Ein Wort zu “Censilia”.

Alles eine Frage der Zeit gewesen, bis die Thematik der Online-Sperren in der Europapolitik landen. Was Ursula von der Leyen genügend Gesichtsfarbe gekostet hat und in Deutschland vorläufig auf Eis gelegt ist, ist in skandinavischen Ländern schon seit längerem gang und gäbe und da ist es irgendwie kein so rechter Zufall, dass die EU-Kommissarin Cecilia Malmström Schwedin ist und als oberste Hampelfrau der EU-Innenpolitik genau dieses Thema mit einem Entwurf zu Online-Sperren in die Europapolitik katapultiert.

Von den Details ist ist Faktenlage wie gehabt: Es geht darum, wie man Kinderpornografie im Internet bekämpft. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass man doch bitteschön bei den Anbietern anfängt und zuschaut, dass entsprechende Server aus dem Internet verschwinden. Der Politiker/Hardliner/Internetausdrucker sieht das natürlich alles anders und glaubt, man müsse das Internet-Rohr auf der anderen Seite zumachen, bei den Providern. Und so weiter und so fort. Idiotie, Lobbyismus, Unwissenheit, Faulheit und dreiste Lügen tun alles ihr übriges, aber zumindest die meisten dieser Eigenschaften ist man von moderner Europapolitik ja fast gewohnt. Der fertige “Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/687JI des Rates” ist so ein bemitleidenswert entsetzliches Machwerk. Sieht wichtig aus, enthält auch genügend Sprengstoff, der aber vornehmlich gegen den gesunden Menschenverstand verwendet wird.

Nun also Cecilia “Censilia” Malmström, Schwedin, EU-Kommissarin für Innenpolitik und einer der verkappten und mäßig begabten EU-Möchtegern-Rockstars, die außerhalb der EU-Regierungsbannmeilen kein Schwein kennt und insgeheim von den meisten Nationalregierungen der EU-Staaten auch nicht gern im eigenen Haus gesehen werden wollen. Sicherlich alles hochgebildete Menschen, denen es allerdings gern an einer wie auch immer gearteten Verbindung zu einer Partei- oder mündigen Bevölkerungsbasis fehlt – wenn man in vielen EU-Staaten überhaupt von einer Partei- oder in die politische Arbeit eingebundenen Bevölkerungsbasis sprechen kann. Europapolitiker sehen die Basis gern in den Politikern in den EU-Mitgliedsstaaten, was an sich schon das Grundproblem der Europapolitik darstellt.

Im Falle von Online-Sperren übernimmt die Europäische Union wieder das übliche Spiel mit der raschen und zuverlässigen Behandlung von Drecksjobs. Bekommst du als nationaler Politiker oder Partei etwas nicht durchgesetzt, dann nimmst du es vermeintlich reumütig zurück, lässt etwas Gras darüber wachsen, übergibst es an deine Parteifreunde in den Fraktionen im Europaparlament, die alle irgendwo in den wildesten Arbeitsgruppen Gesetze mit der Laubsäge aus Wörterbüchern schneiden und lässt sie den Entwurf basteln. Da müssen sich dann schon bedeutend unbekanntere Leute darüber den Kopf zerbrechen, denn während in den nationalen Parlamenten noch so etwas wie Opposition existiert, die zumindest ihre Wählerschaft zufriedenstellen muss, herrscht im Europaparlament hinter dem Showroom oftmals erstaunliche Harmonie zwischen den Fraktionen. Warum auch die Stimmung verderben, wenn man nicht ganz so im Rampenlicht steht wie im deutschen Bundestag, dem britischen Unterhaus oder der französischen Nationalversammlung? Ohne Grund muss man sich ja die eigene Haustüre nicht schmutzig machen und wenn man gut zum politischen Wettbewerber ist, zertrampelt der auch die Begonien nicht. Das ist in Europa nicht anders, als in der gediegenen Landespolitik eines föderal aufgebauten Staates.

Ergebnis: Europa manifestiert weiter erfolgreich sein Image als Hassobjekt, als realitätsferne Retortenregierung, beheimatet in Trabantenstädten und emsig bevölkert von zehntausenden Dolmetschern, Aktenträgern, Fahrern und Lobbyisten. Man macht die Drecksarbeit der Hardliner, gießt das in EU-Richtlinien, die von den Mitgliedsstaaten dann in nationales Recht umgesetzt werden sollen und schon kann der Politiker in den einzelnen Staaten vortrefflich hinter der vorgehaltenen Hand jammern, dass Europa daran Schuld trägt.

Jetzt kommt doch sicherlich die Frage, Besim, warum schreibst du eigentlich nicht etwas zu eigentlichen Thema? Ganz einfach: Ich mag nicht. Ich kann moderne Europapolitik nicht ernst nehmen. Ich sehe mich zwar als festen Europäer, der mit beiden Beinen in der Landschaft steht und offene Grenzen gut findet. Das ist aber alles nicht das Ergebnis der jetzigen Garde von Europapolitikern, für die Europa einfach nur ein perfekter Job auf Lebenszeit ist, sondern von Leuten, denen die Idee wichtiger war, als die Pensionsansprüche.

Sorry an alle die Freunde von mir, die da draußen in Straßburg, Luxemburg und Brüssel in den seelenlosen EU-Mutterschiffen arbeiten und ihr Geld verdienen – ich beneide euch nicht.


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2 Antworten zu „Ein Wort zu “Censilia”.“

  1. […] Afrika, der Kontinent der Kinderporno-Hoster? 30. März 2010 | Veröffentlicht in Netzpolitik Dass die Hardliner der Union sich wie die Fliegen auf den Entwurf für europaweite Online-Sperren (“Censilia”) im Namen der vermeintlichen Bekämpfung von Kinderpornografie stürzen, war so klar wie eine wolkenlose Vollmondnacht. Den üblichen Weg, wie Drecksjobs in der Europapolitik landen, hatte ich ja schon gestern schematisch dargelegt. […]

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