In einer lauen Sommernacht, als ich mit meine politischen Sparring-Partner Oliver Sigrist über dies und das in der Politik diskutierte, landeten wir in der Frühphase der aktuellen Demonstrationen gegen Stuttgart 21 und sinnierten, wie das wohl weitergehend wird im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen im März 2011.
Damals haben wir in unseren Gedankenspielen einige Thesen aufgestellt, die ich eigentlich für mich behalten wollte. Da aber gestern eine Demonstration von Schülern einer Waldorfschule (wir reden also von Kindern im Alter zwischen 10 und 18 Jahren!) mit völlig unangemessenen Mitteln wie Wasserwerfern, Pfeffersprays und tätliche Gewalt von Polizeikräften beantwortet wurden, platzt auch meine an sich recht dehnungsfähige Toleranzfalte.
Die Thesen sind durchaus gewagt und offensiv. Bitte mit Schutzhandschuhen anfassen:
- Der passionierte Dampfplauderer Wolfgang Drexler stolpert über das Amt, weil er mit seiner notorischen Dampfplauderei keinesfalls die korrekte Tonlage trifft. (erledigt)
- Die Projektverantwortlichen und die Landesregierung sind mit der Thematik des Bürgerprotestes völlig überfordert und haben nicht ansatzweise verstanden, dass der Protest sich überhaupt nicht mehr auf bestimmte „demonstrationsnahe“ Kreise abgrenzen lässt, sondern längst eine Eigendynamik entwickelt hat.
- Die SPD wird in der gesamten Stuttgart-21-Thematik überhaupt nicht wahrgenommen, weil deren Meinung bisher belanglos war und auch ihre jetzige Vorgehensweise mit einer „Volksabstimmung“ nach der Wahl, wenn dann SPD/Grüne die Macht haben sollten, eher als eine halbherzige Vorgehensweise aufgefasst wird. (stimme ich zu)
- Stuttgart 21 wird das zentrale Thema zur Landtagswahl werden, über das die CDU stolpern wird. (wird immer wahrscheinlicher)
- Die Grünen werden zweitstärkste Macht im zu wählenden Landtag und werden selbstbewusst mit der SPD eine grün-rote Koalition eingehen.
- Der Protest geht ausdrücklich nicht darum, ob Stuttgart 21 gut oder nicht gut ist (so schlecht ist nämlich die grundsätzliche Idee nicht), sondern eher darum, dass sich die Bevölkerung in den wirklich wichtigen Themen – nämlich der Finanzierung – permanent nicht gut informiert fühlt und die Projektleitung auch nicht wirklich daran interessiert ist, realistische (weil vermutlich deutlich höhere) Zahlen herauszurücken.
- Der Protest wird sich, wenn er nicht frühzeitig eingefangen wird, immer stärker nicht mehr um den eigentlichen Protest gegen Stuttgart 21 drehen, sondern um die Art und Weise, wie ignorant und arrogant die politische Kaste mit den Protesten der Bevölkerung umgeht. (da sind wir derzeit)
- Die Landesregierung nutzt irgendwann die „harte Kante“ dafür, der demonstrierenden Bevölkerung klar zu machen, dass man besser nicht hingeht, weil man sonst eines auf die Mütze bekommt. (gestern der Fall gewesen)
- Der Protest wird ab dem Moment unappetitlich, wenn der erste Baum fällt, da hier die ersten wirklich emotional starken Bilder entstehen werden. (wird vermutlich noch kommen)
- Der erste Tote (wenn er Stuttgarter Bürger und potentieller CDU-Wähler ist) kostet Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster das Amt.
- Wenn die Proteste spätestens im November nicht enden, wird die CDU-geführte Landesregierung einen Rückzieher von Stuttgart 21 machen. (hochspannende Prognose von Oliver)
- Exit-Strategie 2: Der Rückzug wird von Berlin aus propagiert, entweder von der Deutschen Bahn selbst (jedoch kaum zu erwarten) oder von der Bundesregierung (letzteres, um vermeintlich Druck von der Landesregierung zu nehmen)
Warten wir es mal ab, was noch alles passiert. Der Herbst wird heiß.
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