So langsam wird Xing erwachsen und nähert sich dem Zustand einer großen, etablierten Firma, die alles kann und macht, um Geld zu verdienen und dabei irgendwie ihr Produkt bzw. ihre Kundschaft dabei vergisst.
Anders kann man es sich nicht erklären, dass die Xing-Macher nun ihre Drohung, richtig Zaster verdienen zu wollen, in dem sie Werbung in Xing schalten, ausgerechnet am 31. Dezember wahrgemacht haben. Ausgerechnet mit stichwortsensitiven Werbeeinblendungen auf den Profilseiten, auf dem sich jedes Mitglied vorstellt. Und eingeblendet wird diese Werbung ausgerechnet auch nur bei Nicht-Premiumkunden. Und natürlich hat kein Xing-Macher es für notwendig gehalten, die Kundschaft davor oder bei der Umstellung zu informieren.
Heraus kam das auch noch durch Kundeninitiative, in dem ein Nicht-Premiumkunde in einem Xing-Forum anmerkte, dass er nun bei Profilseiten Werbung sehen würde. Und die hatte es in sich, denn bei Profilen von Bankangestellten prangte beispielsweise passende Werbung von Direktbanken, auf anderen Profilseiten wurde eine Seite über Verhütungsmittel beworben, auf anderen Seiten tippte ein Mann in Unterhose auf einem Arcor-Werbebanner und so weiter und so fort.
Wie bei Xing fast schon üblich, spricht erst einmal nicht der Chef, sondern jemand aus der Fußtruppe, in diesem Fall die Dame mit der ehrenwerten Berufsbezeichnung „Team Leader Community Relations“. Mit Antworten, die in etwa summarisch eine Essenz von „Ich gebe es weiter!!!“ ergeben. Ratter, ratter, macht im Forum und flugs sind über 1.000 Einträge allein in diesem Diskussionforum entstanden. In der Zwischenzeit schimmelte die ganze Geschichte auch in die Blogosphäre und da auch gleich ganz nach oben. Der Werbeblogger schrieb (berechtigterweise) etwas grätzig und schob noch belustigendes hinterher und auch Robert Basic konnte es sich nicht verkneifen. Damit, so meint man, hat man es PR-GAU-technisch eigentlich geschafft. Offensichtlich so nicht eine AG, bei der vermutlich der Aufsichtsrat auch ein Wörtchen darüber mitreden will, was der Vorstand da möglicherweise auf sowas herausknattert:
Irgendwann, weit nach 1.000 Einträgen und geschlagene drei (3!) Tagen später kommt „Team Leader Community Relations“ nochmal rein ins Forum, setzt einen Link auf ein anderes Forum und macht das alte dicht.
Im neuen Forum sitzt dann als Allererstes eine Nachricht von Chef. Salbungsvoll und in bestem Entrepreneur-Marketinggebälk bedankt er sich bei allen, die emsig diskutiert haben und mit vielen Menschen habe er persönlich gesprochen. Man nehme, wow, die Bedenken ernst und wolle ab morgen nachmittag es allen Premium-Kunden ermöglichen, dass diese die Werbeeinblendungen auf ihren Profilseiten ausschalten können. Wohlgemerkt: Opt-Out. Und wohlgemerkt: Nur Premium-Kunden. Der Rest darf also weiterhin sein Profil mit lustigen Werbebannern geschmückt wissen. Oder auch nicht. Denn auf die vielen Rückfragen, in diesem neuen Forum, ob denn das nun auch wirklich an alle Xing-Kunden kommuniziert würde, kam auch erst mal nichts mehr. Und, hey: Will der Chef da tatsächlich erzählen, man habe nicht ahnen können, dass eine solche Bannereinblendung mit fast gnadenlos sicherer Sicherheit Aufruhr wecken dürfte, vor allem bei der zahlenden Xing-Kundschaft. Ein faires Eingeständnis dafür, dass man es halt einfach mal schamlos versuchte und empfindlich dabei aneckte, sieht anders aus.
Was kam, ist der Aktienkurs. Und zwar nach unten. Während der DAX heute 0,5 % nachgab und der am ehesten vergleichbare TecDAX 0,77 %, legte Xing ein Geruder auf dem Eis mit minus 5,95 % hin, nachdem heute dann auch Heise.de und Spiegel Online über die PR-Nummer schrieben.
Das klassische Bayern-München-Syndrom: Vor lauter Börsengängen, Preisen, Fernsehauftritten, Zukäufen und Adhoc-Meldungen vergisst man gern, dass man das Geld eigentlich nicht selbst verdient, sondern dass man zuerst mal eine gute Show präsentieren muss, damit Leute kommen und bleiben, die das Geld zum Verdienen dalassen. Das kann man Hoeness-like einfach mal aussitzen und die dumme Kundschaft dumme Kundschaft sein lassen. Damit kann man aber irgendwann aber auch einfach mal ordentlich auf die Nase fallen, wenn man eine tolle Plattform mit toll viel Werbung hat, aber keine Kundschaft mehr da ist, die diese tolle Plattform bevölkert. Und wie es in Communities immer so ist: Nicht die Masse macht es, sondern die Klasse. Aber das werden sie vielleicht auch irgendwann mal lernen. Spätestens dann, wenn Investmentgesellschaften und Banken zur Xing-Aktie nicht mehr „Buy“ sagen, sondern „Bye“.
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