Unser kleines, konservatives Kampfblatt, die Pforzheimer Zeitung, hat wieder einmal etwas politischen Schiffbruch erlitten. Das kommt vor, besonders wenn das böse Internet nicht immer ganz der Meinung ist, wie man es bei der jahrzehntelang gepflegten und doch immer kleiner werdenden Abonnentenschar gewohnt ist. Ursache der kleinen Havarie ist die hiesige Kommunalpolitik – eine Sache, in der es sich eine Lokalzeitung naturgemäß eher nicht verscherzt und deshalb lieber noch eine Kanne mehr recherchiert und aufpasst.
Gestern, Sonntag, Neujahrsempfang der Stadt Pforzheim. Eine Veranstaltung, die traditionell in zwei Fraktionen geteilt ist: Eine Fraktion, die den Neujahrsempfang erleben möchte, die Grußworte, die Verleihung der Bürgermedaillen. Und eine Fraktion, die auf die kostenlose Verfütterung mit Bretzeln wartet, die nach dem offiziellen Programm stattfindet.
Dieses Jahr stand der Neujahrsempfang unter einem anderen Stern, denn seit Monaten wartet die Stadt auf eine Aussage der Pforzheimer Oberbürgermeisterin Christel Augenstein, ob sie dieses Jahr wieder zur Oberbürgermeisterwahl antreten wird. Da ein ernstzunehmender Gegenkandidat seinen Hut bereits am 2. Januar in den Ring geworfen hat und die Zauderei der Amtsinhaberin nun langsam albern werden könnte, waren sich praktisch alle einig, dass Sonntag die Katze aus dem Sack kommt und Augenstein ihre Kandidatur bekanntgibt. Das tat sie dann erwartungsgemäß auch.
Für Lokalblätter ist da natürlich erst einmal Halli-Galli angesagt. Schnell müssen Artikel geschrieben, Fotos gemacht, ein paar Stimmen aus Volk und Konkurrenz gesammelt werden. Und – ausdrückliches Lob! – die Nachricht war am Nachmittag auch schon online verfügbar, inklusive einer Online-Umfrage, ob der geneigte Leser es gut findet, dass Frau Augenstein wieder kandidiert. Für gewöhnlich bleibt so eine Online-Umfrage für ein paar Tage online und mit einem Klick lässt sich auch das Zwischenergebnis abrufen.
Solche Online-Votings sind mehrschneidig: Einerseits weiß jeder, dass sie nicht repräsentativ sind, weil man sie relativ einfach manipulieren kann, wenn man weiss, wie man mit Cookies umgehen sollte und wenn man weiss, dass manche Parteien mitunter sehr große Mailverteiler haben und innerhalb weniger Stunden gewaltige Stimmenzahlen aquirieren können. Obwohl man das weiß, ist man andererseits natürlich als Kandidat und Partei höchst daran interessiert, dass das Ergebnis einem gefällt, denn obwohl das Voting eigentlich Crap ist, ist es ein Gradmesser.
Ich habe also heute morgen brav meine Stimme abgegeben und das dann nicht mehr weiter beachtet. Heute Abend wollte ich mir das dann nochmal anschauen und vor allem auch mal die Hintergrundberichte zur Oberbürgermeisterin genauer durchlesen und durfte staunen: Von den Artikel war nichts mehr zu sehen – sie sind nicht mehr von der Startseite aus zu finden und auch nicht über die Rubrik für Lokalnachrichten. Und damit ist natürlich auch das Online-Voting nicht mehr erreichbar und dabei hat mich doch das Ergebnis interessiert.
Also hat man die Umfrage kurzerhand wohl aus dem Angebot entfernt. Und zwar ersatzlos. Das heißt: Fast. Denn wenn man ein proprietäres und relativ dummes Redaktionssystem verwendet und aktivierte Votings per AJAX in Artikel eingebunden werden, kann man ja spasseshalber im Browser-Cache schauen, ob man noch die gecachte Version des Artikels hat, die noch den AJAX-Aufruf des Votings innehat. Und siehe da, das Voting ist hinter den Kulissen (nicht ganz überraschenderweise) ja noch da und, hoppla, ich verstehe nun auch schlagartig, warum das Online-Voting nach einem Tag schon beendet ist und das Ergebnis nicht mehr öffentlich einsehbar ist:
Hauauau, das muss wieder schmerzen. 😉
Update: Ich habe Rückmeldung von der Pforzheimer Zeitung erhalten und es stellt sich zumindest als mehrschichtiges Problem dar. Zum einen startete die Online-Umfrage nicht zeitig mit den ersten Artikeln am Sonntag, sondern erst am Montag.Und dann flogen Montagabend die Artikel vom Sonntag wohl komplett über Bord und damit auch die dort integrierte Online-Umfrage. Nun ja. Bedauerlich. Ändert zumindest nichts am Ergebnis.
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