Daniel Baulig hat in seinem Blog namens blinzeln insgesamt 23 Gründe, warum man die Piratenpartei wählen sollte, aufgezählt. Weil mich solche „Top-10-Listen“ immer anspornen und ich bei argumentativen Selbstbefriedigungen von Parteijüngern eine gewisse Herausforderung erleide, erlaube ich mir mal, die 23 Thesen von Daniel auseinanderzudividieren:
- „Die PIRATEN sind die einzige aufrichtige Partei“
Also die Definition „aufrichtig“ ist für mich nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Aufrichtig in Form von „wir halten zusammen“? Das können andere Parteien nachweislich auch, sonst wären sie keine. Aufrichtig in Form von „wir tun, was ihr Volk gern haben wollt“? Dann erinnert mich das mit so einer Formulierung an Parteien in Spektren, die ich auch nicht gern habe. Ansonsten? Bitte mal Aufklärung! - „Die PIRATEN machen als einzige Partei ernst zu nehmende Netzpolitik“
Das ist so erst einmal nicht korrekt. „Ernstzunehmend“ hieße, dass etwas passiert oder die Lösungsvorschläge plausibel sind. Bisher passiert ist nichts, plausibel sind die Lösungsvorschläge in vielen Fällen leider gar nicht. Viele Forderungen erinnern mich eher daran, dass man einfach mal eben wieder alles abschaffen sollte, was böse ist. Das ist ja sicherlich schön gebrüllt, nur: Mit welcher Mehrheit will man das durchsetzen? Ein Parteiprogramm schreibe ich euch auch schnell mal, aber ein durchsetzbares Parteiprogramm, das ist wohl die Kunst. Im übrigen wollen wir hier mal nicht außen vor lassen, dass mit der Netzpolitik die SPD schon Mitte der neunziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts angefangen hat. - „Die PIRATEN machen als einzige Partei ernst zu nehmende Bürgerrechtspolitik“
Siehe oben. Ich sehe noch nichts, was die Piratenpartei geschafft hat und ich sehe auch nicht, dass die Piratenpartei irgendeinen Mandatsträger hat, der aufgrund dieser Ideologien in das Mandat gewählt wurde. Reden wir darüber, wenn es soweit ist. - „Die PIRATEN haben als einzige Partei den Kurs unseres Staates in Richtung Überwachungsstaat erkannt“
Bullshit, das haben andere Parteien auch. Das haben auch die Parteien erkannt, die regierend entsprechende Maßnahmen verabschiedet haben, denn Parteien bestehen nicht aus einem homogen dastehenden Volk, das den Arm immer dann hebt, wenn der Vorsitzende dazu aufruft. - „Die PIRATEN sind dynamisch, nicht so stark ideologisiert wie klassische Parteien“
Abwarten und Tee trinken. Die Piratenpartei hat, wie jede andere Partei, erst mal ein paar Wahlniederlagen vor sich. Dann kommen interne Flügelkämpfe, vernichtende Parteitage, amoklaufende Kreisverbände, seltsame Gestalten und so weiter und so fort. Noch sind in der Piratenpartei fast alle jung, aber lass die mal älter werden und neue Junge nachrücken, dann geht es da so rund, wie heute bei den Grünen, die beispielsweise in Baden-Württemberg in Sachen Erzkonservatismus der CDU in fast nichts nachstehen. - „Die PIRATEN repräsentieren die neue Generation, die Generation C64 oder Digital Natives“
Derzeitige Selbstdarstellung, mehr nicht. Es wird eine sehr interessante Frage bleiben, ob sich Digital Natives zukünftig weiterhin nur um „ihren“ digitalen Raum kümmern oder auch aktiv mit Ideen an Themen arbeiten wollen, die man vielleicht nicht gern macht, beispielsweise die Frage, wie man es mit dem Generationenvertrag zukünftig halten möchte. - „Die PIRATEN haben kein Allheilmittel für alle Gesellschaftlichen Probleme – genau wie die anderen Parteien – aber wenigstens stehen sie dazu.“
Und das ist in meinen Augen genau das gleiche Armutszeugnis. Wir können es auch nicht, also spielen wir das laue Lied mit. Und ihr glaubt tatsächlich, dass diese Aussage nicht das Hauptargument eurer Kritiker werden wird? - „Die PIRATEN sind wirklich basisdemokratisch.“
In allen demokratischen Parteien herrscht eine Basisdemokratie vor, die auch zwingend gegeben sein muss. Dass es in einer größeren Partei mitunter schwieriger ist, einen Antrag von ganz unten nach ganz oben zu bekommen ist, ist ein anderes Thema, das man jedoch keinesfalls als ein Mangel an Basisdemokratie verstehen darf, wenn man nicht sich oder andere belügen will. Ja, da habe ich schon so manch Stuss an Infoständen der Piratenpartei gehört. - „Jeder kann bei den PIRATEN mitmachen, selbst ich, der noch kein Mitglied ist.“
Auch eine Frage der Zeit, wie lange sich ein Vorstand von Außenstehenden auf der Nase herumtanzen lassen wird, wenn es themen- oder personalkritisch wird. Das sehe ich an dieser Stelle ganz pragmatisch. Der Hang zur Macht und zum Machterhalt ist im Menschen drin, dagegen hilft auch eine Piratenpartei nicht. Und letztendlich muss auch irgendwann eine Piratenpartei – wenn sie denn erfolgreich werden will – einen Mitarbeiterapparat bezahlen, Werbemittel einkaufen, Strategien planen und das kostet Geld. Wenn alle Mitglieder einfach mal kein Geld mehr bezahlen, dann ist es um jede Partei geschehen. - „Die PIRATEN vertreten moderne Politiksysteme (z.B. Liquid Democracy)“
… die sich zugegebenermaßen recht nett anhören und anlesen, mit der Realität jedoch nicht wirklich viel zu tun haben. Überall, wo es Machtinteressen gibt, gibt es Mittel und Wege, dies durchzusetzen. Ich bin zwar auch ein großer Fan von Crowdsourcing und ähnlichen Konzepten, weiß aber allerdings auch, dass Geld und Mittel oft genug das ihrige tun, um Meinungen zu manifestieren. So lange eine Gesellschaft nicht aus überproportional intelligenten Menschen besteht, die sich ihre Informationen tagtäglich zusammensuchen, selbst bewerten und regelmäßig ihre politische Erdung so überprüfen, dass sie jederzeit eine Wahlempfehlung ausgeben können, ist die Idee von Liquid Democracy eine tote Idee. Punkt. - „Die PIRATEN machen einen hervorragenden Wahlkampf – vor allem im Netz.“
Das ist in meinen Augen eine vorübergehende Erscheinung aufgrund dessen, dass die anderen Parteien online teilweise wirken, als ob sie 50 Jahre hinterherhinken. Dazu kommt, dass die Piratenpartei eine neue Erscheinung ist und ein ganz starkes Thema praktisch für sich vereinnahmen kann, die Generationenfrage. Das macht sie für junge Menschen, die sich grundsätzlich eher nicht mit Parteiengedöhns auskennen, sich eigentlich auch gar nicht beteiligen wollen, sie aber nun mal in Social Networks sind, in denen man mit einem Klick so tun kann, als ob man die Welt bewegt, so sexy. Problem: Die nächste Generation, die das wiederum hinterfragt, spielt bereits Lego und steht in den Startlöchern. - „Die PIRATEN wollen die Privatkopie wieder legalisieren.“
Schön, finde ich auch nicht schlecht. Zuerst einmal wäre es aber schon mal gut, zu definieren, dass die Privatkopie eigentlich nach wie vor legal ist und man dafür kämpfen sollte, dass das eben auch so bleiben soll. Feinheiten. - „Die PIRATEN treten für OpenAccess und offene Formate ein.“
Schön. Regelt der Markt ja inzwischen immer stärker von selbst, weil sogar so Firmen wie Microsoft begriffen haben, dass Interoperabilität mittelfristig Marktanteile stärken kann. Und, was bleibt von diesem Argument, das ja letztendlich auch ein marktregulierendes Instrument würde? Nichts. Man lebt davon, dass sich vor vielen Jahren einige Menschen auf Dinge geeinigt haben, die halt heute auch noch funktionieren. Zum Beispiel das Internet. - „Die PIRATEN stehen auf den Schultern von Riesen.“
Nicht verständlich, verstehe ich nicht. - „Pirates > Ninjas“
Siehe oben. - „Sid Meier’s Pirates! ist ein erstklassiges Spiel!“
Darüber kann man streiten. Mir haben Sid Meiers Spiele nicht gefallen, weil sie realitätsfern waren und die Simulationen schnell durchschaubar. Oder sie waren derart komplex, dass es dann schon wieder nur teilweise spaßig war, weil man länger die Strategien verstehen musste, als Zeit blieb. Ich erinnere da an Sid Meiers’s Railroad Tycoon. - „Die PIRATEN sind extrem – extrem innovativ!“
Zumindest machen die Piraten Dinge, die ich gut finde. Dazu gehört die Idee eines zentralen Wikis, das auch noch nach Monaten offenbar funktioniert und die derzeit starke Mitgliedermotivation. Zugegeben, ich kenne die Generation Grüne nicht, so dass ich deren Gründerzeit nicht kennenlernen konnte, aber ich gehe davon aus, dass das ähnlich ist. Es ist halt einfacher, eine Partei zu gründen, als eine Partei zu reformieren. - „Die PIRATEN haben ein Floß!“
… hübsch. - „Die PIRATEN treten ein für Jugendkultur in Form von Paintball und sog. „Killerspielen”“
Das tun andere auch, wobei man der Fairness halber dazu sagen muss, dass sich andere Parteien nicht sonderlich dafür eingesetzt, sondern eher hinterfragt haben, in welchem Zusammenhang solche Spiele mit Gewalttätigkeiten in der Realität zu tun haben sollen. Halte ich dann schon für einen wichtigeren Ansatz. - „Die PIRATEN haben, im Gegensatz zu den anderen Parteien, noch keinen einzigen ihrer Wähler enttäuscht“
Das kommt noch. 😉 Eine Partei ist keine Partei, wenn sie es allen recht machen würde, wenn man mal von dem Umstand absieht, dass es noch nicht so viele Gründe für die Piratenpartei gab, Wähler zu enttäuschen - „Die PIRATEN machen solche Aktionen“
Also Fotos mit Politikern zu machen, denen unbemerkt hinter ihrem Rücken eine Flagge der Piratenpartei aufgezogen wird. Wenn’s schee macht. Ich kann mich noch an eine Aktion von Jusos erinnern, die gemeinsam vor einer außer-baden-württembergischen Universität, in der Erwin Teufel als Senior nochmal die Unibank drücken wollte, Spalier stand und dem Landsmann alles Gute wünschte. Jugendstreiche. Nicht, dass ich sie schlecht finden würde … 😉 - „Die PIRATEN haben einen echt guten Wahlwerbespot“
… der Dinge erläutert und Fragen stellt, die die Piratenpartei bisweilen auch nicht selbst beantworten kann. Zumindest der letztere Mangel zeigt dann doch recht deutlich, dass die Piratenpartei eben auch eine Partei ist, die nicht auf alles eine Antwort finden kann, mag oder vielleicht derzeit nicht mag. - „Die PIRATEN sind klar zum ändern!“
Dass sind sie dann, wenn sie genügend Wähler überzeugen.
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