An sich war das Ende von Lycos Europe, dem europäischen Ast der Lycos-Marke, wirklich nur eine Frage der Zeit. Was mal hoffnungsvoll mit einer kleinen, feinen Suchmaschine im Jahre 1994 an der US-amerikanischen Carnegie Mellon University anfing, war zu seinen besten/übelsten Zeiten inmitten Dot-Com-Boom eine Art Tante-Emma-Laden für alles: Gleich eine ganze Batterie von eingebetteten Web-Suchen (deren Ergebnisse allesamt von anderen Suchmaschinen geliefert wurden), Gratis-Webhoster, Internet-Zugangsanbieter, Freemail-Anbieter, Chatportal, Quizkiste, Bußgeldrechner, Promillerechner, Newssite, virtueller Shoppingmall-Betreiber. Neben Yahoo war Lycos zwar immer nur der kleine Junior, allerdings machte Lycos im Wettbewerb des größten, unsortiertesten und unabgestimmtesten Online-Bauchladen schon frühzeitig ganz vorne mit. Immer auf der Suche nach dem Besucher, immer auf der Jagd nach möglichst bekannten Kooperationspartner und auch immer auf der Jagd nach Partner-Providern, die Lycos frohen Mutes als Startseite in die Browser-Installationen aufnahmen. Vollgestopft und seelenlos.
So schien das jahrelang auch prächtig zu funktionieren. Ebenso wie Yahoo wurde Lycos eine kräftige Marke – und eigentlich auch nur eine Marke. Der schwarze Labrador mit dem blauen Halsband, der zu besten Zeiten sogar in klassischer Fernsehwerbung daherkam, wedelte kräftig mit dem Schwanz und die Investoren gehorchten, ließen sich blenden und drückten Kapital ab. Während die kleinen Dot-Com-Bläschen vor sich hinplatzten, hatten die großen Player wenigstens noch Geld und eben noch ihre Marken.
Doch Kaufen von Technologien und Konzepten funktioniert nur dann, wenn man diese auch einverleibt und leben kann. Das funktionierte mit „alten“ Technologien wie Freemailing und Webhosting noch einigermaßen gut, prellte aber schon im support-intensiven Provider-Geschäft, in dem eine halbe Stunde Telefonsupport für einen Privatkunden locker die Gewinnmarge eines halben Jahres desselbigen kosten kann. So wurde deshalb schon frühzeitig eingespart, was nur ging und schamlos versteckt verdient. So manch Supporthotline, in die ein ahnungsloser, hilfesuchender Kunde hineintrat, kostete dann nicht mehr die Lycos-Gewinnmarke, sondern landete auf der Telefonrechnung des Kunden via 0190er-Nummer.
Das, was die alten Firmen aus dem Web 1.0 heutzutage krampfhaft mit Web 2.0 probieren, ist einer der erbärmlichsten Kapitel der Internet-Geschichte und ist am ehesten noch mit einer Rentnertruppe zu vergleichen, die sich in viel zu kleine, grelle Badeanzüge zwängt und am Strand von Malibu auf- und abstolziert, auf der Suche nach Hirnverfaulten, Goldkettchenträgern und Schmalspurindianern, die sich von der bunt blinkenden Klickerwelt, wie sie Lycos, Yahoo & Konsorten immer noch darstellen, immer noch gern beeindrucken lassen und für halbwegs intelligente Menschen unsäglich schlecht sind.
Das mit der Marke, das ist das Problem. Wenn man zu lange zu deutlich alles nur auf die Marke setzt, hat man ein Problem, wenn sich ein Lebenswandel vollzieht und die Marke unrettbar das Alte, das Olle, das Gestrige verkörpert. Das hat schon vor Monaten Yahoo gemerkt, das merkt heute Lycos Europe und das werden morgen noch eine ganze Reihe anderer Web-1.0-Unternehmen merken, deren Namen ich hier tunlichst nicht nennen werde, weil sie immer noch genügend Geld für ihre Rechtsanwälte haben. Noch.
Finito. Das Ende kommt immer, meist schnell und für die Protagonisten unerwartet. An einst für das Web nicht ganz unwichtige Institutionen kann man sich noch mit historischen Aufzeichnungen erinnern. Andere Wegelagerer, die kennt man schon heute kaum noch.
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