Mein Kunde, das Autohaus Gerstel, veranstaltete dieses Wochenende ein Openair-Kino mit einer damit verbundenen Präsentation des Opel Ampera in Bad Wildbad auf dem Sommerberg. Traumhafte Umgebung, tolle Filme, viele Leute und drei Opel Amperas. Zwei davon gehören der Adam Opel AG und sind für eine Woche ausgeliehen. Und einen von diesen fahre ich derzeit. Was ein Fehler ist. Denn dieses Auto ist ein Traum und kommt den Idealen, die ich bei einem Auto voraussetze, schon sehr, sehr nahe.
Da wäre zum einen die Idee des Elektroantriebes. Das inzwischen jahrzehntelange Betreiben von Autos mit Explosionen und stinkenden Kraftstoffen halte ich schon immer für eine Fehlentwicklung, die vor allem der Mineralölindustrie nutzt und sonst niemandem. Benzinmotoren sind umweltfeindlich, die Umsetzung der Energie in Fahrleistung fast schon skandalös ineffizient. Die Lust des Autofahrens zum Beispiel auf das Explosionsgeräusch herunterzudividieren und damit sogar zu einem wichtigen Marketingargument zu machen, ist für Leute, die Autofahren und Sport so gar nicht zusammenbekommen können, ein müdes Lachen wert. Oder heiratet jemand eine Frau wegen ihrer Art zu rülpsen?
Ein Elektroantrieb kommt weitgehend ohne das Gestänge und Gekupple eines Getriebes aus, sondern empfängt Strom und setzt diesen direkt um, im Idealfall so nah am Rad, wie möglich. Und das spürt man beim Opel Ampera bei 370 Newtonmetern so direkt, wie sonst in einigen Klassen drüber. Beim Spazierenfahren suche ich mir an der Ampel tatsächlich eine freie Spur deshalb, um den Blendern daneben zu zeigen, wie ein Kavalierstart aussieht, ohne eine Rauchwolke zu hinterlassen. Ja, ich, der eigentlich so langsam fährt, wie ein Rentner. Es ist nicht einfach eine Freude, den Elektroantrieb kommen zu lassen – es ist eine sehr schnell kommende Sucht. Mit dem Nachteil, dass der Blick auf das Tacho zum ständigen Ritual gehört, weil 70 Stundenkilometer einfach auch sehr schnell erreicht sind, wenn das Aufheulen des Motors und die drei Schaltvorgänge dazwischen wegfallen, wie man sie beim Benziner zu erledigen hat.
Der Opel Ampera sitzt wie ein Magnethobel auf der Straße, ohne dass es peinlich ist. Mit dem reinen Elektroantrieb schwebt man ein und wieder aus und nichts passiert. Zwar ist weder die Lenkung direkt (es müssen immerhin 1,7 Tonnen Material bewegt werden), noch die Bremse (zwischen Pedal und Bremssysteme ist immerhin noch ein raffiniertes Bremsenergierückgewinnungssystem geschaltet), allerdings spielt das keine Rolle für Leute, die gut auf das zweifelhafte Gefühl der dahinplatzenden Elemente verzichten können. Wenn ich eine Show brauche, dann setze ich mich an die Spielekonsole.
Allerdings kommt der Opel Ampera nicht ohne Show aus. In der Stadt geparkt ist er selbst nach einem Jahr ein Blickfang, den man ebenfalls sonst eher mit Autos erreicht, die ein paar Preisklassen teurer sind. Autofahrer schauen herüber, Fußgänger staunen und wenn aus einer Schülergruppe einer den vorbeihuschenden Opel Ampera sieht, dann hat man die Blicke aller weiteren Schüler sicher. Auch wenn sie dann meist nur noch das Hinterteil sehen. Ich musste mich zurückhalten, nicht zu wenden und nochmal an der Schülergruppe vorbeizufahren. 😉
Gut, der Preis von rund 48.000 Euro für die vollausgestattete ePionier-Version ist eine Ansage, die man erst einmal verdauen muss. Danach wird es aber unglaublich. Eine Ladung reicht für 60 bis 80 Kilometern und kostet selbst mit einem teureren Stromtarif kaum mehr als 2,50 Euro. Mein Opel Astra (H) verpulvert für diese Entfernung in der Stadt schlappe 9 Liter auf 100 Kilometern und damit mal eben rund 14 Euro. Und auch nur dann, wenn diese Entfernung in einem Zug gefahren wird. Sammeln sich viele Kleinfahrten, dann ist man auch eben mal schnell beim zehnfachen Energiepreis dessen, was der Opel Ampera braucht.
Und selbst wenn nach dem reinen Batteriestrom irgendwann dann der Benzinmotor den Strom liefert: Das macht er fast schon entsetzlich effizient. Bei normaler Fahrweise einen 5-Liter-Durchschnittsverbrauch zu erreichen, ist normalerweise der Klasse der Kleinstwagen vorbehalten und selbst die müssen schwer an diesen Wert arbeiten, weil sie Bremsenergie und Gefällestrecken nicht zur Energierückgewinnung nutzen (können).
Aber auch das ist es nicht, was einen Pionier interessiert. Es ist vielmehr das, was die ersten Autofahrer wohl gefühlt haben, als sie in einer Welt von Pferdefuhrwerken die Kopfsteinpflaster vermeintlich unsicher machten. Autofahren kann sogar so einem autofahrerischen Langweiler wie mir einen so großen Spaß machen, dass ich jetzt am liebsten sofort wieder den Stecker ziehen und „meinen“ Ampera wieder auf die Straße schaukeln würde.
Ein paar Dinge des Opel Ampera erfordern allerdings auch eine Umgewöhnung:
- Das Anstecken des Autos allabendlich ist ein Ritual, das man nicht vergessen sollte. Und auch wenn das vielleicht nur zwei, drei Minuten dauert – es dauert eben zwei, drei Minuten. Wer faul ist, fährt im Zweifelsfall auf Benzin.
- Effizient fahren ist nicht einfach nur eine Sache, die man machen darf, sondern beim Opel Ampera und jedem anderen Elektroauto machen muss. Wer nicht effizient fährt, lässt den Vorteil des günstigen Antriebs verpuffen. Der Opel Ampera bewertet den Fahrstil in Prozentwerten und an diese ständige Bewertung gewöhnt man sich sehr schnell und bringt einen Antrieb zustande, der ständig daran arbeitet, eben auch die 100 % zu erreichen.
- Vorausschauend fahren ist bei einem Elektroauto eine Sache, die noch stärker vor allem auf Fußgänger am Straßenrand bezogen sein muss. Denn die hören ein kommendes Elektroauto nicht und gerade in verkehrsberuhigten Bereich ist da ganz schnell mal ein Fußgänger auf der Straße und staunt, dass da plötzlich ein Auto vor der Nase steht.
- Obiger Punkt gilt auch für im Freien lebende Katzen. Nachbars Katze hat heute mit Sicherheit ein Trauma davongetragen, als sie plötzlich ein schwarzes Auto vor der Schnauze hatte, was definitiv ein paar Sekunden vorher nicht dort war.
Und was jetzt bleibt: Am Donnerstag wird die schwere Aufgabe kommen, den Opel Ampera wieder nach Rüsselsheim zu fahren und abzugeben. Ich bin jetzt ganz ehrlich und sage, dass das ein wirklich schwerer Moment wird. Der Werksschutz wird mich mit Gewalt aus diesem Auto herausziehen müssen, wenn sie es wieder haben wollen.
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