Ist-Analyse der Presse im Internet-Zeitalter.

Fangen wir bei den Lösungsvorschlägen zunächst mit dem Schmerzvollen an, der Bestandsaufnahme. Was ist los in der Printwelt, warum geht da nichts? Mehrere Entwicklungen setzen dabei den Printmedien zu, aber fangen wir erst mal an, die neuen Player zu definieren:

Der Computer

Huch, wird sich da jetzt vielleicht der ein oder andere denken, der Computer ist schuld? Im Grunde genommen ist er das, denn viele Menschen sitzen tagtäglich vor einem. Der Büroangestellte, der Werkstattleiter, der Schalterbeamte, der Sachbearbeiter. Durch den Wandel in der Büroarbeit in den letzten Jahrzehnten ist der moderne Angestellte in einem Büro immer stärker zu einem Mensch geworden, der mehr und mehr telefoniert und am Computer arbeitet.

Das hat zwei Effekte:

  • Die Büroarbeit ist schnelllebiger und strukturierter geworden. Früher war es ein Sachbearbeiter, der von einem Vorgesetzten die Arbeit zugewiesen bekommen hat, heute ist der Vorgesetze in der modernen Büroführung meist nur noch der Verantwortliche. Zugewiesen wird die Arbeit durch den Ablauf im Büro. Bestes Beispiel: Kundenservice am Telefon. Gab es vor langer, langer Zeit mal einen menschlichen Dispatcher, so macht das Kollege Computer und kümmert sich weitgehend darum, Zuweisungen vorzunehmen.Das führt alles dazu, dass für den normalen Angestellten die mehrschichtige Arbeit nicht mehr nur die Ausnahme ist, sondern immer stärker Normalität. Wir sind es gewohnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. Natürlich nicht alles mit gleicher Priorität, aber gerade diese Organisation der Tagesabläufe, die weitgehende Ungewissheit bis zu Arbeitsbeginn, was heute alles anstehen wird, das ist keinesfalls schon immer so gewesen.
  • Der moderne Computer ist ein „diskretes Zwei-Wege-Kommunikationsgerät“ für den Angestellten (kein echtes Fachwort, aber mir fällt nichts sinnvolleres ein). Zum Vergleich: Die Schreibmaschine ist Oneway, damit kann ich nur schreiben, bekomme aber nicht sofort eine Antwort und kann damit schon gar nicht lesen. Das Telefon ist Zweiweg, allerdings nicht diskret: Wenn ich mir am Telefon Nachrichten vorlesen lasse, ist das für andere sichtbar.Man kann am Computer, Entschuldigung folgt gleich, Arbeit vorschützen. Das muss aber gar nicht unbedingt so sein, sondern ist möglicherweise eine Notwendigkeit. Was sich nämlich als Frühstückspause durch Werkstätten zieht, ist in modernen Büros so etwas wie auf den ganzen Tag verteilte „Mikropausen“, die man braucht. Zwischen zwei Tasks fünf Minuten, gut genug für einen Pausensnack (deren Marketing ebenfalls genau in diese Lücke schlägt) und gut genug, kurz abzuschweifen.

In der privaten Nutzung ist der Computer dank des Preisverfalls der letzten Jahre inzwischen ein übliches Gerät geworden. Ein Computer, vor zwanzig Jahren, als beispielsweise ich einen Computer von meinem Vater bekam, noch eine weitgehend exotische Angelegenheit in Arbeiterhaushalten, ist heute quer durch alle Gesellschaftsstrukturen und Altersklassen zu finden. Und dabei ist das eine atemberaubend schnelle Entwicklung gewesen, vor 15 Jahren haben wir auf dem Computer, der dann gern schon ein Pentium sein durfte, noch MS-DOS 6.2 und Windows 3.11 benutzt.

Das mobile Gerät

Immer häufiger sind dank mobiler Gerätschaften nun auch der Bus-, Taxi- und LKW-Fahrer (in den Pausen) und auch Menschen, die in Leerlaufzeiten unterwegs Langeweile verspüren, im Verlangen, diese Zeit nicht mit Däumchen drehen zu verbraten, sondern sich zu informieren oder zu unterhalten. Das, was früher das klassische Feld der Tageszeitung war, teilt sie sich nun mit MP3-Playern, auf denen Musik oder Podcasts gehört werden, tragbaren Spielekonsolen oder Smartphones mit Online-Zugang.

Mobile Geräte stopfen aber auch einen anderen, ureigensten Raum der Tageszeitung, den sie bis dato praktisch von Anfang an für sich beanspruchte und besondere Intimität mit dem Leser versprach: Nach dem Aufstehen. Einen Computer muss ich hochfahren, eine Zeitung ist geholt und „sofort da“. Ein mobiles Gerät ist aber ebenfalls sofort da und funktioniert im übrigen erheblich besser in einer engen Toilette, als die Zeitung.

Das Internet

Das Internet ist der Schlüssel für Computer und mobiles Gerät, weil es den Weg zur Nachricht im Gegensatz zur Zeitung umgekehrt. Nicht mehr ich gehe zur Nachricht, in dem ich die Zeitung kaufe, sondern die Nachricht kommt zu mir, nämlich immer dann, wenn ich genau jetzt gleich die Packung Nachrichten haben möchte. (Auf den Umstand von zeitungsartigen Nachrichten und Live-News komme ich noch zu sprechen). Der Konsum von Nachrichten verschiebt sich immer weiter weg vom zeitlich genau eingepassten Ritual hin zum ständig tröpfelnden, aber hochkonzentrierten Mikro-Konsum.

Nächster Schlag für die Tageszeitung ist der Wettbewerb: Als Abonnent der klassischen Tageszeitung habe ich Auswahl über zwei Lokalzeitungen und vier überregionalen Zeitungen. Aber schon mal probiert, auf dem Land die USA Today zu abonnieren? Selbst wenn ich sie kaufen wollte, was tagesaktuell sogar geht, da sie in Deutschland gedruckt wird, muss ich zum Hauptbahnhof fahren. Im Internet ist sie immer da, selbst abends, wenn sie im Bahnhofskiosk dann schon wieder ausverkauft ist und eigentlich auch nicht mehr interessant, da in den USA schon die nächste Ausgabe am Start ist.

Der Konsument stellt sich mithilfe des Internets seinen ganz eigenen Nachrichtenmix zusammen, den er früher, vor dem Internet, dadurch herstellte, in dem er in seiner Tageszeitung bestimmte Teile gar nicht las, eine zweite Zeitung hatte oder die Lücke mit einer Fachzeitschrift füllte. Die Packung Aktuelles bekam er über das Radio und den Tagesabschluss per Tagesschau. Heute ist das Internet von morgens bis abends am Start.

Wir konkludieren:

Die klassische Tageszeitung kämpft also auf mehreren Fronten gleichzeitig:

  • Sie hat viel weniger exklusive Zeit zur Verfügung, um Menschen zu informieren/unterhalten.
  • Sie steht selbst als Lokalzeitung plötzlich in einem globalen Wettbewerb, obwohl sie erstaunlicherweise keine lokale Konkurrenz hat beziehungsweise die lokale Konkurrenz an den gleichen Problemen leidet.
  • Sie verliert mit aktiven, berufstätigen und gebildeten Menschen vor allem die Kundschaft, die für Anzeigekunden am interessantesten ist.
  • Ihr läuft der Anzeigenmarkt weg, der für viele Werbeformen im Internet bessere und zielgruppenspezifischere Wege findet.
  • Sie ist das Medium, das mit dem Papierdruck mitunter die höchsten Produktionskosten hat, den längsten Vorlauf für das fertige Produkt und den starrsten Distributionskanal.

Weiter geht es im nächsten Artikel dann nochmal mit Schmerzen, nämlich mit dem, was viele Zeitungen im Internet bisher veranstaltet haben und wie sie damit jeden Tag wieder und wieder ihr Versagen in die Online-Welt senden.


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Kommentare

3 Antworten zu „Ist-Analyse der Presse im Internet-Zeitalter.“

  1. Avatar von Matthias Noortwijck
    Matthias Noortwijck

    Interessante Analyse, bin schon gespannt auf den nächsten Artikel.

  2. […] 2009 | Veröffentlicht in MedienWelt Teil 3 der Lösungsvorschläge ist nochmal eine Ist-Analyse, diesmal aber spezifisch auf das, was Printmedien im Internet veranstalten. Ist leider auch nochmal […]

  3. […] Ergebnis dieser Stufe. Es geht in Sachen papierne Zeitung ums Eingemachte. Und das, was ich mal vor über zwei Jahren skizziert hatte, tritt nun ein. Es wird eng und eigentlich ist die letzte Gelegenheit, einen fast schon […]

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