Ich habe eigentlich nicht vor, mein zukünftiges Leben nach der Implantation meines ICD, meines implantierten Kardioverter/Defibrillator auszurichten und ich habe auch nicht vor, am 1. Mai nächsten Jahres einen weiteren Geburtstag zu feiern, aber ich denke, nach vier Monaten kann man ruhig einmal einen Zwischenbericht schreiben.
ICD und wie er eigentlich nichts macht
Die Prognose der Charité-Ärzte, die mich im Mai behandelt haben, stimmt soweit: Bisher ist nichts passiert, der ICD musste bis jetzt nicht therapieren. Sprich: Mein Herz funktioniert soweit zuverlässig. Das hat zwei größere Gründe: Betablocker und Bewegung.
Die Betablocker sorgen, grob gesagt, dafür, den Puls meines Herzens herunterzuregeln. Hatte ich vor der Medikamentation noch einen Ruhepuls von 60 bis 65 (was ein gepflegter Puls eines Erwachsenen ist, der sich regelmäßig bewegt), so ist jetzt mein Ruhepuls bei sehr sportlichen 42 bis 45. Noch viel tiefer sollte der Puls auch nicht rutschen, denn dann wird der ICD wiederum nervös, weil der ja gleichzeitig auch bradykarde Rhythmusstörungen behandelt, also wenn das Herz dauerhaft zu langsam schlägt. Da ist die eingestellte Schwelle bei 40 Schlägen pro Minute. Aber auch hier gilt: Bisher keine Therapien notwendig gewesen.
Der kopfmäßige Prozess, sich mit dem ICD als eingepflanztes Gerät zu beschäftigen, scheint ebenfalls weitgehend abgeschlossen zu sein. Sprich: Ich denke eigentlich kaum noch daran, einen ICD implantiert zu haben und spüre das Gerät auch nicht, außer wenn ich mal einen Stoß auf die linke Brustseite bekomme. Ich hoffe ja, dass der ICD, wenn er dann irgendwann explantiert werden muss, nicht völlig verbeult ist. 😉
Das Wohlbefinden im allgemeinen
Da gibt es inzwischen auch nicht mehr viel zu meckern. Nach der Implantation fiel ich konditionstechnisch erst einmal in ein hübsches Loch, was zum einen an den Betablockern lag, aber auch am so genannten myokarden Trauma. Das ist die Reaktion des Herzmuskels auf den ganzen Spaß, der da auf das arme Stück Fleisch niederging, inklusive Katheteruntersuchungen, Gewebeentnahme, Ablationsversuch und Implantation zweier Elektroden. Es ist ja nicht so, dass sich das Herz nach so Eingriffen einmal in Ruhe aufs Ohr legen kann – es soll ja bitteschön weiterpumpen.
Dass meine Kondition mal so richtig weg war, merkte ich schon bei sehr einfachen Dingen, nämlich beim Treppensteigen. Der zweite Stock war schon eine Hürde, bei der ich aus der Puste kam und ab dem vierten Stock war eine Verschnaufpause fällig. So eine deutlich erkennbare Herzinsuffizienz macht einem ordentlich zu schaffen und das nicht nur in Sachen Kondition, sondern auch mental. Der Kardiologe bestätigte dann auch, dass mein Herz durchaus auf die Behandlungen auf seine Weise reagierte. Unschön, wenn man solche Botschaften zu vernehmen hat. Immerhin ist es aber so, dass in meinem Fall mit einer Regeneration zu rechnen war, die dann auch nach und nach zustande kam. Ergotraining und Spaziergänge sorgten spürbar dafür, dass die Pumpe wieder Arbeit zu verrichten hatte und Bewegung ist nun einmal eine sehr wichtige Therapie.
Aktuell ist es so, dass ich mich nun nach vier Monaten wieder richtig gut fühle. Mein ehemals durchaus gefühltes Herzstolpern ist für mich nicht mehr zu spüren und die Kondition ist auch wieder fast so da, wie vor den Behandlungen. Das, was mir jetzt noch an Kondition fehlt (gefühlte 10 %), geht auf das Konto meines heruntergeregelten Pulses und der Notwendigkeit, dass man nicht ganz so schnell auf starke Bewegungen reagieren kann und dem Kreislauf ein paar Sekunden mehr Zeit geben sollte, wenn Action angesagt ist. Das ist jedoch kein echtes Hindernis, es gibt schlimmeres.
Nachsorge
In Sachen Nachsorge geht es schon relativ schnell relativ großzügig. Die ICD-Kontrollen sind halbjährlich, eine Herzkontrolle findet alle vier Monate statt. Und auch die Pause vom Autofahren dauerte nicht ganz so lange, so dass ich nach zweieinhalb Monaten wieder ans Steuer durfte. Ein übrigens sehr krasses Gefühl, wenn man nach Wochen wieder am Steuer eines Autos sitzen darf und der Begriff „Mobilität“ sehr greifbar wird.
Weiter geht es nun wie bisher. So lange das Gerät funktioniert und so lange es so bleibt, wie jetzt, ist erst in rund zehn Jahren damit zu rechnen, dass die Batterie des ICD so weit herunter ist, dass man sich über einen Austausch des Gerätes Gedanken machen muss.
Explantation?
Eine sehr häufig gestellte Frage ist die, ob der ICD eigentlich irgendwann wieder „raus darf“. Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Im Prinzip ja, aber will man das?
Aus technischer Sicht ist alles, was aktuell verbaut ist, also ICD und die beiden Elektroden, wieder explantierbar. Und das im Normalfall auch über den Weg, wie alles hineingekommen ist, also ohne Brustkorb öffnen. Die Verankerungen für die Elektroden sind von den Enden, die am ICD angeschlossen sind, wieder lösbar und dann werden sie im Prinzip einfach herausgezogen und der ICD danach entfernt.
Aus medizinischer Sicht löst aber das Entfernen des ICD die Grundproblematik nicht. Das, was mir im Mai passiert ist, kann eine einmalige Episode bleiben, kann aber auch nochmal in meinem Leben passieren. Jedes Herz wird älter und statistisch gesehen häufen sich im Laufe des Lebens die Probleme, die man mit seinen Organen bekommen kann. Der ICD ist hier zumindest eine Art Lebensversicherung für den Fall, wenn es wieder zu Tachykardien oder gar zum Kammerflimmern kommen sollte. Die Chance also, dass ich an einem Plötzlichen Herztod versterbe, ist durch den ICD sehr deutlich verringert. Ob Tachykardien und/oder Kammerflimmern je auftreten werden, das kann so einfach niemand beantworten, das ist tatsächlich ein Stück weit Mutter Naturs Thema.
Tatsächlich ist die Implantation eines ICD eine eher langfristige Sache, durchaus bis zum Ende eines Lebens. An diese Gedankenwelt muss man sich als junger Mensch tatsächlich einen Moment lang gewöhnen.
Dass sich das Tragen eines ICD schlimmer anhört, als es tatsächlich ist, kann ich jedoch bestätigen. Die heutigen Geräte sind wartungsarm, funktionieren, sind stromsparend und nach wenigen Monaten spürt man schlicht nichts mehr von ihnen, wenn sie nicht gerade akut therapieren müssen. Müsste ich also heute die gleiche Frage im gleichen Kontext beantworten, wie im Mai, ich würde mich nochmal für eine ICD-Implantation entscheiden. Sicher ist sicher.
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