Zweifellos: Facebook hat einmal Spaß gemacht. Leute fanden sich ein, kommunizierten ungezwungen miteinander und Facebook ist nach wie vor ein Synonym für Social Networking schlechthin. Noch. Denn in der Zwischenzeit habe ich so meine Probleme mit Facebook und das obwohl ich Facebook halbwegs auch für „Publishing-Zwecke“ brauche und empfehle. Doch das ist immer mehr eher ein „leider müssen“ als ein „wirklich wollen“. Facebook geht bei mir den Bach herunter.
Mit inzwischen gutem Gewissen kann man sagen, dass die Idee, Applikationen externer Entwickler in Facebook einzubinden, ein völliger Schuss in den Ofen war und Facebook inzwischen eigentlich der beste Beweis dafür ist, wie man es als Social Network besser nicht machen sollte. Nur die wenigsten Nutzer wissen, wo eigentlich Facebook-Applikationen laufen, nämlich nicht auf der Facebook-Plattform, sondern auf der Plattform des Besitzers der Applikation. Die Applikation wird dann, wenn sie von Facebook akzeptiert wird, von Facebook aus eingebunden und darf über definierte Schnittstellen mit Facebook und letztendlich mit dem Benutzer interagieren. Was genau der Applikationsbesitzer mit den Schnittstellen und den daraus gewonnenen Daten macht, interessiert Facebook nur halbherzig viel, mit der Zusicherung, dass der Besitzer der Applikation keinen Schindluder mit den gewonnenen Daten macht, gibt man sich schon zufrieden.
Was Facebook allein quantitativ seinen Benutzern an Applikationsfluten zumutet, ist schon schwer zu ertragen. Schon bei mehreren Dutzend Freunden im Netzwerk wird man von morgens bis abends mit den dollsten Informationen zugeballert. Da schenkt mir jemand einen Elch, jemand anderes will meinen Geburtstag in seinen Kalender eintragen, ein anderer hat sein Horoskop gelesen und teilt es der Welt mit. Und so weiter. Zwar bietet Facebook es an, Meldungen von bestimmten Benutzern oder bestimmten Applikationen auszublenden, letzteres ist aber ein Kampf gegen die Hydra – schlägst du einen Kopf ab, wachsen drei nach.
In meinen Augen geht Facebook mit der Privatsphäre seiner Nutzer erschreckend um. Das ist schon lange nicht mehr eine gewisse Nachlässigkeit, sondern inzwischen ein gezielter Vorsatz, Benutzer dazu zu bringen, wissentlich oder gern auch unwissentlich ihre Privatsphäre aufzugeben. Aktuelles und leider bestes Beispiel sind die neuen Änderungen, die jeder Facebook-Benutzer vor einigen Tagen bestätigen musste. Grundsätzlich sind diese nun feiner granulierten Einstellungen ja gut, allerdings hat Facebook jegliches Goodwill damit verspielt, dass für eine neue Einstellung der Privatsphäre die denkbar ungünstigsten Voreinstellungen empfohlen wurde. Jeder, der diese Einstellungen nur kurz überflogen hat und diese Empfehlungen von Facebook gedankenlos übernommen hat, hat damit praktisch alle seine in Facebook hinterlegten Inhalte auch allen Facebook-Teilnehmern freigegeben. Dazu kommt, dass Mark Zuckerberg, der Chef von Facebook, eine haarsträubende Art und Weise an den Tag gelegt hat, dies zu rechtfertigen – er verharmlost nämlich. Final beispielsweise dadurch, dass er angeblich bedenkenlos sein Bilderalbum freigegeben hat (und erst später merkte, dass dies vielleicht nicht so gelungen war, da nach dieser publikumswirksamen Aktion einige offenbar kompromittierenden Fotos verschwanden).
Okay, werden Kritiker sagen, ist doch letztendlich alles ein Problem der Benutzer, sollen sie halt Facebook nicht mehr benutzen, wenn sie Angst um ihre Privatsphäre haben. Doch so einfach ist das nicht mehr in unserer digitalen Welt. Ich kann durchaus jemandem sagen, dass er beispielsweise bei der Eingabe einer PIN an der Supermarktkasse, wenn er dort mit seiner Maestro-Karte bezahlen will, aufpassen soll, dass ihm niemand über die Schulter schauen soll und das tut er dann vielleicht auch. Einem unbedarften Benutzer, der mit seinen Freunden kommunizieren will und nicht unbedingt Zeit und Muße hat, sich über alle Spitzfindigkeiten, die Facebook seinen Benutzern zumutet, Gedanken zu machen, ist das mitunter deutlich schwieriger zu erklären. Privatsphäre ist im Internet weit schwieriger zu schützen, wenn sich viele Menschen allein fühlen, nur weil sie allein vor dem Bildschirm sitzen. Und man muss leider sagen: Facebook nutzt dies schamlos aus.
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