Die Leute, die mich gut kennen, wissen, dass ich kein sonderlich materieller Mensch bin. Ich muss keine echten Luxusgüter besitzen, um zufrieden zu sein und mache mir aus vielen Dingen nichts, die anderen viel bedeutet. Kleidung, Parfum, Auto, Haus, Reichtum – das reizt mich unglaublich wenig. Reizen ist dabei das falsche Wort: Es langweilt mich. Materielle Güter kann man besitzen, sie gehören aber einem nicht und der Besitz eines Guts ist selten etwas, mit dem man etwas gedanklich bei anderen Menschen bewirken kann (mit Ausnahme des Neids, dessen Erzeugung ich jedoch das Abscheulichste finde, was man anderen Menschen und sich selbst antun kann).
Wo ich das alles am stärksten merke, ist beim Einkaufen. Ich gehe sehr ungern „real“ in der Stadt „shoppen“, weil es mich anödet. Konsumtempel sind bunt, aber für mich seelenlos und armselig, weil außer Konsum nichts weiter drin ist. Ich sehe die Dinge darin gar nicht wirklich als schöne Artikel, sondern – und das hört sich komisch an – als bedauernswerte Dinge und Sachen, die angefasst und gekauft werden und sich niemand wirklich darüber Gedanken macht.
Was ist ein Schal? Ein Stück Stoff, in das jemand etwas hineininterpretiert hat und diese Interpretation auf viele die exakt gleiche Wirkung hat: Er ist möglicherweise schön. Nur diese Empfindung ist wenig und bedeutet mir eben auch nur sehr wenig.
Tatsächlich empfinde ich in Konsumtempeln so etwas wie Trauer. Auch das hat nichts mit einem möglicherweise düsteren Gemüt zu tun, sondern damit, dass es in solchen Tempeln völlig gefühllos zugeht. Industriell gefertigte Ware, gelangweiltes Personal, möglicherweise unaufgeräumtes Chaos und desinteressiertes Publikum, das kauft oder nicht kauft. Niemand geht etwas auf den Grund, niemand beachtet irgendetwas anderes, als die Ware und deren „Schönheit“ oder eine Geschichte dahinter (wenn es denn eine gibt). Ich ertrage das Shoppen nur mit einer gewissen Abscheu und bin daher auch ein Fan davon, meine schwarzen Jeans und T-Shirts einfach online zu kaufen. Da muss ich mir dieses Drama wenigstens nicht anschauen. Du schmunzelst? Dabei meine ich es gar nicht belustigend. Wir haben in unserer modernen Welt den Blick auf das Schöne verlernt und glauben, dass der gesamte iMüll (wobei hier bei weitem nicht nur Produkte von Apple gemeint sind) das Schöne sei. Eine fast vollkommene Illusion.
Immaterielle Dinge sind so sehr schön, weil man sie eben nicht anfassen kann und sie mehr oder weniger interpretieren muss. Software muss ein Computer interpretieren. Geschriebenes muss ein Verstand interpretieren. Ideen muss eine Intuition erzeugen. Und so weiter. Ein funktionierender Verstand, der denkt und immaterielle Dinge entwickelt, das ist etwas, was kein reales Ding aufwiegen kann und tatsächlich ist jedes materielle, künstlich geschaffene Ding zuvörderst davon abhängig, dass es einst immateriell als Gedanke entstanden ist.
Spannender Gedanke, nicht? Derjenige, der eine für viele Menschen schöne Sache macht, ist vielleicht selbst jemand, der mit Materiellem herzlich wenig anfangen kann und mit seinem Werk gar nichts wirklich zu tun haben will, nachdem er es erdacht oder gemacht hat.
Fotografieren ist so eine Sache. Ich schaue sehr ungern Dias an oder Bildergalerien. Nicht deshalb, weil mein Anspruch an Bildern, Ästhetik und Präsentation nicht ganz nieder sind, sondern weil Bilder eigentlich wieder Materie sind. Das eigentliche Bild ist schon lange weg und wenn es nicht im Verstand erzeugt oder geblieben ist, muss es schon einen sehr starken Inhalt haben, damit es bei mir „landet“ und auch bleibt. Ich habe früher gern fotografiert und die Filme dann anderen Leuten zum Entwickeln gegeben oder den Film auch einfach verfallen lassen. Interessiert haben mich meine eigenen Bilder nur selten.
Es hat ein halbes Leben gedauert, zu merken, dass ich eigentlich auch nicht am Bildmachen interessiert bin, sondern an der Bildentstehung. Der Moment, den man übersieht oder eben nicht. Ich habe ein ziemlich brutal gutes Gedächtnis dafür, Momente in voller Breite zu memorieren. Bilder, Szenen, Gerüche, Geräusche, Entwicklungen, Verwicklungen, das Drumherum. Gepaart mit Nachgedanken, Erfahrungen, Aufgaben und Anforderungen sind das Bilder, die keine Kamera dieser Welt so sichern kann. Es fehlt natürlich viel „Farbe“ und „Bewegung“ und herumreichen kann ich diese Bilder auch nur sehr schlecht und wenn dann nur als Worte. Aber wenn man erst einmal diese Bewusstseinsebene erreicht hat und das ohne Drogen jederzeit schafft, dann hat man ein sehr schönes Problem: Materielles interessiert einen immer weniger. Worte tun es viel mehr, selbst zusammengestellte noch viel, viel mehr und die Rückmeldung von Lesern ist nahezu das Maximum dessen, was man dann erreichen kann. Magischer geht es dann kaum noch, obwohl es eigentlich gar nicht so magisch ist, sondern einfach normal. Und für andere vielleicht verrückt.
Früher hat es mich gestört, ein kleiner Sonderling zu sein. Heute will ich es gar nicht mehr eintauschen.
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