Das kommende Ende des Internets, wie wir es heute kennen.

Kurzum: Das Internet wird so, wie wir es heute kennen, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in mittelferner Zukunft nicht mehr so sein, wie wir es kennen. In Sachen Pessimismus bei Netzpolitik hat sich meine Stimmungslage in den letzten Monaten ja schon sichtlich ins Dunkle gewandelt, die letzten Wochen und Monate in Sachen Neufassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags haben meine größten Befürchtungen jedoch weitgehend bestätigt. Hinzukommt die Art und Weise, wie "hemdsärmelig" WikiLeaks erfolgreich von einzelnen Politikern bekämpft wird, was mir zeigt, dass es genügend gewählte Menschen in Demokratien gibt, die zur Wahrung ihrer eigenen Interessen keinen Moment zögern würden, global den "Internet-Stecker" zu ziehen. Zum Thema WikiLeaks werde ich nochmal gesondert bloggen.

Das Internet ist kein freiheitliches, vielleicht gar anarchisch wirkendes Netz mehr. Das ist alles verblümte Geschichte. In Wirklichkeit ist es schon verloren und es geht maximal nur noch darum, die schlimmsten Auswüchse dieser Entwicklung abzumildern. Harsche Worte.

Netzpolitik in der Zange der Inhaltsanbieter – und umgekehrt

Will man den aktuellen Stand der “modernen” Netzpolitik der deutschen Spitzenpolitik kartografieren, muss man ein politisches Feld des totalen Versagens und der vollständigen Inkompetenz aller Parteien konstatieren. Tatsächlich glaubte ich sehr lange, dass das darin resultiert, dass es einfach an fachkundigen Politikern fehlt. In der Zwischenzeit bin ich jedoch überzeugt, dass es zwar nach wie vor an fachkundigen Politikern fehlt, die moderne Netzpolitik jedoch inzwischen die gleiche Lobbysteuerung aufweist, wie sie in der Tabak- und Alkoholbranche seit Jahrzehnten üblich ist.

Anbieter von Inhalten haben in den letzten Jahren das Internet vor allem so verstanden: Wir stellen mal alles hinein und irgendwann wird schon ein Businessmodell herausfallen. Mit diesem Ansatz wurde schon ein ganzer Boom befeuert (der gute, alte Dot-Com-Boom), der Milliardensummen an Geld vernichtet hat. Tragfähige Businessmodelle sind freilich dabei kaum herausgesprungen.

Und so führte das für Inhaltsanbieter (und dabei ist es letztendlich egal, ob das Rechteinhaber von Nachrichten, Bücher, Musik oder Filmen sind) geradewegs ins Elend. Eine Galgenfrist lieferten die noch viel zu kleinen Internet-Anschlüsse und fehlende Komprimierformate, aber MPEG änderte alles.

Man könnte sagen: Selbst schuld. Doch so eine Feststellung macht man dann, wenn man an das Gute glaubt. Das ist bei milliardenschweren Wirtschaftszweigen eine naive Grundlage. Denn Meinungen zu kaufen ist in Branchen, die Meinungen verkaufen, sehr einfach. Gib’ du mir etwas Glamour und ich beschützte dein Biotop!

Ausnahmslos alle netzpolitischen Vorgaben lassen sich auf diese Haltungen und Lobbyarbeiten herunterdividieren und zurückführen. Netzsperren dienen mit ihrer aufzubauenden Sperrinfrastruktur später auch gern zum Sperren von anderen Inhalten als dem K.O.-Argument Kinderpornografie, Leistungsschutzrechte dienen zum Erhalt von so genannten “freien” Medien und wenn man all diese Vorhaben näher dahingehend betrachtet, wie sie denn technisch so umzusetzen wären, dass sie auch funktionieren, wird man schnell feststellen, dass es gar nicht darum geht. Es geht rein um die Kriminalisierung von Dingen, die die Leute verbocken, die zu dumm dazu sind, sich neue Businessmodelle auszudenken.

An Dreistigkeit gibt es da inzwischen keine ausgemachte Schweinerei mehr, die nicht denkbar wäre. Lobbyisten, die diese Tätigkeit stolz herumtragen, werden in Enquete-Kommissionen berufen und verstecken ihre Lobbyarbeit gar nicht mehr. Gewerkschaften wie Verdi werden knallhart mit Argumenten in die Leistungsschutzrechtsdebatte eingebunden, so dass man im Gespräch mit eher ahnungslosen Gewerkschaftlern teilweise so Aussagen zu hören bekommt, dass der ganze Berufsstand “wegen diesem Kostenlos-Internet” kurz davor stünde, in die Pleite zu rutschen. Und dem Politikbetrieb wird das alles damit verkauft, dass das Ende von Kunst, Kultur und Meinungsfreiheit grundsätzlich davon abhängen würde. Dass all die netzregulatorischen Maßnahmen, die sich Inhaltsanbieter wünschen, nichts anderes wie das teure Erkaufen von Zensurmaßnahmen sind, da hört man halt einfach weg. Da schreiben wir dann halt – bewährte Vorgehensweise – einfach nicht drüber und die paar Blogger und andere Schmutzfinken, die werden dann halt einfach kriminalisiert.

Hanebüchen. Es haut inzwischen niemanden mehr vom Hocker über die unfassbaren Umstände, wie freie Medien mehr oder weniger und vor allem immer weniger genieren, nach staatlicher Protektion zu rufen. Die vierte Gewalt im Staat, eine Begrifflichkeit, die auch heute noch bei gestandenen Zeitungsleuten zu einer langanhaltenden Erektion führt, verkommt zu einem Haufen armseliger Tropfempfänger und keinen scheint es wirklich zu stören.

Ich habe inzwischen aufgehört, davon zu reden, wie schlimm China, Iran, die Türkei und viele andere Länder das Internet reglementieren, regulieren und zensieren. Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass die Europäische Union und auch Deutschland auf dem genau gleichen Weg sind. Schweinereien sind schließlich keine Schweinereien im ursprünglichen Sinne mehr, wenn alle Schweine geworden sind.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Das kommende Ende des Internets, wie wir es heute kennen.“

  1. Avatar von Augen Auf
    Augen Auf

    Amen! Die Entwicklung ist schon seit einiger Zeit vorhersehbar, aber es wird immer offensichtlicher…

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