Folgender Ausgangspunkt (der mir selbst noch nicht passiert ist): Man kennt jemand auf einer virtuellen Plattform öffentlich, hat also beispielsweise in einem Xing-Profil einen bestätigten Kontakt zu einer anderen Person. Diese Person kündigt nun seine Bekanntschaft, wovon man bei Xing nicht sonderlich viel merkt, außer dass der Zähler für bestätigte Kontakte nun einen bestätigten Kontakt weniger zeigt und der betreffende Kontakt fortan in der Rubrik „unbestätigte Kontakte“ weilt, also der Kontakt nur noch einseitig besteht.
Bevor der geneigte Leser jetzt ob dieser vermeintlichen Belanglosigkeit einfach zum nächsten Feed springt, kann etwas Nachdenken jedoch nicht schaden. Denn kann man sinnvoll tatsächlich zwischen virtuellen und „realen“ Bekanntschaften unterscheiden? Sollte man das überhaupt? Schwere Frage, zumal die gute, alte Netiquette hier gar nicht so recht helfen kann. Letztendlich aus zweierlei Gründen: Zum einen gab es in der Frühzeit der elektronischen Unterhaltung selten so Beziehungskisten wie Social Networks und zum anderen mag die Netiquette nicht die grundlegenden zwischenmenschlichen Beziehungen erläutern, die man im Kindergarten lernt.
Die Frage ist also eher, wie man miteinander in der Online-Welt umgehen mag. Und wenn man da die Analogie in die „reale“ Welt mitspinnen mag (was man auch sollte), ist das einfache Beenden von Online-Bekanntschaften unschicklich.
Gut, könnte man kontern, wenn mich mal jemand anruft und mit mir ein Gespräch führt, wird der ja auch nicht automatisch mein Freund. Korrekt, wenn man nicht gerade ultrabarmherzig ist, allerdings macht hier der Ton die Musik. Beziehungen entstehen selten aus gleichgewichtigen Gründen auf beiden Seiten, sondern meist hat die eine Seite der Beziehung eine höhere Intention, als die andere. Das muss man als „Minor-Partner“ vielleicht nicht berücksichtigen, kann es aber. Und genau da sind wir dann mittendrin. In meinen Augen hochproblematisch, einfach mal aufzuräumen und das grundlos zu machen. Da tritt man unter Umständen Leuten mehr auf den Schlips, als man mit der Aufräumaktion gewonnen hat, denn was tun, wenn man sich plötzlich in der „Realität“ wieder einmal trifft?
Andererseits – und ich habe dazu mal einen kleinen Diskurs mit Kollege und Vaihingens Oberbloggermeister Oliver Gassner gehabt: Wen stört es, wenn in meinen Xing-Kontakten ein Viertel der Kontakte reine Online-Bekanntschaften sind, mit denen ich in meinem Leben vielleicht gerade einmal ein halbes Dutzend E-Mails gewechselt habe? Mit jeder besseren Adressorganisation ist das spielend zu bewältigen und wenn es Tagging noch nicht gäbe, müsste man es genau für diesen Zweck erfinden.
Demzufolge mein Resümee: Wer seine Kontakte auf die Weise aufräumt, als dass er grundlos Kontakte „entsorgt“, macht das taktlos und stellt, vermutlich unbewusst, die delikate Gegenfrage in den Raum, auf welche Weisen er eigentlich „Bekanntschaft“ definiert.
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