Wegschauen bei Hate-Speech in Social Networks.

Wenn ich in meine Timelines der Social Networks, die ich benutze, hineinschaue, sehe ich kein so genanntes Hate Speech. Das hat einen triftigen Grund – ich entfolge alles aus den Freundeskreisen in Social Networks, was sich in diese Richtung hin äußert, inzwischen auch weitgehend kommentarlos. Ist das nun fair? Darf man einfach wegschauen, wenn sich Leute in der Öffentlichkeit rassistisch äußern? Eine berechtigte Frage, über die ich auch eine Weile nachdenken musste. Ungefähr 30 Sekunden.

A social network is not the reality.

Kommunikation in Social Networks haben eine ganz eigene Physik, die bei ungeübten Onlinern in hitzigen Diskussionen vor allem davon geprägt ist, dass verbale Grenzen überschritten werden. Und das in der Regel in größeren Dimensionen. Es wird gehasst, gedisst, beleidigt, verleumdet und aggressiviert, was das Zeug hält. Das hat einen meist sehr einfachen Grund: Man sieht die Grenzen nicht. Es ist deutlich einfacher, in ein Texteingabefeld eine Beleidigung hineinzutippen, als jemandem direkt ins Gesicht. Und es ist noch einfacher, eine Hasstirade zu befürworten, denn das kostet kein eigenes Wort und im Ernstfall kann man sein “Like” ja einfach wieder zurücknehmen.

Das soll keine Generalentschuldigung für Leute sein, die sich in Social Networks schlicht nicht im Griff haben, aber gerade für die Nutzung von Social Networks gilt einer der wichtigsten Grundsätze der Netiquette ganz besonders: Lese liberal, schreibe konservativ. Und das ist nicht politisch gemeint, sondern in Sachen Entzündlichkeit des Geschriebenen.

Man tut also gut daran, sich mit einem relativ dick gefütterten Pelz größere Diskussionen in Social Networks anzutun und sich vorab gut zu überlegen, mit welchen Leuten man diese führt. Mit sehr engen Freunden führt man durchaus andere und mitunter auch deutlich intensivere Gespräche als mit Leuten, die man nur flüchtig kennt.

Singen, zuhören oder abschalten?

Gerade weil viele Menschen vor dem Computerbildschirm ihre Grenzen nicht kennen oder sich bewusst nicht an Grenzen halten, hat das offensive Diskutieren in Online-Foren ein regelmäßig großes Potential, sehr schnell zu explodieren. Daran kann man Spaß haben oder man kann daran auch leiden. Das Problem bei letzterem ist, dass es vor allem immer das eigene Magengeschwür ist, an dem man auf diese Weise arbeitet. Da sollte man sich immer fragen, ob einem das so viel wert ist.

Es ist daher in solchen Diskussionslagen wie bei der Frage, ob man ein Rockkonzert besuchen möchte. Kann man mit der Band etwas anfangen, geht man vielleicht hin und hört es sich an. Kann man nichts damit anfangen, geht man am ehesten nicht hin. Vielleicht verpasst man dabei einen außergewöhnlichen Gig, aber erspart sich auf jeden Fall Musik, mit der man eigentlich nichts anfangen kann.

Mit dieser Haltung lebt es sich in Social Networks am stressärmsten und daher hat Hate-Speech gegen Minderheiten, Flüchtlinge und Ausländer nicht sehr lange Zeit, in meiner Timeline herumzugeistern. Entweder werden Nachrichten von solchen Absendern abbestellt oder eben der Freundeskreis verkleinert.

Ja, aber müsste man nicht aufbegehren gegenüber Idioten?

Kurzum: Ja, muss man. Wenn ein Ewiggestriger im Bus einen Ausländer anmacht, dann ist Zivilcourage gefragt, die in den meisten Fällen auch zur erfolgreichen Ausgrenzung des Aggressors führt. Aufbegehren gegen Aggressoren sollte im edelsten Fall dazu führen, dem Aggressor vor Augen zu halten, dass sein Verhalten inakzeptabel ist. Im Idealfall führt dieses Aufbegehren zu einer Einsicht.

In einer Timeline sieht das schon etwas anders aus, denn die ist nur eine scheinbare Öffentlichkeit. Sie enthält nämlich nur die Freunde, die man selbst lesen und die einem selbst noch nicht mal unbedingt folgen müssen. Das könnte zum Beispiel zu so eine Szenario führen, dass man als einziger Normalmensch einem Radikalen folgt, dem sonst nur Radikale folgen. Der beschickt mit seinem Geschreibsel vornehmlich seinen eigenen Freundeskreis mit Parolen und jede Gegenwehr gegen so einen Sturm ist pulverisierte Liebesmüh’, die oft genug noch dazu führt, sich mit doppeltem und dreifachen Echo der Freundesfreunde herumärgern zu müssen.

Will man aufbegehren, dann sollte man das auch bei Freundschaften in Social Networks immer noch persönlich tun – wenn einem das, wie schon geschrieben, wirklich wert ist.


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