Das gefährliche Outsourcen der Steuerhoheit.

In der inzwischen unsäglichen E10-Thematik, bei der niemand mehr so richtig durchblickt, wer was wem aufgrund welcher Verfehlungen zu zahlen hat, ärgert mich ein Umstand, der sehr gefährlich für unsere Gesellschaft ist. Das leichtfertige Weggeben der Steuerhoheit an Unternehmen.

Da nun offenbar genügend Autofahrer in Deutschland tatsächlich so doof sind, nicht den günstigeren und weitgehend gleichwertigen E10-Kraftstoff in ihr Auto zu tanken, verkaufen die Mineralölkonzerne nachvollziehbar weniger E10-Kraftstoff und müssen sich auf „Strafzahlungen“ einstellen, die der Gesetzgeber festgelegt hat, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Gesamtmenge an verkauftem Kraftstoff nicht mit E10 gedeckt wird. Die Debatte, dass Mineralölkonzerne diese Strafgelder bei ihren Kunden einholen müssen, ist dabei selbstverständlich eine reine Scheindebatte, denn woher sollen diese Strafgelder denn auch sonst kommen?

Dass die Käufer von E10-Kraftstoff nun über die Hintertüre die Dummheit der Nicht-E10-Käufer bezahlen, ist dabei nur ein Nebenaspekt, der den eigentlichen Skandal geschickt übertönt: Diese Strafzahlungen, die ja direkt an den Staat gehen, sind nämlich nichts anderes wie verdeckte Steuern. Und diese Steuereinnahmen haben den überaus netten Charme, dass der Staat diese Steuern sehr bequem direkt von den Mineralölkonzernen erhält.

Und es geht weiter: Tatsächlich ist nämlich in diesem Fall nicht nur das Kassieren von Steuern sehr hübsch outgesourced, sondern auch gleich die Steuerhoheit.

  • Bewerben die Mineralölkonzerne den E10-Kraftstoff gut, haben sie logischerweise höhere Marketingausgaben, die sie mit einem Kraftstoff gegenfinanzieren müssen, der ihnen weniger Geld einbringt.
  • Bewerben die Mineralölkonzerne den E10-Kraftstoff nicht gut (und das tun sie aktuell offenkundig nicht), verkaufen sie weiterhin den teuren „normalen“ Kraftstoff, holen sich so einfach mehr Geld vom Kunden und kaufen sich damit frei. Und der Staat verdient auch gleich noch doppelt, nämlich mit den Strafzahlungen und den höheren Steuereinnahmen für den teureren „normalen“ verkauften Kraftstoff.

Der autofahrende Bürger ist – und das muss man sehr deutlich so sagen – in bester, neoliberaler Denke an die Mineralölkonzerne verkauft worden und die machen jetzt einfach das, was am billigsten für sie ist.


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Kommentare

9 Antworten zu „Das gefährliche Outsourcen der Steuerhoheit.“

  1. Avatar von Stefan S.

    „Dummheit“?

    E10-Verträglichkeit der Kraftfahrzeuge
    Der Großteil der Fiat Modelle […] ist E10-verträglich […].

    Ausnahmen sind folgende Modelle:
    […]
    – Bravo/Brava (Modellbezeichnung 182): 1.6 16V
    […]
    Modelle mit einem Baujahr vor 2000 sind nicht E10 Verträglich.

    Aber ansonsten hast Du wohl leider recht…

  2. Avatar von Gluecksstreber

    Hallo besim,

    nichts für ungut, aber hier muss ich dir widersprechen.

    1. E10 ist nicht wirklich eine tolle Sache und die Leute auch nicht alle dumm, doof oder irgendwie bescheuert. Das Produkt, von Bürokraten erdacht, vorbei an allen Regeln einer erfolgreichen Markteinführung und die Kundenbedürfnisse ignorierend, wird einfach oktroyiert. Man braucht sich jetzt auch nicht zu wundern, dass E10 kein Hit geworden ist.

    2. E10 ist auch kein Beispiel für „neoliberale Steuerpolitik“, sondern vielmehr ein hervorragendes Beispiel wie faschistische Wirtschaftspolitik funktioniert. Formal bleiben die Konzerne privat, sind aber in Wirklichkeit vom guten Willen des Staates abhängig. Über allem steht das staatliche Kommando. Die abstrakten Ziele lauten „ökologischer Umbau der Wirtschaft“, „Wachstum des BIP um 3,5%“ oder „40% Elektroautomobil-Anteil bis 2040“. Diesen Zielen hat sich die gesamte Produktion zu unterzuwerfen.
    Im speziellen Fall hat man jetzt einfach beschlossen, welcher Sprit zukünftig verkauft werden soll. Jetzt da sich herausstellt, dass das so nicht funktioniert, droht er mit Strafzahlungen.
    Ich kann beim Besten Willen nicht erkennen, wo irgendetwas outgesourced wurde.

    Freundliche Grüße

    1. Avatar von Besim Karadeniz
      Besim Karadeniz

      E10 ist mindestens so unschön, wie überhaupt vor allem eine Mobilität zu haben, die immer noch weitgehend darauf basiert, fossile Brennstoffe dazu zu vergeuden, egal ob nun E5 oder E10. Es ist ein fundamentaler Fehler, die zukünftige Entwicklung der Fortbewegung ausgerechnet in die Hände von Mineralölkonzernen zu geben, ob nun direkt oder indirekt. Genau das passiert aber mit dem Konstrukt – die Mineralölkonzerne haben lediglich die günstigste Form gefunden, die in vollem Umfang unausweichlich der Autofahrer bezahlen muss.

      1. Avatar von Gluecksstreber

        Niemand hat den Mineralölkonzernen irgendetwas in die Hand gegeben. Ihnen wird vielmehr auferlegt ein schlechtes Produkt zu veräußern oder Strafe zu bezahlen, die die sich naturgemäß durch die Autofahrer refinanzieren. Klar ist das ungerecht gegen uns Autofahrern, aber daran sind nicht die Mineralölkonzerne schuld, sondern der Staat.
        Es ist die Anmaßung von Wissen (pretence of knowledge), die das eigentliche Problem darstellt. Bislang gibt es keine Alternative gegen die fossile Mobilität, zumindest keine die sich im Massenidividualverkehr rechnet. Kommt Zeit, kommt Rat. Bislang hat die Menschheit es immer wieder geschafft aufgrund von Inovationen Techniken zu überwinden und zu verbessern.
        Achja, wo wir schon über die hohen Spritpreise klagen. Wieviel nimmt sich der Staat so bislang schon? 😉

        Freundliche Grüße

        1. Avatar von Besim Karadeniz
          Besim Karadeniz

          Es ist auch nicht die Schuldfrage, die hier das Problem ist. Die Schuldfrage ist klar, der Staat hat Schuld an dem jetzigen Zustand. Die Mineralölkonzerne haben, wie geschrieben, eben den günstigsten Weg gefunden, wie sie aus der Situation herauskommen. Und da sie vollständig selbst Herr der Lage sind und nach Gutdünken bestimmen können, E10 stärker zu vermarkten oder nicht, haben sie das Zepter so komplett in eigener Hand. Das ist der Punkt.

          1. Avatar von Gluecksstreber

            Das kann man den Mineralölkonzernen ja wohl kaum zum Vorwurf machen. Besseres Marketing wird ein schlechtes Produkt nicht zum Renner machen. Ob die Konzerne die geballten Marketingkosten anschließend einpreisen oder eben die Strafzahlungen ist im Endeffekt doch irrelevant, bzw. die Strafzahlungen werden dem Autofahrer am Ende wahrscheinlich günstiger kommen.
            Wenn es dem Staat wirklich Ernst wäre mit E10, müsste er das Konkurrenzprodukt einfach verbieten. Das wäre dann allerdings die schlechteste aller Lösungen. Am Besten wäre es den ganzen E10-Schwachsinn wieder rückabzuwickeln, aber das wird eine Utopie bleiben.

            Ich glaube soweit können wir uns auch einigen. Was aber das mit der „neoliberalen Denke“ zu tun haben soll, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Der ganze Vorgang ähnelt vielmehr, wie ich oben schon geschrieben habe, eher der Wirtschaftspolitik der Faschisten. Es ist sozusagen eine indirekte Planwirtschaft. Politisch wird entschieden wieviel E10-Sprit verkauft werden soll und wenn es nicht klappt muss halt eine Ausgleichszahlung her. Die Wirtschaft bleibt zwar formal privatwirtschaftlich kann aber nichts mehr tatsächlich gestalten. Dem Markt wird am Ende übel genommen, weil nicht das dabei rauskommt was sich irgendwelche Bürokraten dabei ausgedacht haben.

            Liberal wäre den Ordnungsrahmen zu stellen, an den sich jeder ausnahmslos halten muss und ansonsten die Wirtschaft Wirtschaft sein lassen.

            Freundliche Grüße

          2. Avatar von Besim Karadeniz
            Besim Karadeniz

            Nee, sorry, ich stimme dir weiterhin nicht zu. E10 ist nicht per se das schlechtere Produkt, E10 ist weiterhin ein Bestandteil eines Verbrennungskraftstoffes und der ist generell ein Problem. Ich bin auch nicht wirklich auf Konsens aus, mein Statement ist an sich nicht weiter zu untermauern. Wenn du das Statement nicht teilen kannst, dann ist das hiermit zur Kenntnis genommen, mehr aber auch nicht.

  3. Avatar von Claus

    Hallo Besim,

    Sehr guter Artikel. Trifft es ökonomisch betrachtet sehr gut. Deiner Aussage zu E10 muss ich allerdings – wie ja schon andere hier in den Kommentaren – vehement wiedersprechen und bitte Dich Deine Aussage zu prüfen:

    – Es ist bekannt, dass manche Autos höhere Verschleißerscheinungen durch E10 haben. Der Verschleiß des Autos müßte natürlich auch in die Klimabilanz einberechnet werden. Tut aber niemand.
    – Es ist bekannt, dass fast alle Autos einen höheren Verbrauch mit E10 haben und die Klimabilanz somit schlechter da steht als mit E5. Bei meinem Auto bspw.: 6 Liter Verbrauch mit E5 und 8,5 Liter verbrauch mit E10. Da braucht man kein Mathegnie zu sein, um zu erkennen, dass unter dem Strich mehr Benzin verbraucht wird.

    Und im Hinterkopf schwirren noch ein paar andere nurmehr wage Informationen, dass E10 ein großer Unsinn ist.

    1. Avatar von Besim Karadeniz
      Besim Karadeniz

      Zu deinem Punkt 1: Die Klimabilanz des möglicherweise höheren Verschleißes eines Fahrzeuges durch E10 lässt die gesamte Klimabilanz eines Autos nicht wirklich dunkler erscheinen – sie ist auch so mehr als dunkel. Mobilität ist kein Vorgang, der ohne Energieverbrauch einhergehen kann und je bequemer die Mobilität sein soll, desto übler wird es. Die Freigabe von Fahrzeugen für das Tanken von E10 ist aber mit der Feststellung verbunden, dass die 5 Prozent mehr Bioethanol einem Auto bei normaler Nutzung nicht mehr zusetzen, als beim Tanken von normalem E5-Kraftstoff.

      Zu deinem Punkt 2: Der Mehrverbrauch ist eine Geschichte mit sehr viel Interpretationsspielraum. Ein normales Auto verbraucht mit E5-Kraftstoff beispielsweise deutlich mehr als ein E10-betanktes Auto, wenn das E5-betankte Auto alle Fenster während der Fahrt geöffnet hat. Und das lässt sich dann alles immer weiter auffächern… Autos mit Heckspoiler, Autos mit Breitreifen, Autos mit Sportfelgen, eingeschaltete Klimaanlage, christbaumartige Vollbeleuchtung und so weiter. Auch so Läden wie der ADAC beschränkt sich in seinen Argumentationen gern auf Dinge, die Pro-Autofahrer sind und lässt einige andere Dinge schlicht unter den Tisch fallen.

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