Sei gut einem Vierteljahr habe ich nun ein iPad im Einsatz. Und in der Zwischenzeit vergehen tatsächlich Tage, in denen ich das iPad nicht ein einziges Mal in die Hand nehme. Ist das nicht schade? 699 investierte Euro, die mich eigentlich nur an einem Tag der Woche nicht schmerzen, nämlich am Sonntag, wenn ich den SPIEGEL der jeweils nächsten Woche vorab auf dem iPad lesen kann, wozu es sich übrigens bestens eignet?
Ich wollte eigentlich viel mehr über dieses Gerätchen schreiben, von dem der Hersteller uns glauben machen will, dass es, wie immer, nichts anderes als eine Revolution darstellen soll. Ich habe auch tatsächlich – glaubt es mir oder glaubt es mir nicht – mehrere Anläufe getan, aber mir fällt einfach kaum etwas dazu ein. Außer Ärger über die eher miese Verarbeitung, da der Spalt zwischen Frontscheibe und Gehäuse offenbar so undicht ist, dass es schon mehrere Staubkörnchen geschafft haben, sich hinter der Frontscheibe vor dem eigentlichen Bildschirm einzunisten. Warten wir mal ab, wie lange mir Apple nun neue iPads schickt, bis mal ein staubdichtes darunter ist.
Die Umkehr des Anforderungsverhältnisses zwischen Soft- und Hardware
Das große Problem beim iPad: Es ist im Prinzip ein höchst langweiliges Gerät, wenn man schon ein iPhone hat. Das liegt nicht daran, dass es einfach zu bedienen ist, sondern daran, dass man bei Apple tatsächlich so einfallslos ist, das Bedienkonzept vom iPhone einfach auf das iPad zu übertragen, ohne zu berücksichtigen, dass ein iPad ganz anders eingesetzt wird, als ein iPhone.
Das beste Beispiel ist hierbei die fehlende Möglichkeit, eine individuellen Startschirm mit einfügbaren Widgets abzubilden. Also die Idee, das iPad einzuschalten und einen Bildschirm zu bekommen, auf dem man die neuesten Nachrichten eingeblendet bekommt, vielleicht das Wetter, Kochrezepte, die nächsten Termine und so weiter. Es ist beim iPad einfach eine ultratrockene und langweilige Geschichte, wenn man das Ding anmacht und es mich im Prinzip fragt, welches Programm ich jetzt starten möchte.
Dass niemand bei Apple auf die Idee kommt, dass ich nicht ein Programm öffnen will, sondern einen Überblick haben möchte, erschreckt mich zutiefst, weil es zeigt, dass man bei Apple nicht wirklich in einer modernen Informationswelt angekommen ist. Und letztendlich bleibt das iPad-Feeling auch genau hier stecken. Es ist einfach ein großes iPhone, das unter den üblichen Apple-Mikrokosmos-App-Kindergarten-Krankheiten leidet. Nichts funktioniert app-übergreifend. PDF-Dateien kann man entweder in der iBooks-Anwendung ablegen (was eine sehr bescheuerte Möglichkeit ist) oder man kauft sich eine App wie beispielsweise GoodReader. Dann aber in iBooks vielleicht schon abgelegte PDF-Dateien in GoodReader importieren? Geht nur über den PC bzw. Mac, obwohl doch alle Dateien schon auf dem iPad sind!
Und auch hier sind die Interaktionsmöglichkeiten wieder einmal nur auf das unsägliche iTunes beschränkt, wenn App-Hersteller nicht die Gnade besitzen, wenigstens einen eigenen Webserver zu integrieren, um den Dateitransfer innerhalb eines Netzwerkes per HTTP zu ermöglichen. Das ist übertragungstechnische Steinzeit, die man auf dem iPhone vielleicht noch mit Unzulänglichkeiten entschuldigen könnte – auf einem Gerät wie das iPad, das eigentlich in einem Haushalt eine Brückenfunktion zwischen Telefon, Fernseher und Computer erfüllen soll, ist es einfach Banane und macht das iPad in Teilen etwa so nützlich wie einen Aibo. Mit dem Unterschied, dass ein Aibo einen Steckplatz für Speicherkarten hat und das iPad nicht.
Ich will Dateien einfach verschieben können, die ich auf dem PC lese und per iPad auf dem Sofa fertiglesen möchte. Ist das so kompliziert? Es gibt inzwischen genügend visionäre Ideen, wie man wirklich interoperabel arbeiten könnte, das iPad bringt endlich die richtige Hardware-Mischung und Performance mit und dann kann es nicht, weil es im software-technisch im Prinzip so kaputtreglementiert ist, wie ein Windows 3.11. So vernetzungsfähig wie ein Käsebrettchen.
Noch einen Mangel? Gern doch: Stichwort “Multibenutzerfähigkeit”. Es gibt, so wie beim iPhone auch, nur einen Benutzer. Beim iPhone, das gemäß der “I”-Theorie auch meist nur von einem Menschen bedient wird, mag das angemessen sein, beim iPad prellt es hart, da ein iPad eigentlich ein ideales Haushaltsgerät für mehrere Menschen sein könnte – wenn man eben Benutzer einrichten könnte, mit denen die individuellen Benutzereinstellungen auch tatsächlich individuell verwaltet werden könnten. Kann das iPad bzw. das iOS jedoch nicht. Jedes dumme Windows kann das inzwischen, bessere Sat-Receiver machen das, Kaffeeautomaten, Ergometer, Autos. Wir leben in einer immer stärker individualisierbaren Welt, die nicht aus Einheitsmenschen und Ein-Personen-Familien besteht – bei Apple scheint das, zumindest beim Thema iPad vorüberzugehen. Möglicherweise versucht man das als kranke Motivation zu verkaufen, dass man jedem Familienmitglied ein eigenes iPad spendiert. Oder man begreift nicht, in welche Art und Weise sich diese Welt zu entwickeln gedenkt. Ich befürchte letzteres.
Ein erbärmliches Trauerspiel, das mich richtig ärgert. Denn hier wird erst gar nicht versucht, dem Benutzer ein Gerät zu verkaufen, mit dem er Grenzen ausloten kann – es ist die Grenze selbst und die ist nicht etwa hardwaretechnischen Fähigkeiten geschuldet, sondern der Unfähig- oder Boshaftigkeit des Herstellers der Software. Ich sehe kein wirkliches Argument, mit dem ich derzeit davon zu überzeugen wäre, dass Apple mit dem iPad ein tolles und ein nützliches Gerät verkaufen will. Und im Bezug auf Apple sehe ich eigentlich auch kein Land in Sicht.
Wie geht es weiter mit dem Tablet-Computing?
Ehrliche Ansage: Ich habe Anfang des Jahres mal prognostiziert, dass das iPad eine innovationsarme Totgeburt ist. Diese Aussage wandle ich so um, dass das iPad eigentlich ein endlich funktionsfähiger Vertreter der Tablet-Welt ist und alle Chancen hätte, zu einem echten Haushaltsgerät zu werden, wenn es nicht so unfassbar quälend unter der völligen Einfallslosigkeit von Apple leiden würde. So Sachen wie ein frei konfigurierbares Dashboard, Multiuser-Fähigkeit, vorinstallierten einfachen Office-Anwendungen würden das an sich hübsch verpackte Gerätchen tatsächlich zu einem Evergreen werden lassen.
Dass Apple sich darauf besinnt, darf getrost bezweifelt werden. Tatsächlich bringt es Apple inzwischen fertig, alle zwei Monate ein Versionsupdate seines iOS-Betriebssystems herauszubringen, das neben den obligatorischen Bugfixings zur Jailbreak-Abwehr eigentlich keine weiteren Innovationen mitbringt, die andere Mobilbetriebssysteme nicht schon längst können. Und als ob das nicht schon genügt, werden so “revolutionäre” Dinge wie die Möglichkeit zur Erstellung von “HDR-Fotos” implementiert. Pardon, interessiert kein Schwein.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Konkurrenz anstellt und mit dem Paradigma umgeht, dem Benutzer nicht einfach ein Telefon-OS hinzustellen, sondern ein echtes, halbwegs vernetzbares, interoperables, zugängliches Gerät zu ermöglichen, mit dem sich einfach Daten austauschen lassen und das tatsächlich mehreren Benutzer im Haushalt einen Mehrwert bieten können.
Ich sehe da tatsächlich kein wirkliches Zuhause für ein kaputtes Mini-OS wie Apples iOS, Googles Android oder ein auf 16-Bit-Prozessoren herunterdividiertes Linux. Tablets brauchen ein vernünftiges und “erwachsenes” Betriebssystem und lediglich eine touch-fähige und bedienbare Oberfläche, mit der dann die Hardware wirklich harmonieren kann. Und dann funktioniert der Tablet-Markt am ehesten. Wenn überhaupt.
Denn so Geräte wie das iPad tun für diesen Marktsegment nichts, außer auf eine eher seichte Metaebene zu unterhalten. Benutzer haben das Gerät in der Hand und tippen in der nun wirklich nicht originellen Notizblock-Anwendungen Texte. Malen unbeholfene Bilder mit einer Adobe-Anwendung, die den Anschein hat, aus der Entwicklungsumgebung eines Praktikanten zu kommen. Klimpern Klavier auf einer Klavieranwendung oder schauen sich in einer 3D-Demo an, wie schön die Welt sein könnte – ja wenn sie nicht reglementiert wäre.
Sie ist es aber. Und so lange wir das nicht verstehen, dass ein disneyland-artiges Betriebssystemkonglomerat nun wirklich nicht geeignet dafür ist, eigene Ideen auszutüfteln und eigene Grenzen auszuloten, so lange werden wir auch weiterhin nur davon träumen, was in dem oben verlinkten Video passiert und nebenher weiterhin Dateien über iTunes in iPads stecken müssen.
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