Sprechen und integrieren.

Als Deutscher mit Migrationshintergrund bin ich mit den größten Hürden der Migration bestens bewandert. Zum Teil weil ich viele Migranten kenne und natürlich auch, weil ich selbst mit genügend Situationen mit Migrationshintergrund konfrontiert werde. Dass sehr viele Migrationsprobleme vor allem einen einzigen Grund haben, dürfte einleuchtend sein: Die gemeinsame Sprache. Ich zeichne den „normalen Problempfad“ hier mal auf:

Name und Mensch.

Wenn ich mit Menschen im Internet Kontakt aufnehme, passiert das vornehmlich per E-Mail oder anderen Übermittlungssystemen, die schriftliche Nachrichten transportieren. Und wenn man auf diese Weise kommuniziert, fällt dem Empfänger als erstes immer der Name des Absenders ins Auge. Der ist in meinem Falle, kaum zu übersehen, nicht urdeutsch, sondern klingt zuerst einmal ausländisch. Osmanisch. Türkisch. Manchmal geht auch Albanisch durch, gelegentlich auch mal Griechisch.

Daraus bildet sich der Empfänger immer schon ein erstes Bild. Der Mensch, von Natur aus immer bemüht, möglichst schnell eine Einschätzung einer Lage zu bekommen, kann da gar nicht anders. Nun gibt es hier zwei grundsätzliche Arten, wie man als Absender einer Information an diese Situation herangeht: Ich kann diesen Vorgang negativ sehen und als Hürde, die mich als türkischstämmigen Menschen bei einer Kontaktaufnahme oder einem Geschäft benachteiligt oder ich kann diesen Vorgang positiv sehen und als Chance, diese Kontaktaufnahme einzigartig zu machen. Den Begriff „Alleinstellungsmerkmal“ kann man so oder so sehen.

Eine echte Benachteiligung …

Wo man als Migrant eine echte Benachteiligung spürt, ist bei der Sprache – nämlich immer dann, wenn man sie kann oder nicht. An sich bringe ich ein weitgehend treffsicheres Wissen an deutscher Rechtschreibung und Grammatik mit und das ist bei Migranten bzw. bei Menschen mit nicht völlig deutschem Namen wichtig. Wichtiger als bei einem Otto Normalverbraucher. Bringe ich im Geschäftsleben eine flapsige Rechtschreibung mit – und eine schlechte Rechtschreibung kann man durchaus von Flüchtigkeitsfehlern unterscheiden – geht das sofort auf das Minuskonto.

Ebenso geht es gerade bei Akquisen dann darum, sich an Verfahren nochmal eine Portion pingeliger zu halten, als üblich. Wenn ich bei einer Kaltakquise schreibe, dass ich mich in den nächsten Tagen telefonisch melden will, muss ich das zwingend auch in den nächsten zehn Tagen tun. Von Migranten wird mitunter eine noch etwas „deutschere“ Einstellung im Geschäftsleben erwartet. Sagen tut das selbst selbstverständlich niemand.

… als echter Vorteil.

Aber, das ist nun das Alleinstellungsmerkmal: Wenn die Sprache im Geschriebenen sitzt und dann auch das telefonische Nachfassen als Fortführung zum Schreiben funktioniert, das vielleicht sogar „kanak-sprach-frei“ und in der völlig üblichen Art von Smalltalk, wie man es von einem guten Telefonmenschen erwartet, dann geht die Benachteiligung sofort als Bonus auf und zwar in doppelter Ausführung. Der Anrufer hat sich in der Regel etwas anderes als Stimme vorgestellt (sagt das natürlich auch in den seltensten Fällen) und jede Art von Normalität geht spätestens in Verbindung mit einem nicht ganz üblichen Namen als positiver Wert in die Erinnerung, wenn man es sich nicht wirklich mit einem groben Schnitzer selbst verscherzt.

Sprich: Die zunächst eher als Benachteiligung empfundene ausländische Herkunft kann man sehr einfach zu einem echten Vorteil ausarbeiten und muss dafür keinen Cent mehr investieren. Das funktioniert – so meine Erfahrung – weit über die Grenze des Visitenkartenäquators hinaus. Die Mnenmonik des menschlichen Verstandes, also das Bilden von Eselsbrücken zum Speichern von Informationen im menschlichen Verstand, ist mit solchen Kombinationen von Namen, Schreiben und Handlungen besser, als mit dem Abheften von Visitenkarten.

Die Ich-Marke.

Ein Freund von mir ist Macit Karaahmetoglu. Der Nachname ein echter Zungenbrecher, er selbst Rechtsanwalt mit eigener Großkanzlei in Ditzingen mit über zehn Rechtsanwälten. Nach Rechtsanwalt Karaahmetoglu kann man natürlich auch im Telefonbuch suchen, aber es geht auch mit „türkischer Anwalt aus Ditzingen“. Oder „Presserecht Stuttgart“. Oder „Anwalt mit eigener Kolumne in der türkischen Tageszeitung Hürriyet“. Oder „türkischer Bundestagskandidat“.

Er muss gar nicht stimmgewaltig sein oder die buntere Visitenkarte haben, sondern es muss eine echte Sprachgewalt mitbringen, die dafür sorgt, bei richtiger Anwendung und dem richtigen Selbstmarketing einen ganz eigenen und unverwechselbaren Werbeeffekt zu erzeugen. Wofür andere mitunter viel Geld investieren, um eine eigene, unverwechselbare Marke aufzubauen, kann man mit einem sinnvoll eingesetzten Migrationshintergrund und dem Willen, den eben auch „anders“ einzusetzen, punkten und Marken-Building betreiben.

Also: Die Basis allen Tuns ist die einheitliche Sprache. Kann man die, dann ist der Weg frei, diese auch umfänglich einsetzen zu können. Dann spricht man besser, dann schreibt man besser – dann kommuniziert man besser. Und dann muss man an sich nur noch das tun, was man gern tut und sich regelmäßig vor Augen halten, dass man etwas anders darüber zu sprechen hat, als der Bauch das vielleicht tun würde.


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