Mein 21ster in Sachen Hypertext.

Bevor ich in die Windows-Welt einfiel, besaß ich einen Commodore Amiga 500. Den haben mir meine Eltern 1989 gekauft bzw. damals in der Computerabteilung des Karstadt in Karlsruhe von einem älteren Verkäufer in Anzug und Krawatte zum Sparpreis mit Bildschirm und Softwarepaket andrehen lassen, da damals ein Release-Wechsel des Amiga-Betriebssystems anstand und ahnungslose Eltern graue Computerkisten umso lieber kaufen, wenn noch ein buntes Paket mit allerlei Zeug dazugelegt wird. Was ist schon ein “Release”? 1199 Deutsche Mark wechselten damals den Besitzer, da hält man sich nicht mit Details auf. Dass ich eine alte Workbench auf meinem Amiga hatte, merkte ich immerhin auch erst eineinhalb Jahre später. Anyway … das ist gar nicht mein Punkt heute.

Vor einiger Zeit musste ich mal einen EDV-Werdegang zusammenschreiben. Nun habe ich aufgehört, in “offiziellen” Werdegängen hineinzuschreiben, dass ich 1989 mit einem Amiga 500 angefangen habe. Automechaniker haben ihre Karriere auch nicht mit ihrer Matchbox-Sammlung angefangen und bevor jetzt Amiga-Veteranen aufschreien – ja, auch ich habe durchaus sinnvolles mit meinem Amiga gemacht, aber ich will nicht vermitteln, wann ich das erste mal computert habe, sondern wann ich echte Meriten mit dem Computer gesammelt habe.

Hypertext, so dachte ich bis dato, kannte ich seit 1996. Aus dieser Zeit habe ich tatsächlich noch handgeschriebene HTML-Dateien zu einem seltsamen Web-Projekt, das nie auch nur die Nähe eines Webservers gesehen hat. Ich wollte damals wohl eine Art Stadtwiki machen, natürlich ohne echtes Wiki, sondern einfach nur zusammengebastelte HTML-Dateien. Deren Sinn auch nur darin bestand, dass ich HTML-Dateien geschrieben habe, mehr nicht. Es gab damals sogar ein spannendes Gespräch mit einem Mitarbeiter des Stadtmarketings, der so ziemlich von gar nichts eine Ahnung hatte, was am Bildschirm so passierte, ich damals allerdings auch nicht sonderlich viel darüber, wie man in der Frühzeit des Webs genau solche ahnungslose Amtsdrohnen krass über den Tisch zieht, wie es in vielen Städten passiert ist.

Irgendwann vor einigen Jahren ist mir dann der Amiga-Simulator WinUAE in die Hände gefallen, mit dem sich eine Amiga-Umgebung auf einem normalen Windows-Betriebssystem emulieren lässt. Mit so viel Speicher, wie man sie damals beim echten Amiga nicht im Traum hätte erdenken können und mit einer Auflösung jenseits von 640 mal 256 Pixel. Und in einer Installation fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen, wo ich tatsächlich das erste Mal mit Hypertext zu tun hatte: Mit AmigaGuide.

AmigaGuide ist, wenn man es mal ganz grob umfasst, eine Art Browser, der Textdateien anzeigen konnte. Enthielt die anzuzeigende Textdatei einige der wenigen AmigaGuide-Textmarkierungen, so wurden diese als Dokumentoptionen interpretiert. So gab es unter anderem “Nodes” (Knoten), die an andere Stellen im Dokument verweisen konnten. Nichts anderes als das, was an anderer Stelle Hyperlink heißt. Das Erstellen so eines AmigaGuide-Dokuments war also nichts anderes als das Erstellen eines Hypertext-Dokuments, hier nun eben nicht in HTML.

Das älteste AmigaGuide-Dokument, das ich auf einer der Disketten, die ich aus der Amiga- in die PC-Welt einst übertrug, datiert nun eben vom 12. Februar 1993 und es war, ganz schnöde, ein Adressbuch. Im gleichen Jahr wurden in Deutschland die neuen, fünfstelligen Postleitzahlen eingeführt und ich wollte meine bislang in Notizbüchern geführten Adresslisten auf neue Postleitzahlen umstellen. AmigaGuide war da ein ganz nettes Werkzeug, weil es neben Hyperlinking auch eine Volltextsuche und einen manuell einbaubaren Index mitbrachte.

An die damalige Faszination für das Hyperlinking kann ich mich noch sehr gut erinnern und auch an den Willen, irgendetwas sinnvolles damit anzustellen. Aber was macht man alles eben nicht, wenn man noch kein Internet kennt. Aber immerhin kann ich nun in meiner Bio mit gutem Gewissen schreiben, dass ich seit 1993 Erfahrungen mit Hypertext habe, noch bevor der Netscape Navigator (bzw. dessen Vorläufer “Mosaic Netscape”) im Oktober 1994 das Licht der Online-Welt erblickte. 😉


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