Domain Name System – und der Zaster siegt.

Über das Domain Name System zu schreiben, ist schon seit einigen Jahren eine Geschichte, die sich in zwei immer grundsätzlicheren Aspekten auftrennt: Die reine Technik zum Domain Name System, also die Namensauflösung, das Bilden von DNS-Zonen, nslookup, BIND und so weiter. Das ist alles recht ausgefeilte, auf Dezentralität ausgerichtete Technik, inzwischen gemütliche zwei Jahrzehnte alt und nach wie vor einer der intelligentesten Erfindungen, die das Internet erst so nutzbar machen, wie wir es kennen.

Der andere Aspekt ist das, womit die meisten Nichttechniker zu tun haben, den Domain-Namen. Also so Sachen wie netplanet.org, die sich bei Registrierungsstellen bzw. bei Internet Providern für mehr oder weniger viel Geld registrieren lassen und die als Basis für jegliche sinnvolle Technik dient, bei der Menschen möglichst verständlich Namen in ihren Webbrowser eintippen können sollen.

Die letztere Welt ist schon seit langem eine kaputte Welt, bei der es nur um Gewinnmaximierung geht. Alles aufzuzählen, was mit der Neueinrichtung von Top-Level-Domains zusammenhängt, hier aufzuschreiben, wäre ein Werk, das mich locker bis zum Ende des Jahres an Arbeitszeit kosten würde. Ständig prallten zu diesem Thema die Ansichten von Technikern, Politikern, Rechtsanwälten, Geschäftsleuten und auch raffgierigen Geschäftemachern aneinander und zustandegekommen ist hier nicht wirklich viel außer vier Handvoll neuer Top-Level-Domains. Und schon diese wenigen generischen Top-Level-Domains wie .com, .net, .org, .info oder .biz haben vor allem eines gezeigt. Der Namensraum ist nach wie vor unendlich, die Großunternehmen registrieren für jedes Geld dieser Welt ihren Domainnamen, kleinere Unternehmen suchen sich mitunter die Finger wund und der Rest fischt herum.

Der Ausverkauf der Namensräume

Nein, die Domain-Welt ist kaputt. Und mit der heutigen Entscheidung der ICANN, dass die Neuanlage von weiteren Top-Level-Domains letztendlich nur noch eine Frage ist, ob der Registrar, der das möchte, rund 200.000 US-Dollar auf den Tisch legt, ist nicht nur die Domain-Welt vollens auf dem Weg in den Eimer, sondern auch das Domain Name System. Und das nicht nur deshalb, weil der Zaster über die Technik siegt.

Sondern weil der Zaster über die Übersichtlichkeit siegt. Werden Sie zukünftig noch problemlos erkennen können, ob Ihre Bank unter dem Namen “ihrebank.de” zu erreichen ist oder unter “ihre.bank”? Oder “ihrebank.banken”? Oder “ihrebank.de.web”? Technisch sind das alles unterschiedliche Namensräume und mit der völligen Freigabe des Top-Level-Namensraumes auch letztendlich nur noch eine Frage der Zeit. Unternehmen werden sich zukünftig bei immer mehr Domain-Dienstleistern und Registraren um Domain-Registrierungen bemühen müssen. Dass nun vermutlich ein neues Berufsbild eines “Domain-Namen-Kaufmannes” entstehen könnte, der nichts anderes macht, als Domain-Namen zu registrieren, ist ein bizarres Seitenstechen, über das man noch verkrampft lachen könnte.

Das Ergebnis wird jedoch sein, dass niemand mehr wirklich weiß, was er so eintippt, wenn er nicht genau die Adresse abtippt. Suchmaschinenergebnisse werden zwar weiterhin genau sein, die Interpretation bleibt jedem Benutzer allerdings selbst überlassen. Der Mißbrauch mit gefakten Domain-Namen wird anwachsen und die Gegenmaßnahmen werden davon abhängig sein, ob der Verwalter einer bestimmten Top-Level-Domain flott ist oder auch nicht. Auf Namensstreitigkeiten spezialisierte Rechtsanwälte werden heute vermutlich vor Glück stundenlange Freudentänze aufgeführt haben. Ja, sicherlich, man könnte den Worten der ICANN, dass die jetzigen Entwürfe für zukünftige Registrare auch erweiterte Regelungen für den Markenschutz beinhalten, aber Markenverletzungen muss man ahnden. Selten hat die Branche der Juristerei so einen Becken mit ewig nachwachsendem Frischfisch vor die Tür gestellt bekommen, wie nun.

Ob nun nach dieser Einbiegung in die Einbahnstraße alles gut wird, bleibt abzuwarten. Zumindest ist die jetzige Entscheidung der ICANN eine Kapitulation vor den letzten Versuchen, eine noch ansatzweise erkennbare Regulierung in der Domain-Welt beizubehalten. Und wir lernen, dass man die Domain-Welt also durchaus noch kaputter bekommen kann, als es schon heute ist. Das Domain Name System wird sicherlich nicht zusammenbrechen. Es wird jedoch mit ziemlicher Sicherheit die Online-Welt ein Stück unübersichtlicher machen, als sie es in den nächsten Jahren mit der großflächigen Migration auf IPv6 und den damit verbundenen milliardenschweren Investitionen schon wird. We will see.


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Kommentare

2 Antworten zu „Domain Name System – und der Zaster siegt.“

  1. Avatar von David

    Kann das Problem nicht wirklich nachvollziehen, es gibt bereits verschiedene TLD’s, es werden mehr werden, na und?

    Für große Unternehmen ändert sich im Grunde nichts, außer das sie jetzt bei mehr TLD’s ihre Marke anmelden müssen, wenn Sie es denn wollen: $automarke.film oder $discounter.bank macht ja wohl wenig Sinn.

    Für kleine Unternehmen dürfte es eher leichter werden freie Domains zu finden, gerade bei generischen Berufsbezeichnungen. Der Arzt aus Berlin wird vermutlich kein Interesse an $Arzt.hamburg haben wird. Gleiches gilt für Personen mit häufig vorkommenden Nachnamen.

    Problematisch könnte die Einführung von Markennahmen als TLD werden. Das dürfte aber für das DNS auch relativ egal ist und die meisten Leute wenig tangieren wird, da $Automarke die Registrierung wohl kaum für alle öffnen würde. Andererseits macht es wenig Unterschied ob die Domain jetzt $automarke-$ort.TLD lautet oder $ort.$automarke.

    Was die Bank angeht – wie Phishingseiten zeigen, existiert das Problem schon heute – aber a) haben wahrscheinlich viele ihre Bank-URL entweder als Lesezeichen oder im Verlauf und b) achten dadurch vielleicht mehr Leute auf die richtigen Zertifikate (die Banken normalerweise haben).

    Schlussendlich ist es doch so, die Anzahl an sinnvollen (d.h. kurzen, einprägsamen) Domains ist begrenzt, aber mehr Leute/Unternehmen wollen/brauchen eigene Webseiten, mehr TLD’s eröffnen die Möglichkeit für neue, kurze Domains. IMHO wird es folglich nur unübersichtlicher werden, weil mehr Seiten parallel existieren, aber das kann grds. ja auch gut sein.

    (EDIT: Satzzeichen)

    1. Avatar von Besim Karadeniz

      Global tätige Unternehmen werden ihren “Spaß” haben, denn ihre Marke werden sie, je nachdem, wo sie tätig sind, tatsächlich auch in branchenfremden Top-Level-Domains verteidigen müssen. Zudem wird auch die Frage interessant, ob Top-Level-Domains immer nur englisch sein müssen oder nicht auch in anderen Sprachen lauten dürfen (was so vorgesehen ist). Dann plötzlich viele bankenspezifische Top-Level-Domains? Welche ist denn die “echte”?

      Wäre das Thema Phishing im Griff zu halten, dann müsste es ja heute eher besser sein, als es heute ist – ist es aber nicht. Es gibt genügend Menschen, die das mit den Adressen nicht auf die Reihe bekommen, die Zertifikatsthematik sowieso und Angriffe, die gar nicht darauf abzielen, dass jemand eine Phishing-Site direkt eingibt, sondern die beispielsweise die lokale hosts-Datei manipulieren, werden noch weniger nachvollziehbar für den Benutzer, als es heute schon ist.

      Wohin das alles führt, kann ich auch nicht sagen, aber ich befürchte, dass es komplex wird und die Hersteller so genannter “Sicherheitssoftware” glückliche Tage erleben werden.

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