Nun ist ziemlich genau ein Jahr her nach meinem KurzurlaubsspaĂ in der Berliner CharitĂ© und mit dem 10. Mai ist nun auch der „Geburtstag“ meines ICD, meines implantierten Kardioverters/Defibrillators, durch. Unbedingt feiern will ich das GerĂ€tchen nicht gerade, allerdings kann man zu seinem ersten Geburtstag ruhig mal Bilanz fĂŒhren.
Was hat der ICD denn so gemacht in der Zeit?
Kurzum: Nichts relevantes. Eine Therapie im Sinne von Behandeln von Tachykardien war bis dato nicht notwendig. Es gab schlicht keine zu behandelnden Tachykardien. Das liegt hauptsĂ€chlich daran, dass ich seit der Implantation begleitend auch noch einen Betablocker in Tablettenform einnehme, der Rhythmusstörungen verhindern soll. Das tut er auch weitgehend zuverlĂ€ssig. Es gibt zwar immer noch das ursprĂŒngliche Herzstolpern, das jedoch in einem deutlich geringeren MaĂe als vorher.
Was hin und wieder einmal auftgetreten ist, ist die umgekehrte Funktion des ICD, eine so genannte Bradykardie-Therapie. Das ist genau das, was ein normaler Herzschrittmacher tut – wenn der Puls zu langsam ist, gibt es kleinste Impulse vom Schrittmacher, um die Herzfunktion wieder auf Tempo zu bekommen. Mein Herz erreichte die im ICD konfigurierte Schwelle von 40 SchlĂ€gen pro Minute gelegentlich nachts, so dass hier der ICD dann gelegentlich mal tĂ€tig wurde. Einmal habe ich die Auswirkungen auch gespĂŒrt, ich bin nĂ€mlich mit Herzklopfen aufgewacht. Aber wie gesagt, eine Bradykardie-Therapie ist problemlos, zumal in meinem Fall auch nicht wirklich notwendig, so dass die Schwelle beim letzten ICD-Check auch weiter nach unten gesenkt wurde. Im jetzigen Zustand gibt es auch nachts keinen Grund, meinem Herz Tempo zu machen, selbst wenn es zeitweise die Schwelle von 40 SchlĂ€gen pro Minute unterschreitet.
De facto hat der ICD in seinem ersten Jahr also nichts zu tun gehabt.
Wie geht’s dem Herz denn so?
Gut. Bewegungstechnisch gibt es keinerlei EinschrÀnkungen, ich bin genauso belastbar, wie vorher auch. Nach der Implantation hat es gut vier Monate gedauert, bis ich tatsÀchlich wieder auf Leistung war, aber ich will nicht sage, dass diese vier Monate wirklich schlimm waren, es gab eher mental was zu machen. In diesen ersten Monaten muss sich zum einen das Herz erholen und zum anderen der Organismus an die Einnahme von Betablockern gewöhnen, so dass sich das alles nach und nach einspielt und dann auch funktioniert.
ĂrztemĂ€Ăig bin ich inzwischen auch auf einem Rhythmus, der das alles unterstreicht: Zum Internisten geht es zwecks groĂem Blutbild alle vier Monate, zum Kardiologen und zur ICD-GerĂ€tekontrolle alle sechs Monate. Da bei uns in Pforzheim leider kein Kardiologe direkt auch ICD-GerĂ€tschaften kontrolliert, sind die letzten beiden FĂ€lle getrennte Arbeiten, d.h. zur ICD-GerĂ€tekontrolle muss ich in Pforzheim ins Klinikum. Da dauert der Check zwar kaum lĂ€nger als eine Viertelstunde, dennoch wird man aber offiziell (ambulant) eingewiesen und kann locker mindestens eine Stunde Aufenthalt einplanen. Aber nun gut, gibt auch hier schlimmeres.
Andererseits: Es ist ein ziemlich gutes GefĂŒhl, wenn einem regelmĂ€Ăig das Blut komplett gecheckt wird und zusĂ€tzlich noch das Organ, das bei vielen Menschen unbemerkt viele Probleme macht und bei richtig groĂen Problemen ziemlich wenig Zeit auf Behandlung lĂ€sst. Man geht das Thema Herz und Herzkrankheiten ganz anders an und eigentlich kann man wirklich nur jedem empfehlen, sich sein eigenes Herz einfach mal untersuchen zu lassen, vor allem wenn man Rhythmusstörungen hat.
Wie geht’s dem Kopf so mit dem ICD in der Brust?
Auch bei diesem Thema wie das so ĂŒblich ist. Man muss sich nach der Implantation eines ICD eine ganz Weile mit dem Gedanken erst einmal anfreunden, da plötzlich ein GerĂ€t in der Brust zu haben, das nichts anderes wie ein Lebensretter sein soll, wenn es mal hart auf hart kommt, also zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern etc. kommen sollte. Das ist zwar weiterhin in meinem Fall so schnell nicht zu erwarten und war auch anfangs so prognostiziert, aber dennoch ist es eben eine Sache, die man mit sich ausmachen muss.
Mir geholfen hat Fachliteratur und die BeschĂ€ftigung zu diesem Thema allgemein. Leider ist es nach wie vor so, dass es zum Thema ICD, Defibrillation, Herzrhythmusstörungen etc. eine Menge geschriebenen Mist weit und breit gibt. EinschlĂ€gige Medizinforen sind fĂŒr solche Sachen kaum zu gebrauchen und sicherlich nichts fĂŒr Menschen, die etwas zur Hypochondrie neigen.
Moderne ICD-GerĂ€tschaften sind zuverlĂ€ssig und lösen nicht allenhalber Therapien aus. Die Entwicklung in diesem Bereich hat in den letzten Jahren gewaltige SprĂŒnge gemacht und macht es auch heute noch. Zudem werden bei Nachsorgeuntersuchungen die GerĂ€te regelmĂ€Ăig geprĂŒft und bei Bedarf auch umkonfiguriert und angepasst. Der Gedanke, dass es doch mal „knallen“ könnte, ist natĂŒrlich da, der ist allerdings inzwischen sehr weit hinten im GedĂ€chtnis. Im Laufe der Zeit gewinnt man durchaus Vertrauen in die moderne Technik, die man da mit sich trĂ€gt und möchte sie eigentlich nicht missen, wenn man in der Zeitung von TodesfĂ€llen aufgrund HerzstillstĂ€nden und dem Plötzlichen Herztod liest. Im Zweifelsfall steht man mit Kammerflimmern und ohne einen Defibrillator bzw. ohne jemanden, der einen externen Defibrillator (sofern vorhanden) bedienen will, ziemlich einsam da.
Wie ist es denn so im alltÀglichen Leben? Muss ich auf etwas verzichten?
Ich nicht. Tauchen ist nicht erlaubt und man muss bei allen AktivitĂ€ten etwas aufpassen, die eine dauerhaft starke Beanspruchung des linken Arms bedeuten, aber ansonsten gibt es keine EinschrĂ€nkungen. Und ich wĂŒsste jetzt auch nichts, was mir in den letzten 12 Monaten schwer fiel. Wenn man mal davon absieht, dass mit Betablockern die Herzleistung kĂŒnstlich in einer Art „KĂ€fig“ gehalten wird und das Herz nicht ganz so schnell losschlagen wird, wie es eine plötzliche Leistungsanforderung gern hĂ€tte.
In Sachen ICD ist es im ĂŒbrigen auch so, dass zwar jeder ICD-Hersteller vor magnetischen Feldern, Handys in der NĂ€he des Implantates warnen – passiert ist mir bisher nichts. TatsĂ€chlich stand ich (zunĂ€chst unbemerkt) vor einem mĂ€chtigen Gleichrichter, bin Elektroauto gefahren, hatte diverse Handys auf der „falschen“ Seite am Ohr, bin durch Diebstahlwarnanlagen gelaufen und es ist nichts passiert. Die heutige Technik der ICD ist hinreichend entwickelt, mit solchen Störfeldern offensichtlich zuverlĂ€ssig umgehen zu können. Man darf sich da nicht wahnsinnig machen lassen.
Einzige EinschrĂ€nkungen sind tatsĂ€chlich echte Magnete, die, wenn sie auf die Stelle gelegt werden, unter der der ICD implantiert ist, gewollt die Funktion des ICD unterbrechen (allerdings auch dann keine unkontrollierte Therapie o.Ă€. auslösen). Die Reaktion auf bestimmte MagnetstĂ€rken ist dabei gewollt, denn das ist letztendlich eine Möglichkeit zum eventuellen Stoppen von Therapieversuchen, wenn befĂŒrchtet wird, dass der ICD defekt ist und nicht notwendigerweise eine Therapie abgegeben hat. Sprich: Mit einem Magneten kann man den ICD vorĂŒbergehend „not-abschalten“. Keinen Magneten an die Brust hĂ€ngen zu sollen, ist aber jetzt nicht unbedingt eine echte EinschrĂ€nkung.
Und wie geht’s jetzt weiter?
(Ich stelle diese Frage ketzerisch, weil sie immer wieder tatsÀchlich so gestellt wird.)
Was soll weitergehen? Mein Herz schlĂ€gt weiterhin die allermeiste Zeit von allein und macht das auch so gut und zuverlĂ€ssig, wie bei den meisten anderen Menschen auch. Es kann theoretisch natĂŒrlich auch genau so in Herzflimmern ĂŒbergehen, wie das auch anderen Menschen passieren kann. Ich habe lediglich den Vorteil, dass ich den in so einem Fall dringend notwendigen Defibrillator schon dabei habe. Ăber die Definition „herzkrank“ lasse ich gern mit mir streiten, denn so einfach ist das nicht. Krank im Sinne von „krank“ bin ich jedenfalls nicht und der ICD ist, wie gesagt, nur fĂŒr den Fall der FĂ€lle da.
Es gibt also wenig, auf das ich jetzt warten mĂŒsste, um wieder „gesund“ zu werden. Die ursĂ€chlichen Herzrhythmusstörungen in Form des gelegentlichen Herzstolperns werden mich auch weiterhin begleiten, so wie das bei den meisten Menschen, die solches Herzstolpern haben, ebenfalls so bleibt und in den meisten FĂ€llen auch keine Auswirkungen auf deren Leben haben.
Ich bin also zwar bei mindestens drei Ărzten Dauerpatient und regelmĂ€Ăiger Besuch deren Praxen, aber so richtig krank bin ich nicht (was im ĂŒbrigen auch die Ărzte bemĂŒhen, so darzustellen). Es ist also alles vor allem eine Frage der Vorsorge und da stellt sich nicht die Frage, wann man wieder gesund „wird“, sondern wie man gesund bleibt.
Was kann man mit einem ICD besonders gut?
Ăber Gesundheit und ĂŒber sein Herz reden. Mir ist es in der Vergangenheit gar nicht so recht aufgefallen, wie wenig Platz unsere Gesundheit in unserem tĂ€glichen Leben hat. Wir wollen zwar alle gesund sein und bleiben, tun dafĂŒr aber gar nicht so wirklich viel und reden darĂŒber noch viel weniger. Wenn mich jemand fragt, wie es meinem Herzen geht, dann ist das immer aus dem Blickwinkel, dass ich da ja „irgendein Herzproblem“ habe.
So eine Frage tut mir nicht weh, aber ich stelle so eine Frage dann einfach gern auch mal andersherum: Wie geht es eigentlich deinem Herzen? Du hast Herzrhythmusstörungen? Warum gehst du nicht einfach mal zu deinem Arzt oder zu einem Kardiologen? Ein EKG ist schnell gemacht und ich empfehle dir auch gern einen meiner Ărzte, denen du einen GruĂ von mir ausrichten kannst usw. Gesund sein ist im Prinzip nur der Zustand, relativ wenig krank zu sein und sehr viel kann man da auch selbst beeinflussen, in beide Richtungen.