Einen Vorwurf kann man dem SPD-Bundesvorstand nicht machen: Das Beharren auf ein einheitliches Corporate Design für eine zu lange Zeit. In der SPD ist es offenbar eine gute Tradition geworden, das Corporate Design einfach mal jährlich grundlegend auf den Kopf zu stellen. Und wie es oft so ist – man kann es sich so hindrehen, wie man möchte und irgendwie kann man sich alles zurechtdengeln.
Der Bundesvorstand hat mal wieder die Agentur gewechselt. Damit einhergehen muss natürlich, so das Selbstverständnis einer jeden Agentur, ein Wechsel im Aussehen. Man will in Bewegung bleiben und die Begrifflichkeit „Bewegung“ schließt ja auch nicht unbedingt aus, dass sie zurück geht.
Farbenlehre
Hatten wir alle einmal im Kunstunterricht. Zum Beispiel der gute, alte Ittensche Farbkreis. Der sehr gut und universell darstellt, was die Grundfarben sind, welche Farben mit den Farben harmonieren, welche die Komplementärfarben sind und welche sich ganz furchtbar beißen:
Grundlage des Kreises ist: In der Mitte finden sich die drei Grundfarben. Die zweite Reihe, die das Sechseck bildet, hat in den Seiten die Mischfarben der Grundfarben und der Ring zwischen den bereits innen definierten Farben noch die Abstufungen. Die Idee ist nun, dass im Kreis die genau gegenüberliegende Farbe die Komplementärfarbe ist, also die „Gegenfarbe“ einer Farbe. Unmittelbar benachbarte Farben sind da harmonischer zueinander, wobei diese Harmonie nicht unbedingt auch geschmackliche Harmonie bedeutet.
Rot ist eine Grundfarbe und zugleich die stärkste Farbe im Farbempfinden. Das hat vor allem den Grund, dass Rot die „Lebensfarbe“ ist und gleichzeitig warnt. Rot ist unter anderem das Blut, gewarnt wird mit roter Farbe und Rot ist nicht nur sinnbildlich das Symbol der Wärme, denn nach der Farbe rot kommt im längerwelligen Frequenzspektrum das Infrarot. Das menschliche Auge reagiert bei Tag (was in der Dämmerung passiert, kommt noch) auf Rot besonders intensiv.
Zu Rot eine harmonierende Farbe zu finden, ist tatsächlich nicht so ganz einfach, weil hier der Farbkreis mit dem Ansatz, dass der unmittelbare Nachbar harmoniert, prellt. Das Rotorange mag gerade noch gehen, in Richtung Violett wird es jedoch beißend, weil das menschliche Auge stark gefordert wird bei dem Versuch, einen Kontrast zu erkennen. Und genau der Nachbar zu Rot in Richtung Violett ist Purpur. Und das ist nach dem aktuellen Corporate Design nun die Sekundärfarbe des SPD-Rot. Schlimmer geht es eigentlich nur noch, wenn man anstelle von Purpur Pink genommen hätte.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles trifft es auf den Kopf, wenn auch aus vollständiger Laiensicht:
„Neben unserem Rot, das auch im Vordergrund bleibt, brauchen wir nun eine zweite Farbe, die zischt. Das steht auch für unser Selbstbewusstsein.“
Stimmt soweit, es „zischt“. Im Auge. Und übrigens auch in der JPEG-Komprimierung, die ja darauf basiert, Nuancen soweit möglich wegzurechnen, je höher die Komprimierung angesetzt wird. Facebook komprimiert zum Beispiel sehr hoch und da sieht das Logo auf der SPD-Facebook-Seite so aus. Von „klarer Kante“ ist da nichts zu sehen:
Wo es dann gar nicht mehr zischt, ist, wenn es trübe wird. Wird es nämlich dunkel, erkennt das menschliche Auge keine Farben mehr, sondern beschränkt sich auf eine Schwarzweiß-Sicht. Und da wird es dann in Sachen Farbkreis hochinteressant, auch wenn das Auge ja eigentlich keine Farben erkennt. Denn wer als Sekundärfarbe hier eine verwandte Farbe einsetzt, riskiert, dass man beide Farben in einer reinen Schwarzweiß-Sicht überhaupt nicht mehr unterscheiden kann. Das ist schon mit Rot und Blau ein ziemliches Problem (erkennen Sie mal im Dunkeln ein Parkverbotsschild), mit Rot und Violett noch eine Stufe schwieriger und bei Rot und Purpur hoffnungslos. Da ist es eine Suppe.
Von Würfeln und Rechtecken
Immerhin: Am SPD-Logo hält man noch fest, auch wenn das Logo erstaunliche Entwicklungen mit noch erstaunlicheren Erklärungen mitmacht. Die 3D-Ansicht des Rechtecks hin zu einem Würfel wurde mit dem Design zur Bundestagswahl 2009 eingeführt und sollte die „Dynamik“ der SPD widerspiegeln. Der Gedanke war zumindest nicht ganz furchtbar schlecht, auch wenn es das Wahlergebnis der SPD nicht rettete. Schlecht war die 3D-Ansicht allemal für diejenigen, die schnell Flugblätter basteln und sie mehr schlecht als recht zusammenbasteln. Denn wer nicht über eine echte Graustufenansicht des 3D-Logos verfügte, hatte am Ende auf dem Flugblatt bei reinem Schwarzweiß-Druck nicht mehr einen Würfel oder ein Rechteck, sondern ein schiefes Sechseck, weil die farblichen Abstufungen, die den 3D-Effekt des Würfels bildeten, dann natürlich flöten gingen. Auf die Idee, in so einem Fall das Logo abzurastern, muss man erst einmal kommen und dann auch das Werkzeug dafür haben, was viele nicht haben.
Ergebnis: In einer Zeit, in der Parteiarbeit sowieso keinen Spaß macht, das Erstellen von Flugblättern sowieso überhaupt nicht, war das alles dann noch extra schwierig dadurch, in dem schon so einfachste und wichtigste Dinge wie das Parteilogo die Basis vor teilweise unüberwindbare Probleme stellte und für grässlichste Interpretationen auf Flugblättern und Werbemitteln sorgte.
Gut, könnte man sagen, back to the roots, wir brauchen es einfach. In der Sprache von Andrea Nahles heißt das dann so:
„Wir stehen als SPD mittendrin, da wo die Menschen sind. Und alle vier Seiten des Quadrats sind mit der neuen Position darum jetzt erreichbar, offen. Neue Antworten auf die neuen Herausforderungen, alles auf der Grundlage unsere Werte. Selbstbewusstsein, Kraft, Offenheit. Das alles drückt sich in unserem neuen Erscheinungsbild aus – gut gelungen, wie ich finde. Wir sind wieder da!“
Die Website
Der richtige Hammer kommt aber bei der Website der Bundes-SPD. Dort hat man es sich nämlich vorerst einfach gemacht und das bestehende Website-Template weitgehend belassen. Kann man machen, wenn man weiß, wie es geht. Wenn man nicht weiß, wie es geht, kommt das heraus, was aktuell auf der Website zu sehen ist, gerade im Rahmen des Bundesparteitages:
Deutlichste Zeichen sind auch hier die eingezogenen Purpur-Farbflächen, der nun fehlende Rotverlauf als Hintergrund im oberen Teil des Fensters und das SPD-Logo, das nun von der linken Seite in die Mitte einzieht. Nahles dazu:
„Das Logo steht jetzt in der Mitte, nicht mehr verschämt in der linken oder rechten Ecke. Denn wir sind als Partei durch unsere harte Arbeit in den zurückliegenden Monaten nicht nur selbstbewusster geworden.“
Selten hat man so durchschaubar versucht, eine politische Message mit dem simplen Verschieben eines Grafikelementes zu manifestieren und selten ist es so in die Hose gegangen, wie hier. Die Seite ist durch die farblich noch markanter ausgeprägten rechten Störer noch asymmetrischer, das Logo wirkt so freigestellt im freien Raum mittelmäßig deplatziert und stellt das Layout noch stärker als ein eher billiges Designtemplate heraus. Man muss sich selbst als Anfänger richtig anstrengen, sowas mit einem Standard-WordPress-Template so schief hinzubekommen.
Broken by design
Das muss man tatsächlich so konstatieren: Hier ist etwas mächtig schiefgelaufen. Ob es absichtlich so war, jemand einen Fehler produziert hat oder fehlender guter Geschmack zu sowas führt, bleibt dahingestellt. Ich habe bei dem Quark jedoch vor allem die Gesänge der Vergangenheit im Ohr, in denen Kampagnenobere immer wieder gebetsmühlenartig auf die Basis eindroschen, man möge bitte zuschauen, Gliederungen und Politiker mit angemessenen Designs ausstatten, die sich, wenn möglich, an die Corporate Identity der Bundes-SPD ausgerichtet sein sollten.
Das kann man aktuell nun wirklich nicht mit gutem Gewissen tun und es stellt sich so langsam wirklich die Frage, wie oft noch die Farbtöpfe im Willy-Brandt-Haus zusammengemischt werden, bis man sich auf ein zentrales Colorset einigt und das dann bitte auch mindestens eine Legislaturperiode durchhält.
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