netzpolitik.org ist an sich eine interessante Geschichte von Leuten, die offensichtlich verstehen, wie Politik funktioniert und wie Politik zusammen mit dem Internet und übrigens auch das Internet zusammen mit Politik funktionieren kann. Es gibt allerdings auch Überraschungen.
So wundert man sich, dass Thorsten Schäfer-Gümbel möglicherweise für seine Twitter-Aktivitäten einen Berater hat, der ihm mindestens einen Twitter-Artikel vorgeschrieben oder möglicherweise den Artikel in seinem Namen auch abgesendet hat. Inhaltlich geht es um eine kleine Aktion, in der Thorsten Schäfer-Gümbel ankündigt, den 2014. Twitter-Follower zu einem Essen einzuladen, um mit ihm über dies und das in Sachen Politik zu schnacken. Denn nach Recherchen wurde genau dieser Tweet vorher von einem User namens „oliverbarracuda“ gesendet und die Agentur Barracuda gehörte im Wahlkampf von Thorsten Schäfer-Gümbel zu den externen Beratern im Wahlkampf.
Wie auch immer: Ist das jetzt tatsächlich ein Hammer, dass ein Politiker für seine PR-Aktivitäten und seine Wahlkämpfe externe Berater einbindet? Beziehungsweise glaubt tatsächlich jemand, Politiker außerhalb der Kreisklasse schaffen einen überzeugenden, Personenwahlkampf ganz allein und klebt möglicherweise seine Plakate selbst? Oder mal ganz themenwechslerisch gefragt: Wird Werbung für ein Waschmittel auch von den Leuten gemacht, die das Waschmittel tatsächlich herstellen? Wann ist etwas authentisch?
Politik ist, zumindest in der Demokratie, ein Mannschaftssport. Ebenso sind auch Wahlkämpfe Teamarbeit, die, wenn sie gut sein sollen, auch gar nicht vom jeweiligen Kandidaten selbst geleitet werden. Überall lebt ein Wahlkampf von der Kommunikation von Inhalten und das geschieht in den allermeisten Fällen in einer stellvertretenden Situation. Ich bin nicht der Kanzlerkandidat, für dessen Werte ich letztendlich auch eintreten könnte. Ich bin auch nicht jemand, der alle Dinge gut findet, die in einem Partei- oder Wahlprogramm steht. Dennoch trage ich es in der Gesamtheit mit, wenn ich in einem Wahlkampf mitmache. Und wenn sich da jetzt schon in einer Steilvorlage sieht und den Kommentar vorbereitet: Das ganze, moderne Leben besteht aus Fragen, wann bei einer Sache die Menge der Vorteile so über die Nachteile überwiegen, dass man dafür eintreten kann. Denkt dran, wenn das nächste Mal die Blase drückt, während ein spannendes Fußballspiel läuft. That’s it.
Um nochmal auf einen modernen Wahlkampf zurückzukommen: Ich halte es in einem modernen Wahlkampf für inzwischen eminent wichtig, darzustellen, dass es nicht nur einen Kandidaten und eine Partei gibt, sondern dass es einen Kandidaten und viele Menschen gibt. Menschen haben Meinungen, keine Parteien. Genau das ist ein zentrales Credo des Wahlkampfes von Barack Obama gewesen und mir kann wirklich keiner erzählen, dass Barack Obama seinen Twitter-Stream selbst befüllt hat.
Muss er aber auch gar nicht wirklich getan haben, denn viel wichtiger ist für mich als politischer Mensch, dass Barack Obama weiß, dass er einen Twitter-Stream hat und vor allem auch weiß, dass dieser Kommunikationsweg nicht One-Way ist. Denn dann verstehen wir und dann versteht auch er. Und deshalb können auf echten Wahlkampf- und Parteienblogs auch echte Namen von Menschen aus den Wahlkampfteams oder der jeweiligen Partei stehen, weil sie eine Mission und Vision eines Menschen oder einer Partei mit vertreten.
Das ist dann auch meine Message an die lästernden Kiddies vom „Webcamp09“ der CDU Hessen, denn während Thorsten Schäfer-Gümbel zumindest zu einem großen Teil nachweislich selbst twittert, glaube ich kaum, dass Roland Koch überhaupt weiß, was Twitter eigentlich ist. Viel schlimmer dabei ist, dass man es einem Roland Koch abnehmen würde, authentisch sein zu wollen, nur weil er möglicherweise irgendwann einen Twitter-Stream hat.
Und spätestens dann ist ein „Webcamp09“ nichts anderes wie eine lausige Wahlkampfstrategie von einigen aufgedrehten und schlecht gekämmten Schreihälsen, die glauben, man müsse nur die Begriffe „Camp“, „WordPress“ und „Twitter“ in eine Büchse werfen, ordentlich schütteln, laut schreien und dann gewinnen. Denn aus der Warte betrachtet, hat die Strategie eigentlich granatenmäßig versagt, wenn man berücksichtigt, dass bei der jetzigen Hessen-Wahl die CDU am ihrem Ergebnis praktisch nichts verändern konnte.
Mir kommt da immer das lustig-bunte Wahlkampfteam des Günther Oettinger im Landtagswahlkampf 2006 in den Sinn, das aus einem Haufen junger Leute bestand, die wie die Duracell-Hasen die Umgebung von Infoständen mit dem Spitzenkandidaten unsicher gemacht haben. Und was waren sie: Gekaufte PR-Hasen von einer Agentur aus Hamburg, die noch nicht mal in der Jungen Union oder in der CDU Mitglied waren.
Wann ist authentisch nochmal authentisch?
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