücksetzens des „Auftrages“, keine Reaktion auf ein von einem Mitarbeiter eingerichteten Supportticket an die Technik. Damit hängen wir nun seit genau einer Woche in der Luft mit einer SIM-Karte, die wir eigentlich nicht brauchen können, weil sich keine Mobilfunkoption aufbuchen lässt. Und niemand weiß etwas, geschweige denn kann etwas tun, damit das überhaupt einmal funktioniert. Ob es jemals funktioniert? Keiner weiß selbst das.

    Pardon, Aldi/Medion/ePlus. Was für ein seltsames Zeug verkauft ihr da? Ist das Satire?

    Update am 27.09.2012: Funktioniert immer noch nicht, inzwischen der sechste Anruf auf der Hotline. Immerhin habe ich durch deutliche Kenntlichmachung meines Unmutes erreicht, dass die Mitarbeiterin im nächsten Supportlevel nachgefragt hat, was mit dem Ticket passiert und herausbekommen, dass es offenbar noch weitere Kunden mit ähnlichen Problemen gibt. Gut, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen. Im Gegenzug weiß aber auch sie nicht, wie der Status des Tickets ist, wann es weiterbearbeitet wird oder ob das Problem überhaupt gelöst wird (ich habe mal so offensiv die Frage dahingehend gestellt). Ich möge es doch einfach später nochmal probieren, was auch immer.

  • Obama 2012 – Die Gegnerbeobachtung.

    Die Gegnerbeobachtung ist in einem Wahlkampfteam ein Phänomen. Keiner redet öffentlich darüber, niemand aus dem Team sucht die direkte Konfrontation (außer der Kandidat selbst) und doch sind die Leute, die die Gegnerbeobachtung verantworten, die zweifellos wichtigsten Leute im Wahlkampfteam. Und: Ohne Gegnerbeobachtung und die Reaktion darauf ist jeder ernst gemeinte Wahlkampf zum Scheitern verurteilt.

    Die Geschichte um Mitt Romneys Äußerungen auf einer Wahlparty, in denen er unter anderem geißelt, dass ein Großteil der US-amerikanischen Bevölkerung keine Einkommensteuer bezahlt und er sich darum um diese Leute nicht kümmern müsse, ist genau so ein Fall, denn eigentlich ist dieser Skandal eine Geschichte mit Ansage. Es geht um einen kleinen, unscheinbaren Ausschnitt in einem heimlich mitgeschnittenen Video einer Rede Romneys, das auf einer alternativen Nachrichten-Website namens Mother Jones veröffentlicht wurde:

    Gehalten hat Mitt Romney seine skandalträchtige Rede nämlich schon vor Monaten, nämlich im Mai. Und hier auch noch in einer Spezialität des professionellen Fundraisings, nämlich einer Spendenparty. Dort wird mäßig genießbares Essen in einem exklusiven Rahmen – nämlich mit dem Kandidaten – eingenommen und „Eintritt“ bezahlt. Im Falle dieser Spendenparty der schlappe Betrag von 50.000 US-Dollar pro Kopf.

    Nun sind solche Spendenpartys ein gefährliches Pflaster. Einerseits sind alle Kandidaten zumindest Sympathisanten, denn keiner bezahlt 50.000 US-Dollar, um irgendeinem Affen zuzuhören oder sich an jemanden heranzuwanzen, von dem man sich nicht zumindest Aufmerksamkeit erhofft. Andererseits sind Spendenpartys alles andere als intim, denn ein Sympathisant könnte ja auch ein Spion der Gegenseite sein, einen Journalisten kennen oder einfach in guter Absicht filmen und das Material ins Internet spülen, ohne vielleicht zu merken, dass möglicherweise „inkompatible“ Dinge geredet wurden. Im Falle von Romneys „Skandalrede“ war es wohl ein Sympathisant der Demokraten, der aufzeichnete und sich des Materials bewusst war.

    Gegnerbeobachtung ist eine Sache, die vor allem etwas mit dem richtigen Timing zu tun hat. Was man nämlich sammelt, wird mitnichten sofort in eine Gegenkampagne verarbeitet, sondern wird gesammelt. Dazu hat man einen internen Giftschrank, den man auch genau so zu behandeln hat. Verschwiegen. Geheim. Unter Verschluss. Hier werden genau diese Schnitzer gesammelt, katalogisiert und aufgehoben. Und die Bezeichnung „Giftschrank“ ist wörtlich zu nehmen, denn es steckt nicht nur Gift für die Kampagne des Gegenkandidaten in so einem Schrank, sondern auch der Giftschrank selbst ist Gift, denn man führt ja einen Wahlkampf immer sauber. Tatsächlich herrscht in allen gesellschaftlichen Demokratien die allgemeine Haltung vor, dass man miteinander verbal zwar kämpfen darf, aber doch bitteschön fair bleiben soll. Die Existenz eines Giftschrankes passt in solche Illusionen nicht hinein. Was passieren kann, wenn unfaire Mittel bekannt werden, kann man an der Mutter aller solchen „Gates“, dem Watergate-Skandal in der Ära Nixon, anschaulich nachlesen.

    Eingesetzt wird dieses aufgeklärte Giftschrankmaterial dann entweder planmäßig bei vorgeplanten Kampagnen (dazu komme ich in einem weiteren Artikel) oder eben kurzfristig im Schnellschuss. Als Konter auf einen Schnitzer des Kandidaten oder zur Aufladung des Wahlkampfes. Oder auch als Gerücht im „Kamingespräch“, das von Spindoktoren gezielt lanciert wird.

    Das Internet als Hochdruckpumpe der Gegnerbeobachtung

    Darüber muss sich jeder, der einen Wahlkampf schmeißen will (egal ob als Kandidat oder Wahlkampfleiter) im Klaren sein: Nichts, aber auch rein gar nichts bleibt unbemerkt. Hatte man in der Prä-Internet-Ära noch die Chance, dass herausposaunter Mist verhallt, weil kein Journalist in der Nähe war, der das hätte notieren können, so ist heute praktisch jeder in der Lage, per Smartphone komplette Reden aufzuzeichnen und später in Ruhe auf ihren Inhalt hin zu sezieren.

    Die Kunst dabei ist es, ein ausgeklügeltes System zu haben, das solches Material sammelt und auswertet. Viele zeichnen auf und laden es ins Internet, einige wenige suchen nach solchem Material gezielt und verwerten es und das eigentliche Team der Gegnerbeobachtung verarbeitet aus diesem Informationsberg dann einzelne Elemente.

    Und das geht im Zweifelsfall auch mal rasend schnell. Am Vorabend etwas aufgezeichnet, nachts noch hochgeladen, am nächsten Morgen wird es von ersten Mitarbeitern aus dem Wahlkampfteam des Gegenkandidaten gefunden, sofort be- und verarbeitet und bei den Medien platziert, inklusive der Haltung des eigenen Kandidaten. Und weil heutzutage die Nachrichtenwelt nicht nur auf die abendliche Nachrichtensendung und die Tageszeitung am nächsten Morgen beschränkt ist, ist eine „heiße“ Nachricht auch noch am gleichen Vormittag im Internet, wenn es pressiert.

    Die Gegnerbeobachtung als Argumentationshilfe für das eigene Lager

    Die etwas schmutzig anklingende Arbeit der Gegnerbeobachtung kann man jedoch auch sehr offen handhaben und die gewonnenen Erkenntnisse auf diese Weise dazu nutzen, das eigene Lager mit Argumentationshilfen zu versorgen. Im Straßen- bzw. Häuserwahlkampf sind Argumente in Form von „Gehören Sie zu den 47 % der Bevölkerung, die von Romney hängengelassen werden sollen?“ nun einmal sehr stark. Um aber auf solche Argumente zu kommen, ist eine eigene Strategieabteilung zuständig.

    The Truth Team – die „sachliche“ Minikampagne

    Im Wahlkampf von Barack Obama heißt diese Abteilung sehr effektvoll „The Truth Team“ – „Das Wahrheitsteam“, die auf der Kampagnen-Website eine eigene Rubrik hat:

    Die seriöse Aufmachung ist hier gewollt: Hier geht es um die „Wahrheit“, um die „echten“ Fakten. Hier geht es nicht um die einzelnen Äußerungen des Gegenkandidaten, sondern um seine Thesen und Haltungen und natürlich die Haltungen des eigenen Kandidaten. Der Ton ist hier weitgehend ebenso seriös gehalten. Man beschränkt sich weitgehend auf die Filetierung von Argumenten und nicht von Kandidaten.

    The Go Back Team – die persönliche Attackenseite

    Die Abteilung Attacke in Sachen Gegenkandidaten findet sich auf dieser Microsite in der Obama-Kampagne. Hier geht es ausschließlich um die Gegenkandidaten, im Falle des 2012-Wahlkampfes also um Mitt Romney und Paul Ryan, dem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft:

    Das „Go Back Team“ bezeichnet also mitnichten die Arbeitsgruppe in der Obama-Kampagne, sondern ist eine dezent schäbige Bezeichnung für das Duo Romney/Paul. Und dementsprechend ist auch der Duktus in dieser Rubrik geschrieben. In der Sache dezent diskreditierend und deutlich in der Sprache. Schon an der Aufmachung ist erkennbar, dass es hier um die „ewiggestrigen“ Gegenkandidaten und ihre konservative „Klientelpolitik“ geht. Je weltfremder das alles wirkt, desto besser.

    „You won’t believe this“ – Inszenierung im Kampagnen-Blog

    Ein weiterer, höchst wirksamer Kanal ist der offizielle Nachrichtenstrom der Kampagnen-Website im Kampagnen-Blog. Diesen Kanal werden vermutlich die meisten Besucher und Mitstreiter lesen, dementsprechend lassen sich hier auch „Giftschrank-Neuigkeiten“ plakativ positionieren. Mitt Romneys 47-Prozent-Nummer zum Beispiel wird sehr süffisant mit der Überschrift „You won’t believe this“ eingeleitet – „Sie werden es nicht glauben“:

    Skandalisierung ist hier Programm. Den Faux-pas thematisieren, zum Truth Team verlinken, die Meinung des eigenen Kandidaten verkaufen und sich an den Kommentaren der Besucher laben.

    Shitstorming auf höchstem Niveau

    Zweifellos geht es hier darum, Meinung zu verkaufen. Schnell, unbürokratisch, ohne Rücksicht auf Verluste. Der wahlkämpft, muss sich auf steifen Wind gefasst machen, der ihm entgegenblasen könnte. Online-Campaigning kann diese Art von Negativkampagnen enorm aufladen und der einzige Ratschlag ist der: Nicht damit anfangen, außer die Gegenkandidaten tun es. Dann muss man ins Becken und gegenschwimmen, sonst ist die Meinungshoheit im Web nicht einfach nur gefährdet – sie geht in Windeseile verloren.

    Im Falle von Mitt Romney muss man konstatieren, dass Romney sich denkbar ungeschickt verhält und in genügend argumentative Fettnäpfchen tritt und damit jedes Mal ins Messer des Obama-Teams hineinläuft. Sicherlich hat er in den letzten Wochen und Monaten einiges dazugelernt, aber genau diese 47-Prozent-Geschichte zeigt, dass Inhalte in einem gut sortierten Wahlkampf-Giftschrank selten sofort hochgehen, sondern irgendwann dann, wenn man es als Gegenkandidat gar nicht brauchen kann.


    Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort „Obama 2012“.

Letzte Beiträge
Schlagwortwolke

Android Barack Obama Bloggen Blogroll Bundesregierung CDU Facebook Fatal Error Google iPhone Online-Sperre Pforzheim Politik 2.0 PS3 Social Networking SPD Testbericht Twitter Update Video Wahlkampf Web 2.0 Werbung WordPress ZDF

Archiv
Seiten