“Sie machen Online-Publishing?”

Irgend jemand muss wohl vor langer Zeit einmal ein Gesetz verfasst haben, das besagt, dass Autoren grundsätzlich immer ein Buch schreiben oder zumindest ihre Werke auf Papier erscheinen. Ansonsten kann man kein richtiger Autor sein. Mit „richtiger“ Autor ist vor allem die Frage verbunden, ob man als Autor in erster Linie Auftragsarbeit erledigt oder selbstständig schreibt. Das ist eng verbunden mit der Frage, ob man als Autor ein Freiberufler sein darf oder nicht.

Das ist alles nicht ganz ohne, denn als Freiberufler hat man diverse, kleine Vorteile, wenn man eine Nebentätigkeit (nein, ausdrücklich kein Gewerbe!) tut: Unter anderem brauche ich kein Gewerbe anzumelden und erhalte freundlicherweise nicht als einer der ersten Rechnungen die von der hiesigen IHK. Dazu ist aber zumindest geistig eine Argumentation vorzubereiten, was man denn am Telefon den Leuten erzählt, die fragen, was man da eigentlich so treibt. (Die folgende Argumentation mag sich jeder, der ähnliches tut, gern mal ausdrucken.)

Also, ich bin Autor. Autor, der kein Buch schreibt und keine Zeitungsartikel, sondern ein eigenes Web-Projekt mit Inhalten bestückt. Ergo: Eine Online-Publikation, frei verfügbar im Internet, für jeden. Ich schreibe nach Gusto neue Artikel, überarbeite vorhandene Artikel, füge Grafiken hinzu und das alles ohne Auftraggeber und ohne wirtschaftlichen Zwang. Der Schwerpunkt der gesamten Nebentätigkeit liegt also in der Erstellung und Pflege dieses Projekts.

Finanziert wird dieses Projekt durch das Bereitstellen von Werbefläche. Diese Bereitstellung erfolgt ohne direkte Kundenaquise, ich stehe also nicht morgens im Stadtbus oder samstags in der Fußgängerzone an einem Infostand deswegen. Genauso nehmen Werbetreibende, die Werbefläche buchen, keinerlei Einfluss auf bestehende oder zukünftige Artikel. Dazu kommt, dass die administrativen Arbeiten der Werbeflächenvermietungen nur einen einstelligen Prozentsatz der gesamten Arbeitszeit am Projekt erfordert.

Und, zum Teufel: Versteht endlich, egal ob ihr Großhändler, Finanzamt oder Handelskammer seit, dass ich weder ein Buch schreibe, noch einen Online-Kleinanzeigenmarkt verwalte, noch mit der Schalmei auf der Fensterbank sitze und einsame Arien vor mich herklimpere, sondern Autor einer Online-Publikation bin! Einem Ding, das sich jeder anschauen kann und, kühn gemessen an der Besucherzahl, eine Auflage hat, von der jeder drittklassige Hinterhofautor träumt.

So, ich bin es leid. Jedem Autor eines Groschenromanes – egal, ob er überhaupt jemals einen Roman veröffentlicht hat oder nicht – wird eher abgenommen, dass er freiberuflich tätig ist, als einem Online-Autor. Beim nächsten Mal, wenn die Handelskammer obskure Briefe schickt, werde ich netplanet ausdrucken, als Buch binden und den Freunden ins Regal stellen lassen, vielleicht funktioniert das eher, um Leuten aus dem Gestern zu erklären, dass irgendjemand ja den Mist schreiben muss, den sie tagtäglich im Internet lesen wollen.


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