Seien wir mal freundlich: Ich mag solche Knuddelveranstaltungen wie die Republica zur Selbstbehuldigung nicht sonderlich, völlig unabhängig davon, um welches Thema es geht. Da geht es mir weniger um das investierte Geld und eine fehlende Veranstaltungsrendite, sondern ums Prinzip selbst. Ich glaube, dass wir Blogger noch weit davon entfernt sind, die Infoelite zu sein, die sich gern auf solchen Veranstaltungen feiert. Wir haben ja noch nicht mal unseren eigenen, kleinen Kosmos im Griff. Denn das, was die Blogosphäre ausmachen sollte, verkümmert immer weiter und es stört offenbar immer weniger Blogger:
- Es gibt ein Volk der „Edelblogger“, von denen einige wenige tatsächlich mehr oder weniger von Anfang an dabei sind, die auch mal durch das Etablieren von Web 2.0 glänzen konnten, dadurch eine Reihe von Visitenkarten einheimsen konnten und nun beratend durchs Land tingeln. Deren Beratungsarbeit ist allerdings insofern enttäuschend, dass es kaum zu wirklich sichtbaren Hallo-Effekten kommt. Die Frage ist da wirklich, ob es etwas bringt, jemandem für Geld das Bloggen zu verkaufen, wenn schon genau diese Frage die Idee hinter dem Blogge infrage stellt?
- Auch wenn wir in jedem zweiten Satz vollmundig und selbstbewusst festschreiben, dass wir Blogger eine neue Informationskultur darstellen, fühlen wir uns doch besonders wohl, wenn wir ein Mikrofon eines Fernsehsenders unter die Nase gehalten bekommen oder wir zu billigen Berichterstattern von Katastrophenfällen degradiert werden, um die berühmten 15 Minuten Ruhm einzustreichen und sich in Wirklichkeit vollkommen albern machen zu lassen. Wir sehen uns einerseits als die Neue Welt, fühlen uns aber offensichtlich am geilsten, wenn die Alte Welt versucht, uns zu karikieren.
- Die Blogosphäre liest sich immer stärker und immer ausschließlicher selbst und macht sich selbst zu einem Teufelskreis, den andere antreiben. Wir schreiben viel zu viel ab und machen zu wenig frischen Content. Damit aber der Blogosphärenreaktor kritisch werden kann, reicht es nicht einfach, die vorhandene Masse einfach aufzuheizen, sondern es muss mehr Stoff von außen hinein. Ansonsten bleibt die Blogosphäre auch weiterhin nur ein sehr großer Kommentarbereich für SPIEGEL Online, Heise & Co. und tritt nur auf der Stelle.
- Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit uns selbst, anstatt den Webbrowser aufzumachen und surfen zu gehen oder auch einfach mal aus der (echten) Haustüre zu treten und draußen zu fragen, wo der Schuh drückt. Selbst wenn es dann der eigene ist. Das ganze Gebilde lebt aber nicht davon, dass wir uns jeden Tag von neuem fragen, ob wir gut oder schlecht sind, sondern davon, dass wir etwas schreiben.
- Wir machen zu viel gleichzeitig und damit zu viel zu wenig. Du twitterst? Schön! Du twitterst, weil du sonst keine Zeit zu bloggen hast? Schlecht. Wenn jemand anstatt einem Blogartikel zehn Twitter-Tweets schreibt, dann ist das ein Verlust für die Blogosphäre und ein Sieg für das Belanglose und Flüchtige. Ich habe bis vor kurzem auch selbst noch gesagt, dass ich das twittere, was angeblich in mein Blog thematisch nicht hineinpassen würde, genau das ist aber einer der Kardinalfehler.
- Wir verlinken in der Blogosphäre viel zu wenig und viel zu sorgenvoll. Das ist ein großer Fehler, denn erst die Vernetzung via Links bringt Leser zu anderen Meinungen und andere Blogs in die Diskussion. So lange wir dabei Angst haben, dass uns dabei die eigenen Leser weglaufen (was definitiv nicht stimmt), wird der Blogosphärenreaktor niemals aus eigener Kraft laufen.
Wir Blogger haben eigentlich einen gewaltigen Berg an Arbeit vor uns, wenn wir den Graswurzeljournalismus tatsächlich einmal zu einer festen Größe werden lassen und nicht zu einer Randnotiz des Informationszeitalters verkümmern wollen. Und ich sehe nicht, dass die derzeitigen Web-2.0-Huldigungsveranstaltungen dazu sonderlich viel beitragen.
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