Wäre man noch vor einigen Jahren mit dem Spruch gekommen “Wahlkampf muss auch Unterhaltung sein!”, wäre man vermutlich schon wegen dieser Forderung am Ende jeglichen Wahlkampfaktivitäten angelangt. Wahlkampf, so das langjährig gepflegte Mantra, muss immer förmlich sein und jegliche Art von Unterhaltung ist entweder für geschlossene Kreise oder einfach gar nicht erlaubt. Unterhaltung ist schließlich unseriös.
Dass dies natürlich Nonsens ist, ist nicht erst seit Aufkommen des Internets und von Social Media so, vielleicht aber erst dort am deutlichsten zu sehen. Gerade in Medien, in denen der Konsument seinen Bedarf an Information selbstständig “ziehen” soll (das Web ist so ein Medium), ist ein genau portioniertes Maß an Unterhaltung das Gleitmittel, um überhaupt einen Pfad zwischen Wähler und Kandidat zu schaffen. Man sieht das auch an jeder Facebook-Seite eines Unternehmens: Reine Informationsvermittlung ist eine Sache, aber erst mit einer gewissen Portion authentischer (!) und auch berührender (!!) Unterhaltung wirkt eine Seite wirklich so, um aus dem ganzen Strom an Information einer Timeline herausragen zu können.
Ein anderes Paradigma von Social Media ist die Diversifikation (sofern man sich das leisten kann). Nicht ein Medium ist ausschlaggebend, sondern viele. Wenn man die an sich gute Strategie verfolgt, dass man auf Facebook präsent sein müssen, weil man da hingehen muss, wo auch der Konsument ist, dann ist es inkonsequent, wenn die Social-Media-Strategie rein auf Facebook beschränkt bleibt. Zwar erwartet niemand, dass ein Politiker beispielsweise in Miso.tv seinen Filmkonsum dokumentiert oder in Empire Avenue seinen virtuellen Social-Media-Wert zur Disposition stellt, aber wenn man im Rahmen seiner Aktivitäten Material hat, darf experimentiert werden.
Obama 2012 und Instagram
Als Experiment ist wohl auch Barack Obama mit einem eigenen Feed in Instagram aufgetaucht, nämlich genau am 3. Januar 2012 zum Start des Wahlkampfjahres. Und tatsächlich ganz, ganz unten, mit einer Hand voll Fans, die seinen Instagram-Feed abonniert haben. In der Zwischenzeit sind wir bei Bild Nummer 84 und aktuell genau 1.041.858 Fans. 65 der bisher 84 Bilder haben es (ohne Mühen übrigens) geschafft, als “Popular Pictures” in Instagram verewigt zu werden und erst richtig Reichweite zu erzeugen.
Natürlich ist Barack Obama auf Instagram eine ganz eigene Geschichte. Bestückt wird der Feed vom Obama-2012-Team (was auch deutlich in der Bio erwähnt wird). Und die allermeisten Bilder machen auch den Eindruck, dass sie nicht von einem Smartphone fotografiert wurden, sondern aus einem professionellen Bilderpool stammen. Alles lächelt, freundliche Gesichter, Kinder, Umarmungen, Devotionalien. Echte politische Positionen und Botschaften vermisst man – wenn man tatsächlich diese Art von Unterhaltung nicht als knallharte Botschaft selbst versteht.
Denn natürlich sind die Botschaften in jedem einzelnen Bild säuberlich verpackt und geben nur den Anschein, als wäre hier irgendwo ein Schnappschuss gefallen: Ehrlichkeit, Engagement, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Überlegenheit und so weiter. Ein echter Bilderstrom, nicht ansatzweise “verfälscht” von Presse und Medien und direkt auf die Smartphones der Wähler. Und natürlich noch querverwertet auf der Wahlkampf-Website und allen verfügbaren Social Networks.
Alle Teile meines Dossiers zu Obama 2012 unter dem Stichwort “Obama 2012”.
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