Nun ist eine automatische Gesichtserkennung weitgehend langweilig, wenn das Bildmaterial aus Familienfotos besteht. Wie Mami, Papi, Oma, Opa und Tantchen aussehen, dürfte für die restlichen Familienangehörigen weitgehend klar sein.
Wohingehend eine automatische Gesichtserkennung hochinteressant wird, ist bei Bildern, auf denen viele Menschen sind. Ich habe Picasa spaßeshalber auf die rund 3.000 Fotos losgelassen, die derzeit auf meiner Festplatte liegen.
Wichtiger Vorabhinweis für Freund und Feind: Ich teste die Gesichtserkennung von Picasa lokal auf meinem Rechner und werde weder die betreffenden Bildersammlungen, noch die durch Picasa erstellten Metadaten ins Internet hochladen oder weiter verarbeiten.
Um was geht es eigentlich?
Picasa ist eine kostenlose Bildverwaltungssoftware von Google. Was einst als einfach zu bedienende Software begann, ist in der Zwischenzeit ein ausgewachsenes Programm, mit dem man auch viele tausend Bilder in verschiedensten Bildformaten und selbst auch RAW-Formate von Kameras übersichtlich sortieren kann. Neben dem Sortieren gibt es auch Möglichkeiten, Bilder automatisch zu korrigieren und neben den üblichen Dingen wie Helligkeit oder Kontrast beispielsweise auch “rote Augen”. Damit das schon funktionieren kann, muss Picasa logischerweise menschliche Gesichter eben als menschliche Gesichter erkennen können.
Mit der Version 3.6 hat Picasa eine weitergehende automatische Gesichtserkennung implantiert bekommen, die erheblich mehr kann – nämlich das Erkennen von Gesichtern und das Gruppieren von offensichtlich gleichen Gesichtern in virtuelle Alben, die dann benannt werden können.
Wie funktioniert das?
Zunächst rattert Picasa, wenn man die automatische Gesichtserkennung starten möchte, los und braucht durchaus eine Weile: Bei 3.000 Fotos nudelte Picasa auf meiner 2-GHz-Dualcore-Maschine geschlagene 90 Minuten, immerhin sieht man die ersten Ergebnisse jedoch schon nach den ersten Bildern.
Diese Ergebnisse sehen zunächst recht unspektakulär aus (die Gesichter habe ich, bis auf meines, unkenntlich gemacht). Picasa zeigt in Vorschaubildern die Gesichter an, die es in Fotos erkennen konnte:
Unter den einzelnen Bildern gibt es jeweils eine Textbox, in die der Name des Menschen eingetragen werden kann, der auf dem Bild erscheint. Gibt es den Namen noch nicht, kann ein neuer Eintrag der Personenverwaltung von Picasa angelegt werden:
Und schon hier wartet eine erste Fußfalle, mit der man fotografierte Menschen schön durchsuchbar ins Internet setzen kann. Die kleine, versteckte Funktion auf der rechten Seite namens „Mit Kontakten und Webalben synchronisieren“ ermöglicht es nämlich einem so markierten Personeneintrag, dass dieser beim Hochladen von Bildern offensichtlich in das Picasa-Webalbum des Benutzers mitwandern darf. Hat man also schön ein Bild mit einem Gesicht und dieses Gesicht brav mit Vorname und Name versehen, wandert beim Hochladen des Bildes ins Webalbum auch gleich die Personeninformation mit, wenn dies in den Optionen nicht deaktiviert wird.
Doch es geht noch besser.
Ich hatte beispielsweise ein Gesicht auf drei Bildern erfolgreich identifiziert. Also stand in der Personenübersicht auch der Name mit einer nachfolgenden Zahl „3“. Nun war in der Sammlung der unbenannten Bilder das Gesicht nochmal vertreten. Offensichtlich hatte es Picasa nicht automatisch erkennen können. Ich fügte dieses Bild manuell dem Personenalbum zu, der Zähler stieg aber nicht auf vier, sondern auf sechs. Tatsächlich hatte ich also das Gesicht auf einem Bild identifiziert, Picasa hatte aber offensichtlich dieses unbekannte Gesicht wiederum auf zwei weiteren Bildern erkannt.
Picasa arbeitet nämlich schon während des Sammelprozesses daran, Gesichter zu gruppieren, die aber nicht alle auf der Seite der unbenannten Gesichter gezeigt werden. Anders gesagt: Wird ein Gesicht mit Namen versehen, gilt das nicht nur für dieses eine Bild, sondern möglicherweise auf einen Schlag auch für eine Reihe von weiteren Bildern, auf denen Picasa das gleiche Gesicht erkannt hat. Hat man also beispielsweise schon einen Hans Mustermann identifiziert und den Personenkontakt angelegt und erscheint auf der Seite mit den unbenannten Fotos noch ein Foto dieses Herrn Mustermannes, das Picasa nicht automatisch erkennen konnte, dann kann man dort dieses Bild benennen und zum Personenkontakt hinzufügen, sieht aber nicht sofort, dass da vielleicht noch mehrere Bilder folgen, die Picasa mit dem fraglichen Bild gruppiert hat.
Wo ist jetzt das Problem?
Das Problem ist mehrschichtig.
- Die Gesichtserkennung ist erschreckend gut. Auf einigen Bildern einer Sportveranstaltung, auf denen ich die Tribüne mit im Bild hatte, hat Picasa gleich dutzendweise Gesichter erkannt und zur Erkennung vorgeschlagen. Da die Bilderkennung offensichtlich immer besser wird, je mehr Gesichter pro Person vorhanden ist, identifiziert Picasa bekannte Gesichter immer schneller und zuverlässiger im Bildbestand. Bei Bildern, die dann später möglicherweise über Webalben veröffentlicht werden, kann man richtig viele Personeninformationen veröffentlichen.
- Durch die weit gehende Gesichtserkennung, die in der Ansicht zur Identifizierung von nicht erkannten Personen unter Umständen eine Reihe von Bildern nicht anzeigt, auf denen das identifizierte, aber zumindest schon mit erkannten Gesichtern, die auf weiteren Fotos zu sehen sind, kann ein Benutzer eine Person auf einen Schlag auf einer Vielzahl von Bildern identifizieren, ohne diese im einzelnen zu sehen.
- Ein unerfahrener Benutzer, der in Picasa automatisch Gesichter erkennen lässt, kann problemlos andere Menschen auf seinen Fotos identifizieren und diese so erstellten Metadaten in sein öffentlich zugängliches Webalbum hochladen, ohne dass er sich dem wirklich bewusst ist, weil die Voreinstellungen dies grundsätzlich erlauben. Dass die identifizierten Personen davon logischerweise nichts mitbekommen, muss man nicht weiter erwähnen.
- Hochgeladene Bilder mit Personeninformationen sind, wenn das Webalbum öffentlich ist, entsprechend in den Webalben suchbar.
Wie kann ich meine Picasa-Installation bändigen?
Das geht, je nach Stärke des Holzhammers, auf verschiedene Weisen:
- Die automatische Gesichtserkennung lässt sich zentral in den Picasa-Optionen (im Menü „Tools„) ausschalten, nämlich auf der Registerkarte „Namens-Tags„. Ist die Funktion deaktiviert, können Bilder nur noch manuell mit Personeninformationen versehen werden, Picasa selbst tut das dann nicht mehr automatisch.
- Wer auf die Bilderkennung nicht verzichten will, aber zumindest sicherstellen möchte, dass Personeninformationen nicht in Webalben in die Öffentlichkeit getragen werden, kann, ebenfalls in den Picasa-Optionen, auf der Registerkarte „Webalben“ den Haken bei „Namens-Tags: In Foto-Uploads einschließen“ den Haken herausnehmen.
Ein Sicherheitsproblem?
Eher nicht. Eher ein Privacy-Thema, das dank zu lascher Voreinstellungen schnell zu peinlichen Ergebnissen führen kann. Man könnte daran arbeiten.
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