Das vielbeschimpfte Internet ist schon toll, vor allem auch für klassische Medien. Musste man doch früher, wenn man das Leben von bis dato weitgehend namenlosen Opfern nachzeichnen wollte, extra zum Wohnort herausfahren, um das Haus des Opfers herumlungern, Nachbarn oder den Bäcker/Friseur/Tankwart befragen, sich mit anderen Leichenfledderern Reportern vor Ort herumschlagen und BILD lesen.
Heute ist das ganz einfach: Man nehme den Namen und lege los. So passiert das gerade mit einer gewissen Jenny B. Das ist die Frau, die vom Segelschulschiff Gorch Fock aufgrund noch ungeklärter Umstände ins Meer gefallen und ertrunken ist. SPIEGEL ONLINE nennt sie superkorrekt „Jenny B.“ und schreibt:
„Durchsucht man mit dem vollständigen Namen der Seekadettin Jenny B. das Internet, stößt man schnell auf eine Seite, die betroffener kaum machen könnte. Es ist bloß ein kurzer Eintrag, den die 18-Jährige hinterlassen hat, doch selbst die wenigen Zeilen erzählen von einer lebenslustigen, unbekümmerten, „recht ordentlichen“ jungen Frau, die „das Leben genießen“ wollte und sich als „Typ zum Pferde stehlen“ beschrieb. „Das Leben ist zu kurz, um langsame Musik zu hören“, verkündete sie übermütig.“
Wie praktisch doch so soziale Netzwerke sind. Die betreffende Seite findet sich hier bei einem Dienst namens „Netlog“ und da steht folgendes:
„Also, ich bin 17 Jahre jung, im Sternzeichen Jungfrau geboren. Mein Vorname stammt aus dem keltischen und bedeutet „Die Weisse“ und genau das bin ich auch
Ich bin recht ordentlich, setze mich sehr für meine Freunde ein (*allen mal ein Bussi zukommen lass*) und bin ein Typ zum Pferde stehlen!“
Ein Text, der kürzer ist als die Zusammenfassung von SPIEGEL ONLINE. Und der, wenn man rechnet, ein bis zwei Jahre alt ist. Und der, wenn man näher überlegt, auch von jedem geschrieben sein kann. Und der, wenn wir ehrlich sind, so richtig belanglos ist, weil es weder die Person beschreibt, weder wirklich jemanden betroffen machen kann und das Unglück nicht aufklärt. Es taugt am ehesten nur für eine Einleitung in die Nachricht, dass die Leiche nun gefunden ist und eigentlich nicht sonderlich viel mehr dazu zu berichten wäre.
Aber das ist in so Dingen wurst, die nachrichten- bzw. klatschgeile Klientel muss mit Inhalten versorgt werden, so belanglos und fragwürdig sie auch immer sind. Früher musste man sich dazu meist kalte Füsse draußen, in der Welt, holen. Heute ist das alles so praktisch!
[Nachtrag um 17:43: Ich habe den vollen Nachnamen aus diesem Artikel wieder entfernt. Nicht, weil ich der erste gewesen wäre – das hat die Welt Online getan – sondern weil unmittelbar sehr viele Besucher über Google diesen Namen recherchieren und hier landen. Es ist zwar unglaublich verlogen von mir, den Nachnamen wieder zu entfernen und so zu tun, als ob ich ihn nicht gesehen hätte, aber mir scheint das an dieser Stelle angebracht.]
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