Für Menschen, die sich für Kommunikation und PR interessieren, waren die letzten Tage und Wochen eine hochspannende Angelegenheit. Zum einen ein US-Präsident, der es tatsächlich wagt, neben seinen Beratern auch noch einen Blackberry in seinem innersten Zirkel haben zu wollen, um damit, wie er selbst sagt, den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Dann ein ach so modernes Unternehmen wie die Deutsche Bahn mit ihrem beinharten Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn, die in bester Gutsherrenart Datenschutz und Arbeitnehmerrechte so definiert, wie es ihm passt und vor hausinterner Rasterfahndung nicht zurückschreckt. Und dann schließlich, sozusagen als Krönung, der Statthalter Gottes auf Erden persönlich, der Papst, der mit Kommunikationspannen am laufenden Band nichts anderes macht, als sein eigenes Haus mit einer Abrißbirne zu demolieren.
Wo hapert es? Barack Obama argumentiert da schon in die richtige Richtung: Die Notwendigkeit von Feedback von der Basis. Großunternehmen, Regierungen und auch Kirchen funktionieren nach dem altbewährten Schema, dass es einen Häuptling gibt und eine Schar von Beratern. Diese Berater halten ihre Finger im Unternehmen, saugen von dort Informationen, filtern sie, bereiten sie auf und bringen sie zum Häuptling.
Das funktionierte alles jahrzehntelang zuverlässig, da letztendlich der gegenüberliegende Kommunikationspart auf die spiegelverkehrte Weise aufgebaut war: Einige wenige Leitmedien schreiben beziehungsweise senden. Es genügte demnach vollkommen, wenn man für den Lagebericht die großen Medien überwachte und Zusammenschnitte daraus in der Pressemappe dem Häuptling gereicht werden oder vom Referenten angesagt werden.
Es überrascht, dass es gerade so publikumsträchtige Institutionen wie eben die Deutsche Bahn oder der Vatikan, nicht begreifen, dass der mediale Abmahnungsholzhammer in der modernen Welt zu kaum mehr taugt, als ihn beherzt auf den eigenen Fuß fallen zu lassen, wenn man ihn herumschwingt. Anders sind solche Aktionen wie der klägliche Versuch der Deutschen Bahn, netzpolitik.org zur Unterlassung der Veröffentlichung eines Papieres abzumahnen, das genügend anderen, „echten“ Medien nachweislich bereits seit einer ganzen Weile vorliegt. Ein eher harmlose Papier, das ein Memorandum eines Gespräches zwischen Vertretern der Deutschen Bahn und Vertretern der zuständigen, datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde darstellt und nichts mehr oder weniger beanstandet, was eh schon bekannt ist und durch andere Aussagen – teilweise von Mehdorn persönlich – bereits vergleichsweise uninteressant geworden ist. Eine Rechtsabteilung, die offensichtlich komplett Amok läuft, ohne jegliche Weitsicht, wie eigentlich gerade die Stimmung im Volk ist. Und die war, rein gefühlt, gegenüber der Deutschen Bahn noch nie schlechter, wie derzeit.
In einer ähnlichen Lage der Papst und der Vatikan: Rücknahme der Exkommunikation eines erzkonservativen und antisemitischen Bischofs, der einer nachweislich rassistisch denkenden Priesterbruderschaft angehört, die von einem wirklich ausgesprochen gestörten Weltbild träumt und mit Phrasen spricht, wie sie jedem islamischen Imam sofort die umfassende Überwachung durch den Verfassungsschutz bescheren würde, wenn dieser auch nur annähernd solche Dinge ablassen würde. Dumpfester Rassismus, toleriert vom Statthalter Gottes, der mit der Rücknahme der Exkommunikation von Bischof Richard Williamson angeblich gar keine Zusammenhänge mit dessen Ansichten habe. Einem Bischof, der noch im November 2008 auf deutschem Boden vor (schwedischen) Kameras den Holocaust leugnete.
Selbstverständlich, man könnte Papst Benedikt XVI. sogar abkaufen, dass seine Rücknahme der Exkommunikation nichts mit den gesellschaftlichen Ansichten Williamsons zu tun haben. Allerdings ist es inzwischen nur noch ein bedingt großer Unterschied, ob der Papst da Zusammenhänge sieht oder nicht. Das Kind ist schon sowas von tief in den Brunnen gefallen, dass das normale Tagesgeschäft von Benedikt XVI., zu dem er nun in bester Kirchenignoranz demonstrativ zurückkehrt, wie der blanke Hohn klingt: Eine Ermahnung an Katholiken, die kommende Fastenzeit einzuhalten. Ob diese obrigkeitsbehaftete Ignoranz nicht doch Folgen haben könnte in unserer aufgeklärten Gesellschaft, bleibt mit Spannung abzuwarten.
Es zeigt sich, dass der Vatikan schlicht überhaupt nicht begriffen hat, wie die moderne Welt inzwischen funktioniert. Das zeigt sich durch die fulminanten Kommunikationspannen am laufenden Band, aber letztendlich auch am Internet-Auftritt selbst. Für den Vatikan ist das Internet nichts weiter als eine weitere Abspielstation, so wie Radio und Fernsehen auch. Interaktion ist nicht wirklich, erst gemeinte Diskussion schon gar nicht. Und eine gut eingespielte Altherrenriege sorgt offenkundig höchst effizient dafür, dass der amtierende Papst schlicht nichts davon mitbekommt, was außerhalb des Petersdomes so vor sich geht.
Wenn man so will, prallen hier die Regeln der Alten Welt laut aufklatschend auf die Tatsachen der Neuen Welt. Und vermutlich geht es nicht nur mir so, dass man sich bei solchen haarsträubenden Geschichten teilweise wie im Mittelalter befindlich fühlt.
Schreibe einen Kommentar