Das Domain-Name-Chaos.

Wie es sich fühlt, als Eltern von den eigenen Kindern aufgefressen zu werden, kann ich aktuell in etwa nachvollziehen. Zur Zeit schreibe ich nämlich den netplanet-Artikel zu Top-Level-Domains um, und zwar fundamental. Denn die Zeiten, wo man mal eben so alle existierenden Top-Level-Domains auf eine Seite schreiben konnte, ist vorbei. Das an sich einst sehr strenge und dann aufgelockerte System der Top-Level-Domains ist einem wahren und nahezu chaotischen Wildwuchs gewichen. Glaubt man nicht?

Wer kennt die Domain-Endung “.club”? Oder “.archi”? Oder wer kommt darauf, dass die ebenfalls existierende Domain-Endung “.airforce” gar nicht einer Militärbehörde gehört? Was macht man mit einer Domain-Endung “.blackfriday”? Oder “.xyz”? Für Zahnbelange soll wohl “.dental” gelten, aber warum gibt es auch noch “.dentist”? Welcher Logik folgen Top-Level-Domains für Unternehmen wie z.B. “.neustar” oder “.bmw”?

Und das sind nur einige Beispiele in einer inzwischen völlig außer Kontrolle geratenen Liste von Top-Level-Domains. Das Domain Name System ist der Idee einer halbwegs strengen Ordnung gewichen einem System des reinen Kommerzes. Wer die Kohle hat, kauft sich keine Domain mehr, sondern gleich eine Top-Level-Domain. Die Hürden von rund 100.000 US-Dollar zur Stellung eines Antrages, die bei einer Ablehnung auch nicht zurückerstattet werden können, sind für viele Unternehmen schlicht ein Klacks, der sich auch noch problemlos abschreiben lässt.

Rein an Systematik und Ordnung gewonnen ist mit diesem entstandenen Wildwuchs nichts. Internet-Provider haben ihre liebe Mühe, in diesem System halbwegs kostendeckend Registrierungen in exotischen Top-Level-Domains durchführen zu können und Inhaber von Markenrechten schaffen den Überblick kaum noch ohne entsprechende Dienstleister. Verdienen tun die großen Registrare, die lange Jahre mit exzessiver Lobbyarbeit bei einschlägigen Gremien und Regierungen dafür gesorgt haben, das Domain Name System zu einem modernen Klondike River umzudefinieren. Das Ergebnis ist – ich wiederhole mich – totales Chaos. Adressen sind plötzlich Adressen und nur noch wenige können erkennen, ob eine Adresse wirklich eine Adresse ist. Wer käme auf die Idee, dass abc.xyz nun tatsächlich einen gültigen Host-Namen darstellen könnte? Und was wird eigentlich passieren, wenn der Betreiber einer Top-Level-Domain die finanzielle Grätsche macht und möglicherweise hunderte Domain-Namen verlorengehen?

Nichts ist mehr so, wie es war. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, aber ich bezweifle es, dass der radikale Wechsel von einem Verzeichnissystem hin zu einer Ansammlung von mehr oder weniger ernstzunehmenden Litfaßsäulen tatsächlich der richtige Weg ist. Andererseits lohnt die Diskussion darüber auch nicht sonderlich, denn umkehrbar ist dieser Wandel nicht mehr. Das Domain Name System ist technisch zwar immer noch funktionsfähig, aber eigentlich ist es kaputt.


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Eine Antwort zu „Das Domain-Name-Chaos.“

  1. Avatar von Stefan Einspender
    Stefan Einspender

    Hallo Besim, durch Deinen Artikel habe ich mir das Thema mal wieder angeschaut, ist ja wirklich schlimm, was die Iana da veranstaltet (hat). Aktuell sind in http://www.iana.org/domains/root/db 674 Endungen eingetragen, wenn ich mal auf die ursprünglichen ccTLD’s filtere, dann 255, schon bei den ccTLD’s in nicht-lateinischen Zeichensätzen bekomme ich Bauchschmerzen, sind dann noch 41 ccTLD’s dazu (wie soll man die im Großteil der Welt sinnvoll eingeben können?).
    Ja und dann sind da noch sage und schreibe 378 andere TLD’s, die bekannten (.com, .net, .org usw.) kann man da ja schon vernachlässigen. Also hunderte von TLD’s, wo sich mir unbedingt die Frage nach dem Sinn stellt. Ja, da haben die Registrare wirklich “super” gearbeitet und ich glaube kaum, dass sich davon auch wirklich viele zukünftig durchsetzen werden. Manchmal ist eine einfache Struktur vielleicht auch die bessere?! Aber wir Du schon schreibst, umkehren lässt sich dieser Blödsinn (ist absolut meine Meinung) nicht mehr.

    Also dann, viel Spaß beim Aktualisieren des Artikels 😛

    Viele Grüße,
    Stefan E.

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