Altes aus dem Schwarzwald: Die Schwarzwaldklinik

Mit insgesamt 70 Folgen zu knapp 45 Minuten schaffte es das ZDF anno 1985 bis 1988, riesige Zuschauerzahlen samstagabends um 19:30 Uhr vor die Glotze zu bekommen – auch nach über 35 Jahren kann das nur die Schwarzwaldklinik gewesen sein. Die taucht immer wieder einmal in voller Pracht auf ZDF Neo auf und ist auch jetzt noch komplett in der ZDF-Mediathek anzuschauen. 70 Folgen Zeitgeist der 1980er Jahre.

Nun kann man durchaus sagen: 70 Folgen Hochleistungs-Schmalz. Doch damit tut man den Machern eigentlich weniger Ehre, als ihnen eigentlich gebührt. Denn die eigentliche Aufgabe, mit der Schwarzwaldklinik ein Pendant zum „General Hospital“, der Mutter aller Krankenhausserien, zu schaffen, gelang. Zunächst. Denn gleichzeitig ist die Schwarzwaldklinik ein Paradebeispiel dafür, wie eine Serie nach der ersten Staffel schlicht kaputtgeht.

Die brillante erste Staffel.

Zur ersten Staffel kann man nur sagen: Brillant. Die Charaktere gut ausgearbeitet und mit Chefarzt Klaus Brinkmann eine Serienfigur, die von der ersten Folge wirklich glänzt. Ich hatte es als Zehnjähriger, als ich die Schwarzwaldklinik zum ersten Mal sah, gar nicht wirklich verstanden, dass Klausjürgen Wussow in seiner Rolle derartig gut aufging. Dass Wussow nach eigenen Angaben eigentlich Arzt werden wollte, nimmt man ihm sofort ab. Und Ehre gebührt auch der Dramaturgie, die es auf fast magische Weise schafft, die beiden wichtigsten Orte, Klinik und Privathaus Brinkmann, so eingehend vorzustellen. Man war plötzlich drin im Geschehen einer relativ gemütlichen Klinik im Schwarzwald.

Wer jetzt die Schwarzwaldklinik als schmalzig-schmachtende Serie kennt – das war nicht immer so, schon gar nicht in der ersten Staffel. Denn hier war das Medizinische durchaus noch im Vordergrund. Der Zuschauer bekam die ein oder andere seltsame Krankheit mit und der Herzinfarkt von Klaus Brinkmann gegen Ende der ersten Staffel war nicht nur extrem gut von Wussow gespielt, sondern glänzte beispielsweise auch mit einer anschaulichen und vor allem richtigen medikamentösen Behandlung durch Auflösung des Blutgerinnsels mithilfe einer so genannten Streptokinase. Nur dass die mit Röntgenblick durchgeführt wurde, weit und breit aber kein Röntgengerät stand, fällt dann nur noch den ganz harten Leuten wie mir auf.

Die entscheidende dritte Staffel.

Mit der dritten Staffel begann die Schwarzwaldklinik dann, unübersehbar abzudriften in eine immer schmalziger werdende Krankenhausserie und näherte sich damit ironischerweise immer stärker ihrem Vorbild „General Hospital“ an. Das „klinische“ wurde immer seltener, mangels neuer Hauptdarsteller beschäftigten sich die Figuren immer mehr miteinander, da ja nun alle wichtigen Kombinationen durch waren. Richtiggehend penetrant wurde es ab der letzten Staffel mit der Hintergrundmusik, die quasi permanent vorhanden war.

Reichlich obskur waren dann auch die Ausflüge außerhalb der Schwarzwaldklinik. Beispielsweise der Kurzeinsatz von Udo Brinkmann in einer hamburgischen Unfallklinik. Um das so richtig drastisch auszumalen, lagen dort Patienten auf den Gängen, Udos Chef war permanent verschwitzt und trug immer einen blutbefleckten Kittel. Hamburg, die Hölle. Und so kam Udo natürlich reumütig auch wieder zurück in den Schwarzwald.

Die völlig verschmalzte letzte Folge.

Es gipfelte dann in der allerletzten Folge mit allem, was Kitsch und Dramatik aufbieten konnten. Gustl Bayrhammer als früher Patient, dem aufgrund seines hundertjährigen Geburtstages der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg zum Geburtstag in der Klinik gratulierte. Quasi gleich im nächsten Bild das „Jubiläum“ zum 80. Geburtstag der Klinik. Und da wurde keine große Party inszeniert, sondern die bestand aus einer Rede von Professor Brinkmann vor versammelter Darstellerschaft.

Auch noch in die letzten 15 Minuten gepackt: Die Hochzeit von Udo Brinkmann mit Elke. Davor geht Udo irgendwie verloren, auch noch Brinkmanns Sohn Benjamin, der von seinen Eltern verzweifelt dadurch gesucht wird, dass sie zu Hause im Garten am Telefon darauf warten, dass Benjamin irgendwann wieder zum Gartentor hereinspaziert – was er dann, ein Wunder, auch tut.

Zwei Minuten Kirche, feierlich aus der Kirche ausgetreten und zack, Abspann. Ein Serienende, das in Sachen Chaos seinesgleichen sucht und man den Eindruck bekommen musste, dass die Drehbuchschreiber in die letzte Folge noch schnell einen riesigen Batzen Drehbuch versenden mussten. Was auch gar nicht so falsch geraten ist, denn tatsächlich sollte diese letzte Folge, die in der aktuellen Fassung 45 Minuten lang ist, eigentlich 90 Minuten lang sein. Aber da war der Schwarzwaldklinik-Stern auch schon wieder untergegangen.


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Kommentare

3 Antworten zu „Altes aus dem Schwarzwald: Die Schwarzwaldklinik“

  1. Avatar von Christine

    In den letzten Wochen habe ich die Schwarzwaldklinik dann auch nochmal durchgeguckt. Hier meine Bemerknisse: Der Hundertjährige ist nicht Bayrhammer, sondern Gert Fröbe(!) in seiner letzten Rolle (!!). Aber ich gebe dir recht, dass viele Episoden aus heutiger Sicht eher einem Bauerntheater gleichen.

    Ich amüsiere mich köstlich über die damals getragene Kleidung.

    Mit Schrecken betrachte ich das damals gängige Frauenbild und bin froh, dass ich in den 80ern noch nicht erwachsen war.

    Was mich aber total erheitert ist die Riege an Schauspielern in den Episoden(haupt)rollen. Viele der Personen haben inzwischen eine lange Karriere hinter sich: Robert Atzorn, Udo Wachtveittl…. alle alle, die heute (noch) Rang und Namen haben traten dort auf.

    1. Avatar von Besim Karadeniz
      Besim Karadeniz

      Stimmt, hast recht mit Gert Fröbe. Ich muss zugeben, dass der Artikel hier eine echt alte Konserve ist, die schon seit zwei Jahren als Entwurf im Blog herumfliegt. Ich habe den gar nicht mehr so groß bearbeitet… raus, was raus muss. 🙂

      Herrlich skurril sind auch Details. In der Folge, in der Benjamin krank wird – in der Folge wird richtig viel erzählt – kommt Dr. Schäfer ins Zimmer von Brinkmann. Ein Gespräch entsteht und langsam geht Schäfer zum altmodischen Schrank von Brinkmann, öffnet die rechte Türe und holt – eine Kaffeekanne mit zwei Tassen heraus, die er dann befüllt und die sie trinken. Kaffee im Schrank…

  2. Avatar von Christine

    Jene Folge kam am Freitag nochmal…. da wird wirklich durch den Stoff durchgehechelt, als ob man die Themen alle schnell noch abhandeln muss, weil man sonst eine Vertragsstrafe riskiert oder so.

    Ich möchte das „Bauerntheater“ aus meinem ersten Kommentar streichen und es durch „scripted reality“ ersetzen. Viele Szenen sind so hanebüchen, dass es einem aus heutiger Sicht die Schuhe auszieht.

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