Gerade in Sachen Science-Fiction gibt es Autoren und deren Bücher, die einen prägen. In meiner Jugend waren das vor allem Bücher und Geschichten von Isaac Asimov (Roboter, Foundation-Trilogie, Raumschiffe und so, alles relativ clean und etwas flach), Arthur Clark (Odysse-Tetralogie, ziemlich weitreichend und abgespact) und Philip K. Dick (völlig zugedröhntes Zeug). Dass man bei vielen Geschichten von Dick das Gefühl hatte, Dinge von einem schwer auf dem Trip befindlichen Autoren zu lesen, ist nicht so daneben, denn Dick schrieb einige seiner besten Geschichten unter schweren Drogeneinflüssen.
Geschichten von Philip K. Dick galten bis vor wenigen Jahren als schlicht unverfilmbar. Sie gelten als extrem komplex, alle Handlungsstränge sind kompliziert miteinander verwoben und lassen es nur schwerlich zu, für ein Drehbuch auseinanderdividiert zu werden. Schon der Film Minority Report, wie ich finde ein Meisterwerk der modernen Science-Fiction, war als Kinofilm schwere Kost. Ein weiterer Film ist der 1997 veröffentlichte Film A Scanner Darkly, der leider nicht ansatzweise erfolgreich war, dafür jedoch ein weiteres Dick-Meisterwerk wurde.
Ein weiteres, ziemlich verstörendes Buch von Philip K. Dick ist der Roman The Man in the High Castle, in der es, kurz gefasst, darum geht, dass in einem Amerika der 1960er Jahre nichts so ist, wie wir es aus den Geschichtsbüchern kennen, da das Hitler-Deutschland den Zweiten Weltkrieg nicht verloren, sondern gewonnen hatte. Der Osten Nordamerikas ist daher eine Kolonie des Deutschen Reiches, der Westen eine Kolonie der japanischen Mächte. Dazwischen ein enger Korridor längst der Rocky Mountains als „Neutrale Zone“. Inmitten dieses Geflechts, das sich dampfend um die Frage bewegt, was wohl passieren wird, wenn der alternde Führer Adolf Hitler stirbt, taucht ein ominöses Buch auf, das eine gänzlich andere Gegenwart darstellt, nämlich die Geschichte so, wie wir sie kennen.
Als Buch ist Das Orakel vom Berge, wie die Geschichte in der deutschen Übersetzung heißt, ebenfalls dick-typisch schwere Kost. Als Anfang des Jahres dann eine Pilotfolge bei Amazon Prime Video als amazon-eigene Produktion auftauchte, bebte ein kleinwenig die Science-Fiction-Erde. In der Zwischenzeit ist aus der Pilotfolge eine erste Staffel mit zehn Folgen entstanden, die seit einigen Wochen eben bei Amazon Prime Video angeschaut werden kann, seit einigen Tagen auch in der recht guten deutschen Synchronfassung.
Das ursprüngliche Buch von Philip K. Dick ist weitgehend in dieser ersten Staffel verarbeitet. Und während man in anderen Serien aus Buchvorlagen vor allem mit sehr viel aufgeblasenem Stoff zu kämpfen hat, glänzt The Man in the High Castle von der ersten bis zur letzten Folge mit vielen zusätzlichen Handlungssträngen und vor allem unglaublich gut geschriebenen Rollen, die von phantastischen Schauspielern inszeniert werden. Zehn packende Stunden Serienstoff, der der Buchvorlage in nichts nachsteht und den Horror einer solchen dystopischen Zeit mehr als dramatisch überträgt.
Anschauen, staunen, gruseln! Und dabei ruhig in Kauf nehmen, dass man während des Anschauens gelegentlich zurückspringen muss, um Handlungsstränge richtig einordnen zu können.
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