In zehn Jahren keine Zeitungen mehr?

Steve Ballmer, CEO von Microsoft, hat in einem Interview mit der Washington Post eine gar kühne Behauptung aufgestellt: In zehn Jahren gäbe es die klassischen Zeitungen nicht mehr. Alle Medien würden seiner Meinung nach über IP-Netzwerke übertragen werden und im Internet aufgehen. Das deshalb, weil eine elektronische Auslieferung schlicht einfacher und rationeller ist, als der klassische Druck und die Distribution auf Papier.

Nun, pardon, das haben viele gesagt und die wenigsten wirklich sinnvoll begründet. Nur weil der Buchhändler Amazon ein Lesegerät namens “Kindle” mit einem ausgesprochen hässlichen Design vertreibt und dieses Lesegerät erstaunlich bessere Verkaufszahlen an den Tag legt, als frühere Versuche, ist das noch lange kein Grund. Aber vielleicht eine Position, deren Effekt nicht wirklich vorhersehbar ist. Ich habe dazu eigene Thesen, die durchaus streitbar sind und vielleicht auch daneben gehen, who knows. Ist jetzt mal kurz runtergeschrieben, wer will, darf sich in den Kommentaren mit Ergänzungen und Kritik anhängen:

Antithese Eins: Wer keine Nachrichten liest, liest sie weder aus der Zeitung, noch aus dem Internet. Die Frage ist, ob geschriebene Nachrichten überhaupt im Mainstream eine große Zukunft hat oder ob es immer spezialisierter wird und nur noch ein, zwei große Leitmedien gibt. Dann hätte nämlich auch die Regionalzeitung einen relativ sicheren Hafen.

These Eins: *schulterzuck*

Antithese Zwei: Das Lesen einer elektronischen Zeitung ist nach wie vor etwas grundlegend anderes, als das Lesen einer papiernen Zeitung. Eine papierne Zeitung lese ich am Esstisch, auf dem Sofa, im Garten oder in der Badewanne. Orte, wo ich mit elektronischen Geräten nichts am Hut haben will, deren Akkus leer sein könnten oder das Display kaputt. Die Zeitung und die Zeitschrift geht immer.

These Zwei: Frage ist, wie sich der Weg hin zum Häppchenjournalismus entwickelt, welche Redaktion den Trend dahin am fähigsten erfasst und umsetzt, wie sich der Trend zur immer stärkeren Mobilität fortsetzt und wer am Ende mit den neuen Vertriebswegen Geld verdienen kann. Diejenigen, die davon leben, teure Anzeigen zu verkaufen und eine große Druckmaschine abzuschreiben haben, sehen potentiell schlechter aus, als diejenigen, die mit fünf PC vernetzt einen Server mit einem freien CMS beschicken und die Werbeflächen verkaufen.

Antithese Drei: Die Zeitungswelt ist in Deutschland grundlegend anders, als in den Staaten. Während es in den Staaten einige große, überregionale Zeitungen gibt und einen verhältnismäßig schwachen regionalen Zeitungsmarkt, ist es in Deutschland so, dass der Zeitungsmarkt traditionell sehr stark regional liegt. Sprich: Wenn es hochkommt, informieren sich Menschen hier online weitgehend zu überregionalen und internationalen Themen und regional eher über die lokalen Zeitungen. Zumindest noch.

These Drei: Eine Frage der Zeit, bis sich die Lokalisation immer stärker auch online abbildet, die Beginne sieht man schon. Die Frage hierbei ist vor allem, die flexibel die altehrwürdigen Regionalzeitungen darauf reagieren können, dass sie Konkurrenz von der “Graswurzel” bekommen. Dazu kommt auch noch die Entwicklung, dass Regionalzeitungen traditionell aus kleinen Verlagshäusern bestehen und sich, der Lauf der Zeit, aufkaufen lassen und damit ihren Halt in der Region verlieren, wenn Lokalredaktionen ihren Stand verlieren und nur noch ein Lokalfenster haben und keinen großen Lokalteil.

Antithese Vier: Der Zeitungsmarkt steht und fällt mit dem Anzeigenmarkt. Bricht dieser in der jeweiligen Zielausrichtung der Zeitung weg, killt das die Zeitung. Überregionale Zeitungen mögen da stärker betroffen sein, als regionale.

These Vier: Noch haben regionale Zeitungen einen Heimvorteil, dass regionale Anzeigenmärkte im Internet noch eher die Ausnahme sind. Noch. Moderne Werbeformen wie Google AdSense haben grundsätzlich das Potential, das zu ändern. Ich glaube aber, dass da zukünftig noch weitere Werbeformen dazukommen werden, die regionale Anzeigemärkte im Internet geradezu befeuern. Wie die aussehen, weiß ich auch nicht, aber da ist sicherlich der stärkste Saft drin.


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Kommentare

2 Antworten zu „In zehn Jahren keine Zeitungen mehr?“

  1. Avatar von Funbug

    Oha, du liest Zeitung in der Badewanne? Das ist eine Kunst für sich.

    Ich denke, dass es die gute alte Zeitung noch eine ganze Weile geben wird. Sicher haben beide Formen ihre Daseinsberechtigung, und die wird noch eine ganze Weile parallel laufen.

    Frühestens aber wenn OLEDs oder ähnliche Technologien, die Bildschirminhalte auf flexible Displays bringen, richtig ausgereift und preiswert sind, wird die Zeitung wie wir sie heute noch kennen, langsam aber sicher aussterben.

    10 Jahre? 20 Jahre? Ich tippe auf 2021.

    Übrigens ist das ePaper der PZ ein Witz. Wieso machen sie nicht einfach ein stinknormales PDF? Über so einen ePaper-Reader-Firlefanz könnte ich mich tierisch aufregen.

  2. […] uns in Deutschland anders aus, als in den USA (eingebettet in einem anderen Artikel habe ich das bereits mal gebloggt). Während wir in Deutschland (noch) eine vielfältige Lokal- und Regionalzeitungskultur […]

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