Auf dem morgigen Bundesparteitag der SPD in Berlin wird als zentraler Hauptpunkt der bisherige Entwurf des Wahlprogramms abgesegnet. Das Wahlprogramm ist, wie ich finde, okay – zukunftsgerichtet, aktuell, konkret. Kann man so unterschreiben und ich gehe auch davon aus, dass dieses Wahlprogramm mit überwältigender Mehrheit seine Zustimmung findet.
Das so als Einleitung zu dem, was nun folgt. Denn ich muss zugeben, dass ich sauer darüber bin, wie die SPD als Partei, deren Parteibuch ich besitze, mit den Zensursula-Plänen zu Online-Sperren umgeht und der Parteivorstand heute einen Antrag zusammengestellt hat, den ich als halbherziges Machwerk verstehe. Als Basis diente ein Initiativantrag von Björn Böhning, der das gesamte Kontrukt des Aufbaus einer Sperrinfrastruktur infrage stellt. Das, was dabei nun herauskam, ist ein weichgespültes Irgendetwas.
Die Nachbesserungen, die der Parteivorstand fordert, beziehen sich darauf, dass das Bundeskriminalamt verpflichtet werden soll, zunächst eine Löschung von kinderpornografischen Inhalte bei den jeweiligen Diensteanbietern zu initiieren. Zitat:
Erst wenn das erfolglos bleibt, wenn der Provider beispielsweise seinen Sitz im Ausland hat und die dort zuständigen Behörden nicht unmittelbar dagegen vorgehen, soll die Seite auf eine Sperrliste gesetzt werden dürfen.
Eine erstklassig aalglatte Formulierung, die vor allem eine Sache grundsätzlich zur Zustimmung befördert: Den Aufbau einer Sperrinfrastruktur. Und den Gipfel setzt ein weiterer Punkt, der die gesamten Aktivitäten mit einer Befristung versehen soll, um am Ende dieser Frist mit einer Evaluierung nachzuprüfen, ob es gewirkt hat. Was will man da messen? Wie viele Leute im Netz des Bundeskriminalamtes hängengeblieben sind?
Liebe Genossen, genau das ist doch das Problem, weshalb wir alle im Internet aufmucken! Wir haben alle gelernt, dass man im Internet angebotene Kinderpornografie offensichtlich doch innerhalb kürzester Zeit gelöscht bekommen kann, wenn man die Diensteanbieter kontaktiert. Das ist nicht neu, zudem ist Kinderpornografie meines Wissens nach in keinem Land dieser Erde nicht unter Strafe gestellt – wenn man diese eben verfolgt. Das ist die Aufgabe des Bundeskriminalamtes, nicht der Betrieb von nicht funktionalen Scheuklappensystemen für das eigene Volk.
Um es mal mit sehr drastischen Worten zu formulieren: Das ist ein Scheißantrag, der das abstimmende Vieh auf dem Bundesparteitag morgen gehörig aufs Glatteis führt. Mir ist völlig egal, wer das Bundeskriminalamt beim Aufbau der Sperrliste kontrolliert: Die Sperrliste selbst ist das Problem und das Moloch. Denn wenn diese Infrastruktur steht, dann kommen schon morgen die Ministerpräsidenten der Länder, die ihre Einnahmequellen namens Glücksspielmonopol abgesichert haben wollen, Rechteinhaber aus der Musikwirtschaft und der schreibenden Zunft und übermorgen diejenigen, die dann unliebsame Politik herausgefiltert haben möchten.
Das kann nicht nachhaltige und sozialdemokratische Politik sein, das ist purer Aktionismus, ganz nach dem Geschmack von Ursula von der Leyen. Und als SPD auf die Tante Rücksicht zu nehmen, die mit offenkundig unfundierten Zahlen und Fakten hantiert und dabei den Abbau von Grundsätze unseres Staates lächelnd in Kauf nimmt, ist haarsträubend entsetzlich.
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