Die Spekulationen über die vorübergehende Nichterreichbarkeit von rottenneighbor.com sprießen wie die Blüten meines Kaktus, ein Bruchteil (Überlegungen von Holger Koepke, von mir) der Orakeleien sind technisch fundiert, aber natürlich hat jeder eine Meinung. Und die ist in einigen Fällen gar erstaunlich, wenn nicht erschreckend. Kleiner Auszug:
„Ich bin prinzipiell zwar gegen Zensur im Internet, China geht dabei mal wieder mit “bestem” Beispiel voran, indem jede Website, die dem Staat negativ gesonnen ist, einfach von den Providern gesperrt wird (..werden muss?), aber wenn es sich um eine Plattform zum Verbreiten von Gerüchten und Beleidigungen handelt, finde ich die Entscheidung durchaus gerechtfertigt. Als Opfer einer Beleidigung auf dieser Website ist man einfach hilflos, Gerüchte können sich negativ auf die soziale und berufliche Karriere auswirken. Also: Hoffentlich ist Schluss mit Rottenneighbor.“
— „Schluss mit Lästern 2.0?“ – „MR“
„Was ist denn da daran so schlimm? Da ist ein Dienst in den USA, der es ungeniert ermöglicht, andere Menschen in jeder Form in den Dreck zu ziehen. Ist das nicht klar, wenn das den meisten Menschen nicht gefällt? Die Provider nutzen halt einfach ihre Macht aus – ist nicht das erste Mal, oder? Ist für mich keine Zensur, denn es werden ja keine Informationen zensiert, sondern der Weg zu einem Internetangebot dicht gemacht.“
— Kommentar von „Frank“ in „RottenNeighbor nicht erreichbar: Internetzensur in Deutschland?“ – Handelskraft
Lesen wir da richtig? Zensur, klar, ist was ganz schlimmes, China und so, alles seeeeehr böse, darf man einfach nicht tun, wir sind ja alle schrecklich aufgeklärt und kommen mit den paar Schwarzen Schafen im Internet früher oder später klar. Aber rottenneighbor.com, klar, das ist etwas anderes, das ist Schmutz, das darf dann schon weg.
Pah.. wenn es darum geht, Schmutzfinken loszuwerden, haben offensichtlich genügend Leute, Blogger und sogar selbst so genannte (oder eher selbst ernannte) Journalisten dann doch durchaus kein Problem und keine Skrupel damit, ohne wirkliche Rechtsgrundlage Websites von ISP einfach mal so aus dem eigenen Suppentellerhorizont verschwinden zu lassen. Super Sache! Was brauchen wir den Rechtsstaat, wenn es darum geht, Unbequemliches aus dem Internet still und leise abtreiben zu lassen? Natürlich, der ISP muss das tun, der sitzt ja immerhin auch am Hebel und ist natürlich irgendwo für den ganzen Quatsch auch verantwortlich, nicht?!
Pardon, Folks, das ist billigster Opportunismus. Wir wollen genau das nicht, das leichtfertige Obrigkeitsdenken, das nur aus staatlich verordnetem Wegschauen besteht. Damit helfen wir uns nicht, damit schaden wir uns, den es gibt eine Menge Leute da draußen, die solche Forderungen liebend gern als Zitate von angeblich fordernden Bürgern in ihre Gesetzesvorlagen stempeln würden und ganz andere Dinge damit anstellen.
Wenn ihr mit rottenneighbor.com Probleme habt, dann beschwert euch bei denen, schreibt ihnen eine E-Mail, verklagt sie, sendet dem Provider Complaints oder beschwert euch bei Google darüber, dass sie ihren Mapping-Dienst dafür zur Verfügung stellen. Aber bitte nicht auf der falschen Seite nach Hilfe rufen und im gleichen Atemzug auf das böse China schimpfen. Denn wirklich besser sind eure Ansichten gelegentlich offenbar auch nicht wirklich. Fordert Filter und ihr werdet gefiltert.
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